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Viktor Skripnik, als Sie im Oktober Chef­trainer wurden, stand der SV Werder auf dem 18. Platz, ein halbes Jahr später schrammte er nur knapp an der Europa League vorbei. Ist das das neue Wunder von der Weser?
Es stimmt, dass uns die Experten im Herbst schon unter die Erde gebracht hatten. Ich habe an die Wende geglaubt und das auch zum Aus­druck gebracht. Da sagten viele: Netter Ver­such! Was soll der Skripnik auch anderes sagen?“ Aber die Mann­schaft hat diese posi­tive Men­ta­lität über­nommen und sich da unten her­aus­ge­spielt.

Ein Wunder also?
Das war in dieser Form zwar nicht zu erwarten, aber als Wunder würde ich es nicht bezeichnen. Das würde ja bedeuten, dass die Mann­schaft über ihre Ver­hält­nisse gespielt hätte. Nein, unsere Spieler haben ihre Ver­träge beim SV Werder nicht, weil sie eine gute Figur oder schöne Augen haben, son­dern weil sie richtig gut kicken können. Diese Mann­schaft hat das Poten­tial für das obere Tabel­len­drittel, man muss es nur aus ihr her­aus­holen.

Sind Sie als Chef­trainer auch Werder-Fan?
Aber ja! Ich inter­es­siere mich für alles, hole mir jeden Mon­tag­morgen aus unserer Medi­en­ab­tei­lung die Nach­richten mit den Ergeb­nissen aus allen Sparten, egal ob Frau­en­fuß­ball oder Tisch­tennis. Das ist mein Verein, und ich bin ein Teil davon!

Dann erin­nern Sie sich bestimmt an den 4. November 1987.
Lassen Sie mich raten: Da hat der SV Werder gespielt.

Soweit schon mal richtig.
Dann müsste das der Tag gewesen sein, an dem Werder gegen Spartak Moskau 6:2 gewann. Ich habe dieses Spiel zu Hause in Nowo­mos­kowsk ver­folgt, gemeinsam mit meinem Vater. Das Bild war zwar sehr schlecht, aber ich war den­noch fas­zi­niert.

Nach einem 1:4 in Moskau zog die Mann­schaft mit diesem Sieg doch noch ins Ach­tel­fi­nale des UEFA-Cups ein. Es war das erste Wunder von der Weser.
Diese Bezeich­nung ist absolut zutref­fend. Mein Vater und ich starrten in den ersten Minuten auf den Bild­schirm und fragten uns: Warum um alles in der Welt strengen diese Bremer sich noch so an? Das 1:4 holen die doch nie im Leben auf! Nicht gegen das stolze Spartak!

Aber sie schossen Tor um Tor.
Ich war begeis­tert von diesem uner­schüt­ter­li­chen Kampf­geist, diesem Trotz, diesem Selbst­ver­trauen. Ich hätte so einen Spiel­ver­lauf nie­mals erwartet.

Jubelten Sie laut, als Riedle und Burg­s­müller durch ihre Tore in der Ver­län­ge­rung das Wunder voll­brachten?
Ich freute mich still. Offi­ziell hätte ich natür­lich für Spartak sein müssen. Am nächsten Morgen in der Uni­ver­sität von Dni­pro­pe­trowsk, wo ich Sport­wis­sen­schaft stu­dierte, flüs­terten die Kom­mi­li­tonen ein­ander zu: Hast du das gesehen? Wahn­sinn!“ Nach diesem Spiel war mein Inter­esse für Werder geweckt.

Was war in der Sowjet­union über den Verein in Erfah­rung zu bringen?
1987, in diesem Land, lange vor dem Inter­net­zeit­alter: so gut wie nichts. Ich war ein junger Mann in einem rie­sigen Land, über dessen Grenzen man nicht hin­weg­schauen konnte. Ich musste darauf hoffen, dass Werder in der Fuß­ball­sen­dung am Samstag vorkam, die einen zehn­mi­nü­tigen Bei­trag über die Bun­des­liga brachte. Meis­tens bestanden die zehn Minuten aller­dings aus dem FC Bayern und irgend­einem Gegner, der kaum erwähnt wurde.