Im September trat Thomas Sobotzik beim Chemnitzer FC als Sportdirektor zurück. Im Interview spricht er über Attacken gegen ihn, seinen vergeblichen Kampf gegen rechtsextreme Fans – und die Enttäuschung über Kapitän Frahn.
Herr Sobotzik, Sie haben als Sportdirektor des Chemnitzer FC versucht, gegen die rechtsextremen Fans vorzugehen. Doch dann haben Sie hingeworfen. Warum?
Für mich war die Bedrohungslage am Ende einfach zu groß. Ich wüsste nicht, warum man sich das antun muss. Wenn es temporär wäre und man das Gefühl hätte, man kriegt das gemeinsam hin und ist nicht fast alleine, dann wäre es anders gewesen.
Gegen Sie gab es Drohungen, auf einem Graffiti am Stadion stand „TS töten“.
Das, was bekannt wird, ist ja immer nur die Spitze des Eisbergs. Aber wenn Sie am Vip-Ausgang am Parkplatz abgepasst werden und Leute Sie da beleidigen oder bedrängen, ist eine Frage, die man sich stellt: Wie ernst ist das? Und man sieht ja, was es in der Politik teilweise für Ausmaße genommen hat. Wahrscheinlich passiert in 99 Prozent der Fälle nichts. Aber das eine Mal, da wollen Sie nicht dabei sein, wenn doch einer durchdreht. Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen.
Wie haben Sie versucht, sich zu schützen?
Als meine Frau von Morddrohungen gegen mich gelesen hat, sagte sie: Du fährst mir da nicht mehr hin. Ich habe ihr dann versprochen, mein Büro immer im Hellen zu verlassen und nicht wie zuvor bis spät in die Nacht dort zu arbeiten und erst im Dunkeln auf den Parkplatz zu gehen. Am Ende habe ich darauf geachtet, dass ich kein leichtes Ziel bin.
Sie haben aber trotzdem noch bis September weitergemacht.
Ich habe immer gedacht, man kann das drehen. Es ist ja im Sport oft so, dass man durch Erfolg gewisse Dinge und Gegner aus dem Weg räumen kann. Aber dann habe ich gemerkt: Es geht nicht um Sport.
Dachten Sie tatsächlich, die mit sportlichem Erfolg verdrängen zu können?
Ich habe schon gehofft, dass die breite Masse in der Kurve sich dann erhebt und dieser Minderheit nicht die Chance gibt, den Klub so massiv zu zerstören. Aber das Grundproblem ist, dass dieser 9. März nach wie vor nicht so als ein Problem angesehen wird.
Das war der Tag, an dem die Chemnitzer Fans im Stadion eine Trauerfeier für den bundesweit bekannten Neonazi Thomas Haller veranstalteten.
Ich habe gesagt: Der kleinste Nenner, auf den wir uns committen müssen, ist, dass der 9. März sowohl für den Verein als auch für die Region eine Katastrophe war. Aber bei vielen Mitgliedern der aktiven Fanszene herrscht noch die Meinung: Naja, man hat nur einem verstorbenen Fan die letzte Ehre erwiesen. Solange sich die aktive Fanszene aber nicht eingesteht, dass das ein Riesenfehler war, der den Verein fast zerstörte und noch zerstören kann, wird es für den Chemnitzer FC schwierig, bei Null anzufangen und neue Reputation zu erlangen. Das kann nur die aktive Fanszene selbst regeln.
Hätten Sie etwas anders machen können?
Ich wüsste nicht, was. Das einzige, das mir persönlich wohl das Leben leichter gemacht hätte, wäre gewesen, alles zu relativieren. Nachdem ich beispielsweise als Judensau beschimpft wurde, hätte ich sagen können: Das sind Einzelne, ich hätte es unter den Teppich kehren können, aber das ist nicht die Wahrheit und wäre nicht richtig. Und ich kann damit nicht leben. Außerdem standen wir verbandsrechtlich ohnehin unter Beobachtung.