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Timo Hil­de­brand, an wel­chem Ort auf dem Schalker Ver­eins­ge­lände hat man den schlech­testen Han­dy­emp­fang?
Ich ver­mute im Keller des Zeug­warts. Wieso fragen Sie?

Wenn man sich die Bericht­erstat­tung über Sie anschaut, könnte man annehmen, dass Sie sich regel­mäßig dahin zurück­ziehen, um Ihre Ruhe zu haben.
Ich bin nicht 24 Stunden online, um das Netz nach Berichten über mich abzu­su­chen. Des­wegen kann ich mich jeder­zeit frei bewegen und brauche mich nicht zu ver­ste­cken. Das ist kein Pro­blem.

Nach Ihrem Patzer gegen Chelsea sagten Sie: Ich kriege jetzt wieder auf die Fresse!“ Warum haben Sie eigent­lich so einen schweren Stand bei Medien und Fans?
Das ist eine gute Frage. Aber noch besser wäre, wenn Sie mir darauf eine Ant­wort geben könnten. Ich kenne näm­lich keine. Viel­leicht liegt es an meiner Ver­gan­gen­heit oder an den Erwar­tungen, die in mich gesetzt werden. Alles was ich tun kann, ist die Leute mit meinen Leis­tungen zu über­zeugen.

Ist die Posi­tion des Tor­warts die Undank­barste im Fuß­ball?
Das würde ich nicht sagen, aber wenn man als Tor­wart einen Fehler macht, ist das offen­sicht­lich. Jeder kann das erkennen, deut­lich eher als bei einem Feld­spieler. Das sind viel­leicht die Nach­teile meines Jobs. Und trotzdem wollte ich nie­mals etwas anderes machen.

Im Anschluss an den Patzer ver­stei­gerten Sie Ihre Schuhe auf Face­book. Das Motto war Aus Feh­lern das Beste machen“. Ent­wi­ckelt man mit der Zeit einen gewissen Humor beim Umgang mit Kritik?
So etwas ist mir das erste Mal in meiner Kar­riere pas­siert – und es wird sicher nicht wieder pas­sieren. Mit dieser Ver­stei­ge­rung wollte ich das Thema für mich abhaken. Ich kann die Ver­gan­gen­heit nun mal leider nicht ändern.

Sind die Schuhe schon weg?
Die Ver­stei­ge­rung läuft noch. Das Geld spende ich dann für einen guten Zweck. Mir haben die Schuhe kein Glück gebracht, des­halb wollte ich das Beste daraus machen. Man darf eben nicht alles so ver­bit­tert sehen.

Sie als Experte müssen es wissen: Hat sich die Art der Kritik im Laufe der Jahre ver­än­dert?
Das kann schon sein. Das Thema ist bereits nach dem Tod von Robert Enke dis­ku­tiert worden. Damals haben alle beteuert, im Umgang mit­ein­ander rück­sichts­voller zu werden. Aber im Grunde genommen, hat sich die Situa­tion sogar noch ver­schärft.

Wie sehr belastet Sie das?
Ich suche den Dialog mit den Fans und ver­suche sie bei­spiels­weise über soziale Netz­werke an meinem Leben teil­haben zu lassen. Nichts, was ich tue, folgt einem bös­wil­ligen Hin­ter­ge­danken. Und trotzdem erfährt man manchmal nega­tive Reak­tionen.

Was tun Sie dagegen?
Ich bin ein reflek­tierter Mensch, aber ich habe auch gelernt, bestimmt Dinge zu igno­rieren.

Spricht man mit Kol­legen dar­über, wie viel Fuß­baller eigent­lich ein­ste­cken müssen?
Natür­lich wird dar­über gespro­chen. Aber eigent­lich muss ich Ihnen die Frage stellen: Warum ist das so?

