Schiedsrichter Walter Eschweiler hat alles gesehen: Treter, Schauspieler, renitente Trainer. Seine Strategie: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Walter Eschweiler, Sie galten während Ihrer Schiedsrichterkarriere immer als Frohnatur. Waren Sie nie von den Spielern genervt?
Ach, wissen Sie, ich habe mich und die anderen nie so tierisch ernst genommen. Wir Schiedsrichter sind nicht der Nabel der Welt, wir haben nur den Regeln Geltung zu verschaffen. Das kann man auch höflich und nett machen.
Was musste passieren, damit bei Ihnen Schluss mit lustig war?
Den Offenbacher Manfred Ritschel habe ich beim Derby gegen Eintracht Frankfurt einmal in der ersten Minute verwarnt, und in der dritten Minute habe ich mich von ihm verabschiedet. Da hatte der dem Jürgen Grabowski die Beine weggezogen. Das geht natürlich nicht!
Wen haben Sie sich strenger zur Brust genommen: brutale Abwehrspieler oder fallsüchtige Stürmer?
Beide. Ich erinnere mich an eine Begebenheit beim Spiel zwischen Bayern München und Eintracht Frankfurt, da fiel der Bernd Hölzenbein über Grashalme. Also habe ich gesagt: „Lieber Bernd, stehen Sie auf! Wir müssen es üben, es sitzt noch nicht richtig.“ Da hat er gelacht und die Situation war entkrampft.
Sie haben insgesamt sehr wenige Platzverweise erteilt.
Weil ich die Kommunikation geliebt habe, und ich liebe sie heute noch. Die Spieler sind dankbar für jedes nette Wort.
Fehlt es daran heutzutage?
Mag sein.
Weil der moderne Fußball so ernst ist, dass er keinen Humor verträgt?
Glaube ich nicht. Ein netter Spruch zur richtigen Zeit würde noch immer nicht seine Wirkung verfehlen. Oder denken Sie an Pierluigi Collina, wie der immer mit den Augen gerollt hat. Damit hatte er alles im Griff.
Sie arbeiten seit vielen Jahren im Auswärtigen Amt. Hat Ihnen Ihr Diplomatenpass im Fußballstadion geholfen?
Der Beruf des Schiedsrichters ist nicht entscheidend. Der eine ist Zahnarzt, der andere stürmischer Liebhaber …
Wir meinten eher eine berufsbedingte Neigung zu Verständigung und Ausgleich.
Kann gut sein, dass das nützlich war. Wir waren ja psychologisch geschult.
Können Sie Ihre Strategie kurz beschreiben?
Man baut ja zu den Spielern im Laufe der Jahre ein Verhältnis auf. Die wussten ganz genau, was geht und was nicht geht. Und wenn einer über die Stränge schlug, konnte man sagen: „Meister, lassen Sie’s sein, ich hab es gesehen! Es könnte tödlich enden.“
Kann ein Schiedsrichter überhaupt in jeder Situation und allen gegenüber unparteiisch sein? Er ist doch auch nur ein Mensch, der Sympathie und Antipathie verspürt.
Dennoch müssen Sie versuchen, die neutrale Linie beizubehalten. Wenn Sie Kompromisse eingehen, dann verlassen Sie einen bestimmten Pfad, und das ist gefährlich.
Aber auch menschlich.
Trotzdem.
Darf ein Referee einen heimlichen Lieblingsklub haben?
Auch das würde ich nicht empfehlen.
Aber wenn man Schiedsrichter wird, hat man doch meistens schon einen.
Das ist Einstellungssache. Selbst wenn man einen hat, muss man das für 90 Minuten vergessen.