Trainer David Wagner und Huddersfield Town gehen fortan getrennte Wege. Hier sprach er mit uns über die lückenhafte Erinnerung an das größte Spiel seiner Karriere, die Magie der Premier League und den Umgang mit Jahreswechseln im Teamhotel.
David Wagner, würden Sie sagen: 2017 war das beste Jahr meines Lebens?
Privat sicher nicht, ich war nämlich bis September ohne meine Familie hier, weil meine jüngere Tochter in Dortmund noch ihr Abitur machen musste. Deshalb musste ich extrem viel hin- und herreisen.
Gut, aber beruflich war 2017 schon Ihr bestes Jahr?
Da würde ich vielleicht 2007 sagen, als ich sowohl das Lehrerexamen in Sport und Biologie wie den Fußballlehrer gemacht habe. Darauf war ich richtig stolz! Und als Trainer 2012 mit der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund in die Dritte Liga aufzusteigen, war für mich genauso herausragend, wie als Spieler mit Schalke 1997 den Uefa-Cup zu gewinnen, selbst wenn ich damals nur eine Handvoll Spiele gemacht habe.
War es denn zumindest ganz okay, mit Huddersfield Town einen der kleinsten englischen Zweitligisten durch einen dramatischen Playoff-Sieg in die Premier League zu führen?
Natürlich war es viel mehr als das, ich tue mich nur mit solchen Abstufungen schwer.
Welcher Moment wird Ihnen von diesem Jahr besonders in Erinnerung bleiben?
Schon der Tag der Playoffs in Wembley und vor allem der Moment, als der entscheidende Ball im Elfmeterschießen über die Linie gegangen ist. Aber wenn ich mich an den Tag zu erinnern versuche, brauche ich Bilder dazu. Ich habe inzwischen das Gefühl, als wäre ich gar nicht richtig dabei gewesen, weil ich an die Emotion, die ich da hatte, nicht mehr richtig herankomme.
Liegt es daran, dass dieses Playoff-Spiel die finanziell wichtigste Partie im Weltfußball ist, deren Sieger über 200 Millionen Euro Fernsehgelder sicher hat?
Es lag eher daran, was sich nach einer unglaublich langen Saison in diesem 54. Spiel noch einmal alles gebündelt hat. Wir waren seit Saisonstart immer in den Top Sechs, und alle haben die ganze Zeit darauf gewartet, dass wir da rausfallen. Wir haben es dann als Fünfter trotzdem in die Playoffs geschafft, waren allerdings schlecht in Form. Von den letzten vier Punktspielen hatten wir nur noch eines gewonnen, haben im Playoff-Halbfinale trotzdem zwei Unentschieden gegen den großen Favoriten Sheffield Wednesday geschafft und uns übers Elfmeterschießen fürs Finale qualifiziert. Und in Wembley liegen wir im Elfmeterschießen gegen Reading mit 1:3 zurück und gewinnen es noch. Seltsamerweise habe ich immer gedacht, dass wir aufsteigen könnten, aber selbst am Tag des Endspiel war ich nicht überzeugt davon, dass wir aufsteigen würden.
Wie relativiert man als Trainer sich selbst und seiner Mannschaft gegenüber die monumentale Bedeutung dieses einen Spiels, um nicht komplett gelähmt davon zu sein?
Das war nicht schwierig, weil das viele Geld für uns nie im Mittelpunkt stand. Die Jungs haben in der Kabine immer vom „Lifechanger“ gesprochen, also davon, dass dieses Spiel unsere Leben verändern kann. Aber es ging immer um die sportliche Geschichte: Wir wollten die Ersten sein, die mit dem kleinen, bescheidenen Huddersfield Town in der Premier League spielen dürfen. Wir wollten den Klub zum ersten Mal nach 45 Jahren wieder in die Erstklassigkeit führen und gegen Liverpool, Manchester United und all die anderen großen Klubs spielen.
In der zweiten englischen Liga herrschen unglaublich große wirtschaftliche Unterschiede, eigentlich war Huddersfield doch eher ein Abstiegskandidat, oder?
Die Aufstiegsmannschaft hatte einen Personaletat von elf Millionen Pfund, damit lagen wir in der Etattabelle vermutlich auf dem 18. Platz von 24 Mannschaften, ein Spitzenklub wie Newcastle hatte wohl so um die 75 Millionen Pfund zur Verfügung. Und in der Regel stehen die Klubs mit dem niedrigsten Etat am Ende auch unten und die mit dem teuersten oben.
Hat die Geschichte des Aufstiegs für Sie etwas Märchenhaftes?
Absolut, nach der Meisterschaft von Leicester ist es sogar das zweite Märchen im englischen Fußball innerhalb von zwölf Monaten. Als Spieler habe ich so etwas bei Schalke mit dem Gewinn des Uefa-Cups 1997 erlebt, und jetzt in verantwortlicher Position noch einmal. Das zeigt, dass im Fußball alles möglich ist.