Haben Sie den Ein­druck, dass wir beson­ders harsch mit Ihnen umgehen?
Nein, da geht es jetzt nicht spe­ziell um sie. Aber man kann doch den Ein­druck bekommen, dass Fuß­baller heute schneller zum Frei­wild gemacht werden. Das geht nicht von uns Spie­lern oder den Ver­einen aus. Wir ver­su­chen nur best­mög­lich unseren Job zu machen, doch auch da pas­sieren nun einmal Fehler. Wenn ich dann mal über­blicke, was danach los ist, frage ich mich: Wieso ist das so? Wieso werden Fragen von Jour­na­listen schon negativ gestellt? Und wieso ver­su­chen viele oft­mals nur das Schlechte zu sehen?

Viel­leicht, weil nega­tive Schlag­zeilen sich besser ver­kaufen.
Wahr­schein­lich ist es das, aber ich muss das weder ver­stehen noch gut finden.

Ihr Ver­trag läuft zum Sai­son­ende aus. Jüngst wurde berichtet, dass Schalke 04 nach einem neuen Tor­wart sucht. Wie sehr beschäf­tigt Sie das?
Natür­lich bekommt man das mit, aber mir bleibt ja nichts anderes übrig, als mich auf meine Arbeit zu kon­zen­trieren und gute Leis­tungen zu bringen. Ich bin hier glück­lich und denke momentan nicht dar­über nach, wohin der Weg in der nächsten Saison geht. Sicher waren die ver­gan­genen zwei Wochen nicht ein­fach für mich, aber ich habe schon wesent­lich schlim­mere Situa­tionen in meiner Kar­riere erlebt.

Valencia, Hof­fen­heim, Lis­sabon – Nach Ihrem Weg­gang aus Stutt­gart gleicht Ihre Kar­riere einer kleinen Odyssee. Nimmt man vor diesem Hin­ter­grund das aktu­elle Geschehen anders wahr?
Natür­lich. Ich ver­suche heute nega­tive Erleb­nisse, nicht mehr so nah an mich her­an­kommen zu lassen, wie ich es viel­leicht noch vor fünf Jahren getan hätte. Man muss die Regeln des Geschäfts akzep­tieren und nicht den Blick für die eigene Rea­lität ver­lieren. Dann merkt man schnell, dass man nicht jeden Wahn­sinn mit­ma­chen muss.

Gab es Momente, in denen Sie gedacht haben: Ich hab keine Lust mehr!“?
Solche Gedanken kenne ich nicht, weil ich das Fuß­ball­spielen viel zu sehr liebe. Ich war arbeitslos und habe trotzdem jeden Tag an mir gear­beitet. Ich wollte ein­fach nicht so auf­hören.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Das Gefühl vor vollen Rängen Bun­des­liga und Cham­pions League zu spielen, ist nur durch wenig zu ersetzen. Da gibt es so viele Augen­blicke und Her­aus­for­de­rungen, die einem kein anderer Job geben kann.

Nachdem Sie im Herbst 2011 Sporting Lis­sabon ver­lassen hatten, spielten Sie bei Man­chester City und bei Ein­tracht Frank­furt vor. Auch ein Wechsel nach Hol­land war ein Thema. Am Ende blieben Sie den­noch ohne Ver­trag. Was war der schlimmste Moment in dieser Zeit?
Bei Man­chester City habe ich mich vor­ge­stellt, in Frank­furt habe ich mit­trai­niert, um mich fit zu halten und in der Tat habe ich auch einige Ange­bote abge­lehnt. Es war eine harte Zeit, aber als schlimm würde ich sie nicht bezeichnen. Natür­lich waren Tage dabei, an denen ich gezwei­felt habe. Aber ich habe in dieser Zeit viel­leicht mehr über das Fuß­ball­ge­schäft gelernt, als in den Jahren, in denen ich regel­mäßig gespielt habe.

Was war das kon­kret?
Ich merkte, was für einen schönen Beruf ich eigent­lich habe. Das macht demütig. Ich habe gelernt, dass man kleine Dinge wert­schätzen sollte. Heute beschwere ich mich nicht, wenn mal richtig hart trai­niert wird oder der Trainer Kritik übt, weil ich weiß: Ich habe einen richtig tollen Job.

