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Dieses Inter­view erschien erst­mals im Mai 2018 in 11FREUNDE #198. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhält­lich.

Gio­vane Elber, wo waren Sie, als Gio­vanni Tra­pat­toni vor lau­fenden Kameras an der Säbener Straße aus­ge­tickt ist?
Ich stand keine fünf Meter von ihm ent­fernt, direkt hinter der Tür zum Pres­se­raum. Was in dem Trubel total unter­ge­gangen ist: Ich sollte nach ihm mit den Jour­na­listen reden.

Wie war die Stim­mung, als Tra­pat­toni fertig hatte?
Mir war schon etwas mulmig, als ich da stand und gedämpft hörte, wie der Trainer immer lauter wurde. Als ich nach ihm in den Raum ging, waren die Jour­na­listen total baff. Ich schaute in ihre Gesichter und fragte: Leute, was ist los? Keine Fragen heute?“ Unser Pres­se­spre­cher Markus Hör­wick erklärte mir, dass ich am besten gar nichts mehr sagen würde. Schließ­lich hatte Tra­pat­toni den Repor­tern gerade Stoff für die ganze Saison gelie­fert.

Hat der Trainer danach in Ruhe mit der Mann­schaft gespro­chen?
Beim nächsten Trai­ning kam er zu mir und fragte auf Ita­lie­nisch: Ey, Bra­si­lianer, was habe ich falsch gemacht? Warum lachen alle?“ Ich ant­wor­tete: Mister: In Deutsch­land sagt man nicht Fla­sche leer‘. Es heißt leere Fla­sche‘.“

Im Ver­gleich zu anderen Bra­si­lia­nern in der Bun­des­liga spra­chen Sie schon als junger Spieler gut Deutsch und wirkten sehr dis­zi­pli­niert. Halten Ailton oder Mar­cel­inho Sie für einen Streber?
Es ist ja so: Mit Jungs wie Mar­cel­inho oder Ailton ist es schwer, hin­sicht­lich ihrer Eska­paden mit­zu­halten. Daher müssen die beiden tat­säch­lich immer ein biss­chen über mich lachen. Für sie bin ich der Deut­sche. Dabei war es nicht so, dass ich immer brav gewesen wäre. Ich habe auch Mist gebaut, ich habe es nur besser ver­heim­licht.

Zum Bei­spiel?
Einmal wurden Claudio Pizarro und ich nach einer Nie­der­lage auf dem Okto­ber­fest erwischt. Der Klub wollte ihn zu 10 000 und mich zu 50 000 Euro Strafe ver­don­nern. Also sprach ich mit Ottmar Hitz­feld und sagte: Trainer, Sie müssen uns Süd­ame­ri­kaner manchmal feiern lassen. Aber ich ver­spreche Ihnen: Am Samstag lassen wir es auf dem Platz kra­chen.“ Also einigten wir uns auf einen Deal: Er würde uns die Strafe erlassen, wenn wir am Wochen­ende gut spielen würden.

Und?
Claudio traf dop­pelt, ich auch. Wir gewannen mit 4:0. Damit war die Sache gegessen. Gene­rell ist es so: Ich habe in meinem Leben oft zum rich­tigen Zeit­punkt das Rich­tige getan.

War es auch richtig, als 18-Jäh­riger ohne einen ein­zigen Pro­fi­ein­satz zum AC Mai­land zu wech­seln?
Natür­lich.

Sie machten kein Spiel in der Serie A.
Mein Pro­blem waren die drei Hol­länder: Van Basten, Gullit, Rij­kaard. Damals durften nur drei Aus­länder pro Mann­schaft spielen. Und an denen kam ich natür­lich nicht vorbei.

Wie war Milan auf Sie auf­merksam geworden?
1990 spielte ich mit der bra­si­lia­ni­schen Natio­nal­mann­schaft die U20-WM in Por­tugal und schoss vier Tore, wir wurden Vize-Welt­meister. Nach dem Finale flog ich zurück nach Lond­rina. Als ich dort ankam, sagte der Prä­si­dent vom FC Lond­rina, wo ich in der A‑Jugend spielte: Du packst deinen Koffer nicht aus, wir fliegen morgen nach Mai­land.“ Milan war bereit, eine Mil­lion US-Dollar für mich zu bezahlen.

In Mai­land nahm Silvio Ber­lus­coni Sie in Emp­fang.
Am Trai­nings­ge­lände gab er mir ein Blatt Papier. Darauf sah ich nur eine Zahl: 500 000 Dollar. Ich dachte: Man­no­mann, mit dem Gehalt kann ich ganz Lond­rina kaufen.“ Der Ver­trag in Mai­land wurde mein erster über­haupt. In Lond­rina unter­schrieb ich danach nur schnell einen Pro­fi­ver­trag, damit der Klub von Mai­land die Ablöse kas­sieren konnte.

Sie wech­selten aus der bra­si­lia­ni­schen A‑Jugend in ein Team voller Welt­stars.
Die Mann­schaft aß mit­tags gemeinsam am Trai­nings­ge­lände. Als ich an meinem ersten Tag auf­ge­gessen hatte, wollte ich auf­stehen. Obwohl alle anderen fertig waren, machte nie­mand einen Mucks. Alle blieben sitzen. Irgend­wann schaute Ruud Gullit Franco Baresi an und fragte: Capi­tano, dürfen wir auf­stehen?“ Baresi guckte in die Runde, nach ein paar Sekunden klopfte er auf den Tisch und sagte: In Ord­nung.“ Erst da durften wir uns bewegen. Es war wie beim Militär.