Ulla Holthoff, wie verfolgen Sie die Karriere Ihres Sohnes Mats Hummels – als Mutter oder als Journalistin?
Ulla Holthoff: Eigentlich brauche ich das gar nicht trennen: Fußball hat schon immer das Leben meines Sohnes und das unserer Familie bestimmt. Mein Sohn ist Fußballer – anders kenne ich ihn gar nicht. Und da macht es auch keinen Unterschied, ob er mit Borussia Dortmund um die Deutsche Meisterschaft spielt oder als Zehnjähriger den „Merkur-Cup“ gewinnen will. Seit 16 Jahren gibt es für Mats nichts wichtigeres im Leben als Fußball.
Wann haben Sie gewusst: Mein Sohn wird Fußballprofi?
Ulla Holthoff: Eigentlich erst, als er 2006 im Ligapokal gegen Schalke vom damaligen Bayern-Trainer Felix Magath eingewechselt wurde. Da war mir klar: Er kann es tatsächlich bis ganz nach oben schaffen.
Ihr Sohn wirkt zwar häufig sehr entspannt, aber auch enorm diszipliniert. Hat er das von seinen Eltern?
Ulla Holthoff: (lacht) Ganz im Gegenteil! Mats hat noch nie irgendwelche Vorträge über Disziplin benötigt. Für diesen Jungen gab es bereits mit sechs Jahren nichts wichtigeres im Leben als Fußball. Unsere Familie ist früher nie in den Urlaub gefahren, weil Mats kein Spiel und kein Training verpassen wollte. Hatte die Oma am Spieltag Geburtstag, musste sie auf ihren Enkel verzichten. Mats wäre niemals auf die Idee gekommen, wegen eines Familienfestes, ein Spiel zu versäumen. Nicht mal ein Training.
Sie sind niemals zusammen in den Urlaub gefahren?
Ulla Holthoff: Einmal im Jahr fuhren wir für eine Woche in den Skiurlaub. Doch selbst das war problematisch: Fand ausgerechnet in diesem Zeitraum ein Hallenturnier statt, blieb Mats einfach zu Hause und fuhr einen Tag später mit dem Zug nach. Da war er zwölf.
Diese Selbstständigkeit scheint sich Ihr Sohn bis heute bewahrt zu haben. Kein anderer Fußballer in Deutschland wirkt auch vor der Kamera so souverän wie er. Hat er bei Ihnen, der bekannten Sportjournalistin, private Nachhilfestunden in Sachen Medienschulung bekommen?
Ulla Holthoff: Nein, das brauchte er auch nicht. Mats war noch ein kleiner Junge, als ich beim DSF als Fußball-Chefin begann. Damals war das DSF ein Tummelplatz für junge Leute, die ihr Hobby zum Beruf gemacht hatten. Aus Kollegen wurden Freunde und Mats war häufig mit dabei, wenn wir unserer Leidenschaft nachgingen. Die Welt des Sportjournalismus wurde für ihn zu einer Art Familie, bei manchen Übertragungen saß er schon mal mit im Ü‑Wagen und durfte den Knopf für die Grafikeinspielung drücken. Wenn er heute als Fußballer in ein Stadion kommt, wird er garantiert von mindestens einem Journalisten mit den Worten „Dich kenne ich, da warst du noch soooo klein!“ abgefangen.
Deshalb wirkt er im Gegensatz zu seinen Kollegen so gelassen im Umgang mit der Presse?
Ulla Holthoff: Er kennt es ja nicht anders. Die Medien sind auch sein Zuhause.
Mats´ Vater ist der Fußballtrainer Hermann Hummels. Sie sind die erste Frau, die ein Fußballspiel im deutschen Fernsehen kommentieren durfte – hätte Ihr Sohn überhaupt etwas anderes werden können, als Fußballprofi?
Ulla Holthoff: Natürlich. Wir haben ihn nie zu irgendetwas gedrängt. Mit den typischen Fußball-Eltern an der Seitenlinie haben wir nichts gemeinsam. Aber sicherlich ist mein Ex-Mann dafür verantwortlich, dass Mats heute Verteidiger ist – und nicht Stürmer.
Das müssen Sie erklären.
