Ein Flüchtling aus Gambia beeindruckt beim Probetraining HSV-Trainer Bruno Labbadia – dabei hat er noch nie in einem Verein gespielt. Sehen wir ihn bald in der Bundesliga?
In Hamburger Sportredaktionen grassiert derzeit akute Schnappatmung. Schuld ist Bakery Jatta, ein 17-jähriger Flüchtling aus Gambia, der ein dreitägiges Probetraining beim HSV absolviert hat. „Der Junge kann kicken. Das hat man direkt gesehen“, zitiert die „Hamburger Morgenpost“ einen euphorisierten Bruno Labbadia, nachdem Jatta Kevin Schipplock eine Bude aufgelegt hatte. Kurz darauf hob die Mannschaft – ohne Jatta – ins Trainingslager nach Belek ab; der Minderjährige wird erst nach deren Rückkehr in die Hansestadt weiter getestet.
Der HSV sollte sich aber nicht zu lange Zeit lassen, meint Jattas Förderer Lothar Kannenberg, der den Jungen in einer Einrichtung in Bremen-Hastedt betreut. Im Gespräch mit 11FREUNDE erzählt der Leiter der „Akademie Lothar Kannenberg“ von der Vorbereitung auf das Probetraining und Jattas großen Plänen.
Lothar Kannenberg, wie kam Bakery Jatta in Ihre Einrichtung?
Bakery ist vor etwa sechs Monaten in einem unserer Jugendhäuser in Bremen angekommen, nach einer 6000 Kilometer langen Flucht aus Gambia, weg von dem heimischen Regime. Da er als Minderjähriger ohne Familienanschluss unter das Jugendhilfegesetz fällt, wurde er uns von den Behörden zugewiesen. Wir betreuen die Jugendlichen rund um die Uhr, bieten Hilfe bei der Beschaffung von Pass und Duldungspapieren, kümmern uns um Deutschkurse und Schulangebote.
Wie sind Sie auf Jattas Talent aufmerksam geworden?
Wir legen einen besonderen Schwerpunkt auf Sporterziehung, unter anderem mit Fußball. Bakerys Talent war sofort offensichtlich. Der Junge wusste, was er wollte – nämlich ganz oben mitspielen. Aber bevor wir ihn zu einem Probetraining schicken konnten, mussten wir ihn körperlich fit kriegen. Er hat zwar ein großes Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein, aber wir mussten ihn soweit vorbereiten, dass er ein mehrtägiges Training bei einem Verein auch physisch übersteht.
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Und als er dann soweit war?
Dann hat er ein Probetraining bei Werder Bremen bekommen.
Einfach so? Immerhin hat Bakery Jatta noch nie auf Vereinsebene Fußball gespielt. Kann jede Jugendhilfeeinrichtung ein Probetraining bei einem Bundesligisten vereinbaren?
Naja, ich bin schon lange im Sportbereich tätig (Kannenberg boxte in den achtziger und neunziger Jahren für Frankfurt in der 1. Bundesliga, d. Red.) und kenne dadurch viele Leute in der Branche. Auch einige meiner Betreuer haben gute Kontakte in den Profisport – über Beziehungen geht vieles.
Wie lief es bei Werder?
Die waren begeistert, haben ihm aber nur einen Vorvertrag angeboten. Bakery wollte aber mehr, mit einem Festvertrag wäre seine Aufnahmegenehmigung gesichert. Deshalb haben wir über einen Spielerberater Kontakt mit Dietmar Beiersdorfer aufgenommen. Beim HSV würde Bakery reinpassen – er ist sehr robust, ein guter Offensivspieler, kann sowohl selbst treffen als auch Tore vorbereiten. Der Verein hat sich aber wohl noch nicht entschieden, ob er Bakery ein Angebot machen will.
Warum spielte Jatta überhaupt direkt bei Werder und dem HSV vor? Wenn es um eine Aufenthaltsgenehmigung geht, wäre doch auch ein Engagement bei einem Dritt- oder Viertligisten denkbar.
Bakerys will der Beste sein und deshalb auch nur mit den Besten zusammenspielen. Er hat einen starken Willen. Nach Absprache mit dem Spielerberater sind wir also direkt an die Erstligisten rangetreten.
Ganz unberechtigt scheinen die Hoffnungen ja nicht: Der HSV will Jatta nach dem Traininslager weiter testen.
Aber der HSV ist ohne ihn nach Belek geflogen – wenn das mal kein Fehler war. Bakery will unbedingt Profifußballer werden und ich denke, er hat gute Chancen, es zu schaffen. Andere Jungs aus unserer Einrichtung haben es auch gepackt – Bakerys Landsmann Ousman Manneh spielt mittlerweile in der U23 von Werder Bremen.