Zahl­reiche Neben­kriegs­schau­plätze gehören bei Schalke 04 fast schon zur Folk­lore. Gehört die Kritik an Ihnen am Ende ohnehin nur zum all­ge­meinen Schalke-Rummel?
(lacht) Dar­über habe ich auch schon nach­ge­dacht. Nein, im Ernst: Beim FC Schalke ist eben immer etwas los. Das lieben die Fans an diesem Verein. Viel fokus­siert sich auf Kevin-Prince Boateng oder Julian Draxler und wenn wir ein Spiel ver­lieren, dann rücke ich eben schneller in den Vor­der­grund. Das gehört dazu. Als Spieler ist es wichtig, dass man nicht alles für bare Münze nimmt.

Was ist für Sie typisch Schalke?
Ich bin noch nicht so lange hier, aber vom ersten Tag an habe ich gemerkt, dass die Fans im posi­tiven Sinne ver­rückt sind. Für sie ist Schalke 04 der geilste Klub der Welt. Ich kann das ver­stehen.

Wie würden Sie denn einem ehe­ma­ligen Kol­legen mit einem Satz erklären, was den Klub aus­macht?
Da müsste ich schon ein län­geres Referat halten (lacht). Der Klub pola­ri­siert ein­fach und das erzeugt eine beson­dere Iden­ti­fi­ka­tion der Zuschauer. Die Men­schen leben Schalke 04.

Sie wirken trotz der Kritik an Ihnen immer sehr gelassen: Wor­über haben Sie sich denn das letzte Mal außer­halb des Platzes so richtig auf­ge­regt?
Nüch­tern­heit gehört zu meinem Natu­rell. Ich rege mich heute eigent­lich nur noch über ver­meid­bare Fehler auf.

Einen Timo Hil­de­brand, der sich hupend durch den Stra­ßen­ver­kehr arbeitet, wird man also nicht erleben?
Glauben Sie mir, auch auf der Straße bin ich eher gelassen.

Der­zeit steht Schalke 04 auf Platz 6. Der Abstand zur Spit­zen­gruppe ist beträcht­lich. War es richtig, dass die Sai­son­ziele neu for­mu­liert wurden?
Das ist nur rea­lis­tisch. Die ersten drei Plätze haben sich abge­setzt. Da machen wir uns nichts vor. Aber die Saison ist noch lang. Jetzt haben wir sehr inten­sive Wochen vor uns, in denen die Wei­chen gestellt werden. Kommen wir in der Cham­pions League weiter? Wie ent­wi­ckelt sich die Tabelle? Hinter den ersten drei Plätzen geht es ja sehr eng zu.

Haben Sie denn noch ein per­sön­li­ches Ziel in dieser Saison? Viel­leicht mal eine posi­tive Schlag­zeile über sich zu lesen?
Wenn ich gut halte, erhöhen sich die Chancen viel­leicht. (lacht) Mein Ziel ist recht schnell for­mu­liert: Ich will in dieser Saison jedes Spiel für Schalke 04 machen, Punkte holen und die Zeit hier ein­fach genießen.

Timo Hil­de­brandt, Sie sind 34 Jahre alt und haben in Ihrer Kar­riere viel erlebt. Wie viele Jahre wollen Sie sich das eigent­lich das noch antun?
Ich bin kör­per­lich und auch mental gut drauf. Ich hab noch lange nicht die Nase voll vom Fuß­ball und gelernt, all die Neben­ge­räu­sche aus­zu­blenden. Das hilft mir, mich auch in meinem Alter noch zu ver­bes­sern.

Das klingt nicht so, als würden Sie sich in der nächsten Saison als Nummer Zwei auf die Schalker Bank setzen?
Das weiß ich nicht. Dar­über mache ich mir auch keine Gedanken. Ich kann die Zukunft sowieso nicht beein­flussen. Außerdem lebe ich sehr gerne in der Gegen­wart.