Ulla Holthoff: In der C‑Jugend wurde Mats von seinem Vater trainiert. Und der machte aus dem Stürmer einfach einen Innenverteidiger. Ich war zunächst dagegen und sah ihn eher im defensiven Mittelfeld.
Warum?
Ulla Holthoff: Ich dachte, als Innenverteidiger in der Jugend vom FC Bayern bekommt der Junge viel zu wenig zu tun und kann sich gar nicht entwickeln. Aber der Trainer entscheidet nun einmal und inzwischen muss ich zugeben: Die Wahl war gar nicht so schlecht.
Die Spielweise Ihres Sohnes wird häufig mit der von Franz Beckenbauer verglichen. Auch eine gute Wahl?
Ulla Holthoff: Eigentlich schon. In Sachen Eleganz und Spielverständnis ähnelt Mats durchaus dem jungen Beckenbauer. Außerdem hat er in fast jeder Situation immer noch eine Lösung parat, er ist sehr einfallsreich. Auch darin kann man ihn durchaus mit Franz Beckenbauer vergleichen.
Ist Beckenbauer denn auch sein Idol?
Ulla Holthoff: Nein. Mats war schon immer total fasziniert von Zinedine Zidane. Das war sein großes Vorbild. Ich weiß noch genau, wie wir 2006 gemeinsam das WM-Finale zwischen Frankreich und Italien schauten und er nach dem Spiel völlig fertig war, weil ausgerechnet sein strahlender Held sich zu diesem üblen Kopfstoß hatte hinreißen lassen. Das hat ihn wirklich geschockt. Fairness war ihm schon immer sehr wichtig. Was das angeht ist Mats ein Romantiker.
Was würden Sie – abgesehen von seinen fußballerischen Fähigkeiten – als seine größte Stärke ansehen?
Ulla Holthoff: Mats kann man nicht manipulieren. Er zieht zu 100 Prozent sein eigenes Ding durch. Und ich bewundere seine Gelassenheit: Wenn um herum die Welt zusammen bricht, dann steht er weise lächelnd wie ein Buddah in der Mitte und wartet, bis sich die Aufregung gelegt hat.
Schockierend gelassen wirkt Ihr Sohn vor allem bei Interviewfragen. Wird er denn niemals nervös, wenn sich die Fieldreporter auf ihn stürzen?
Ulla Holthoff: Ich frage mich auch häufig: Mats, wie hast du das gemacht? Besser hätte ich das auch nicht formulieren können! Er ist unglaublich wortgewandt und hat ein sensationelles Sprachgefühl für die unterschiedlichsten Situationen.
Woher kommt das?
Ulla Holthoff: Er hat schon sehr früh sehr viel gelesen. Mats ist eine Leseratte, noch heute. Früher hat er vor allem massenhaft Comics gelesen. Wenn man so will, dann hat er seinen Wortwitz von „Lucky Luke“ und „Asterix“. Im Sportjournalismus hat ihn die „Süddeutsche Zeitung“ sozialisiert, die liest er noch heute gerne. Außerdem – das wird sie vielleicht freuen – hat ihm sein Bruder vor ein paar Jahren ein Abo von 11FREUNDE geschenkt. Die liest er regelmäßig.
Die vergangene Saison war sicherlich die erfolgreichste in der jungen Karriere Ihres Sohnes. Der Rest der Bundesliga musste überrascht feststellen, dass der Dortmunder Fußball nicht nur Erfolg hatte, sondern scheinbar auch wahnsinnig viel Spaß machte. Wie schön ist der Job Ihres Sohnes?
Ulla Holthoff: Das hat er ja auch schon selbst gesagt: In dieser Mannschaft fällt es schwer, die Kollegen nicht zu mögen. Jürgen Klopp und die gesamte Vereinsführung vom BVB haben es geschafft, einen Haufen talentierter Fußball-Enthusiasten um sich zu versammeln. Eine Mannschaft, die nicht nur nach den sportlichen Fähigkeiten, sondern auch nach der Qualität der Charaktere ausgewählt wurde. Dass diese Gruppe so funktioniert und harmoniert, ist der Verdienst von Jürgen Klopp. Und Mats hat einfach eine wunderbare Zeit.