Gaizka Mendieta führte den FC Valencia zwei Mal hintereinander ins Finale der Champions League – und verlor beide Spiele. Er war einer der ersten Spielmacher der neuen Generation. Mit uns sprach er über Freistöße, Bösewichte und Stefan Effenberg.
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Gaizka Mendieta, seit 10 Jahren dominieren die spanischen Teams die europäischen Wettbewerbe. Wie erklären Sie sich das? Die Spielstile von Barcelona, Real, Atlético und Sevilla sind ja komplett verschieden.
Das stimmt, sie haben nicht den selben Spielstil. Aber es gibt trotzdem eine spanische Art, Fußball zu spielen. Wir Spanier denken weder nur offensiv, noch nur defensiv. Wir suchen das Gleichgewicht. Das machen alle Mannschaften – auf ihre eigene Weise, aber sie suchen das Gleichgewicht, das vereint sie. Das macht es so schwer sie zu bezwingen. Und natürlich gibt es in Spanien wahnsinnig viele talentierte Spieler.
Cruyff predigte immer das Gleichgewicht aus Offensive und Defensive. Ist er für die Dominanz der Spanier verantwortlich, auch über den FC Barcelona hinaus?
Bei Barça ist er auf alle Fälle dafür verantwortlich. Aber ja, Cruyff hat sehr viel in Spanien verändert. Früher wurde in Spanien sehr körperlicher Fußball gespielt. Daher kam ja auch der Spitzname der Nationalmannschaft: Furia Roja. Aber ich weiß nicht, ob es nur an Cruyff lag. Bei Real Madrid gab es Míchel und Butragueño, in den 80er und 90er Jahren. Das waren sehr elegante, technische Spieler. In dieser Ära hat sich der spanische Fußball verändert. Durch diese Spieler lernte Spanien, dass man auch auf eine andere Art Fußball spielen kann.
Sie waren beim FC Valencia der unumstrittene Spielmacher, trotzdem war die Defensive immer ein wichtiger Teil Ihres Spiels. Warum?
Ich habe zwar in der Jugend immer im Mittelfeld gespielt, aber als ich zu Valencia wechselte, musste ich erst einmal Rechtsverteidiger spielen.
Woran lag das?
Ich war technisch nicht so gut. Später hingegen… (lacht).
Wer war der Trainer, der Sie wieder ins Mittelfeld zog?
Ich durfte immer mal im Mittelfeld spielen. Aber der erste Trainer, der mich ausschließlich im Mittelfeld gesehen hat, war Héctor Núñez. Er kam zu mir und sagte, dass er voll auf mich setzt, und zwar im Mittelfeld. Ab diesem Zeitpunkt spielte ich nur nur noch im Mittelfeld.
Mussten Sie die Position des Spielmachers neu lernen?
Ich würde es eine natürliche Entwicklung nennen. Physisch war ich schon immer stark. Ich konnte viel laufen und viel einstecken. Aber nach meinem Wechsel zu Valencia hat sich mein Spiel stark weiterentwickelt. Ich wurde technisch viel besser und konnte mehr am Spiel teilnehmen. Durch diese Kombination aus Athletik und Technik wurde ich zu dem, was man heute „Box-to-box-Player“ nennt. Ich habe den Ball am eigenen Sechzehner aufgenommen und ihn nach vorne getrieben.
Im 11FREUNDE-Interview sagte der Rumäne Gheorghe Hagi: „Die 10 arbeitet nicht.“
Ich habe sehr viel gearbeitet. Hagi war anders. Er hatte eine viel festere Position, ist nicht so viel gelaufen und hatte immer Mitspieler, die ihm den Ball gebracht haben. Spielmacher waren technisch sehr begabte Spieler, aber nicht gerade körperlich stark. Heute ist das ganz anders. Der Fußball hat sich verändert, heute muss jeder Mittelfeldspieler verteidigen und angreifen.
Woran liegt das?
Der Sport hat sich Ende der 90er Jahre extrem professionalisiert. Die Sportwissenschaft, die Medizin. Die Spieler schauen auf ihre Ernährung, der Fettanteil wird kontrolliert, wie viel du läufst, wie viel du sprintest. Alles wird ganz genau beobachtet. Ich glaube, manchmal laufen die Spieler zu viel. Es wird nämlich mehr darauf geachtet, wie viel du läufst, anstatt wohin du läufst.
Hagi hat im selben Interview gesagt, dass ein Spielmacher anarchistisch spielen müsse und die Anweisungen des Trainer ruhig mal ignorieren dürfe. Sehen Sie das genau so?
Ja, absolut. Wenn du der Spieler bist, der kreiert, dann musst du von den Normen abweichen, um das System des Gegner zu zerstören. Wenn du nur das tust, was alle von dir erwarten, bist du leicht zu verteidigen. Ob als Einzelner, oder mit der gesamten Mannschaft, du musst etwas Unerwartbares machen. Mit einer Spielverlagerung, einem Doppelpass, oder einem Sololauf. Du musst das auf den Platz bringen, was du vor deinem geistigen Auge hast – und das ist sicher sehr oft nicht das, was der Trainer sieht.
Zu Ihrer Zeit gab es sehr viel häufiger den klassischen Zerstörer, den Antagonisten der Spielmacher, der auftrat wie ein Bösewicht.
So wie die damals gespielt haben, kannst du es nicht mehr machen. Es gibt unzählige Kameras, die dich beobachten. Der Bösewicht zu sein, ist heute sehr viel schwieriger. Aber früher hatte jede Mannschaft so einen. Die Mannschaften spielten mit zwei zentralen Mittelfeldspielern und einer war der deutlich aggressivere.
Beim FC Bayern war das Stefan Effenberg. Wie war es, gegen ihn zu spielen?
Es war immer eine Herausforderung. Ich wollte gewinnen und die Mannschaft lenken und auf der andere Seite war dann er. Ich wollte dieses Duell gewinnen, ich wollte besser sein als er. Gegen ihn zu spielen war immer eine zusätzliche Motivation. Es war hart, aber auch sehr gut (lacht).