Die Winterpause ist die Zeit der Testspiele – und der Wettbetrüger, die mit manipulierten Partien Millionen verdienen. Ein System, das seit Jahren weiter wächst, wie ein Experte erklärt.
In der vergangenen Woche spielte der SV Wehen Wiesbaden im türkischen Side gegen Borussia Mönchengladbach II. Wiesbaden gewann das sportlich unbedeutende Testspiel mit 3:1, nachdem der türkische Schiedsrichter in der Schlussphase zwei kuriose Elfmeter gepfiffen hatte. Kurz darauf meldete sich die Sportradar AG bei den Hessen: Das Spiel stehe unter Manipulationsverdacht, es habe auffällige Wettplatzierungen in Asien auf die Partie gegeben. Die Ermittlungen dauern an.
Das Spiel in Side ist kein Einzelfall, sagt Andreas Krannich, Mitglied der Geschäftsführung bei „Sportradar“. An jedem Spieltag analysieren seine Mitarbeiter Milliarden Daten auf der Jagd nach dem nächsten Wettbetrug – und spüren so jedes Jahr hunderte manipulierte Spiele auf.
Andreas Krannich, seit vergangener Woche steht das Testspiel zwischen Wehen Wiesbaden und Borussia Mönchengladbach II unter Manipulationsverdacht. Ein Einzelfall?
Nein, im Gegenteil. Leider decken wir immer wieder und zunehmend manipulierte Freundschaftsspiele in der Winter- und Sommerpause auf – was aber nicht heißt, dass es sich dabei um Spiele mit deutscher Beteiligung handelt. In den letzten Jahren können wir zwei Trends feststellen: Zum Einen gibt es Mannschaften, die gezielt solche Freundschaftsspiele verabreden, um sie dann zu manipulieren. Nur deshalb fliegen sie in die entsprechenden Länder und Trainingslager. Zum anderen werden Partien vermehrt von dafür speziell eingesetzten Schiedsrichter-Teams manipuliert. Die entsprechenden Mannschaften sind zumeist ahnungslos und nicht beteiligt.
Warum schlug ihr Überwachungssystem beim Spiel Wiesbaden-Mönchengladbach an?
Dazu kann ich leider keine Auskunft geben. Wir überwachen im Auftrag vom DFB und der DFL pro Jahr über 7000 Fußballspiele in Deutschland. Teil unserer Vereinbarung ist absolute Vertraulichkeit – auch, um verbandsinterne oder strafrechtliche Verfahren nicht zu torpedieren.
Dann mal so rum gefragt: Welche Manipulationsformen gibt es denn generell?
Eine Aufzählung würde dieses Interview sprengen. Wichtig ist aber zu verstehen, dass es beim Manipulieren bei weitem nicht nur darum geht, ein Spiel absichtlich zu verlieren. Sie können als Favorit ein Spiel mit 2:0 gewinnen und es trotzdem, ohne Absprache mit dem Gegner, manipuliert haben.
Wie soll das funktionieren?
Ganz einfach. Sie sind hoher Favorit in einer Partie, beispielsweise im Pokal gegen einen unterklassigen Gegner, und führen nach zehn Minuten bereits mit 2:0. Sie könnten problemlos weitere Tore erzielen – machen Sie aber nicht. Der Wettmarkt, der ausschließlich auf rationalen Erwartungen basiert, geht aber davon aus, dass noch weitere Tore fallen. Sie wetten dagegen, gewinnen das Spiel 2:0 und viel Geld vom Wettmarkt. Glauben Sie nicht? Ist aber eine gängige Form der Manipulation.
Wie häufig kommt das vor?
Nun, über 98 Prozent aller manipulierten Spiele gehen auf drei Wettoptionen zurück: Das Wetten auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage. Wetten auf die Gesamtzahl der Tore in einem Spiel. Und das so genannte Asiatische Handicap-Wetten. Dabei wird beiden Mannschaften eine fiktive Anzahl an Toren vorgegeben. Das Prinzip ist ähnlich wie beim Golf, wo der Spieler an seinem Handicap gemessen wird. Im Fußball bekommt der Favorit ein Negativ-Handicap, sagen wir von – 2,5 Toren, der Außenseiter eines von + 2,5 Toren. Wettet man auf den Favoriten, muss dieser mit mindestens drei Toren Unterschied gewinnen, um die Wette zu gewinnen. Der Abstand beträgt immer viertel oder wie in diesem Fall halbe Tore, um ein Unentschieden zu eliminieren.
Auf diese drei Wettarten können international sehr hohe Beträge gesetzt und damit gewonnen werden. Daneben besteht die Möglichkeit, sogenannte Fun- oder Side-Bets zu manipulieren: Wer hat den ersten Einwurf? Wer hat Anstoß? Wer kassiert eine Gelbe oder Rote Karte? Alle Wettanbieter schützen sich aber dagegen, in dem sie nur geringe Einsätze auf solche Wetten annehmen. Damit lässt sich also für Betrüger kaum Geld verdienen und diese Wettarten, obwohl auf den ersten Blick manipulationsanfällig, sind in über 99 Prozent aller von uns aufgedeckten Wettmanipulationen nicht betroffen.