Seit dem Abbruch in Leverkusen diskutiert Deutschland über den mangelnden Respekt gegenüber Schiris. Starreferee Walter Eschweiler berichtet von ganz anderen Duellen mit den Trainern.
Walter Eschweiler, was ist die wichtigste Eigenschaft eines Bundesligaschiedsrichters?
Gelassenheit. Ein Schiedsrichter muss auch in größter Hektik absolute Ruhe ausstrahlen. Das ist das Wichtigste. Und Menschlichkeit.
Menschlichkeit, was meinen Sie damit?
Man darf sich als Schiedsrichter nicht so tierisch ernst nehmen. Der Schiedsrichter ist dazu da, den Regeln Geltung zu verschaffen, in vernünftiger, menschlicher Form.
Wie macht man das?
Das geht schon los, wenn man sich das erste Mal im Kabinengang sieht und begrüßt. Seinerzeit gab es beim DFB die strikte Marschroute: Bei Anpfiff müssen die Trikots in der Hose und die Stutzen nach oben gezogen sein. Na, und dann kam ein Mann wie Paul Breitner… der langhaarige Rebell, der 68er… Ich habe zu ihm gesagt: „Paul, tun Sie mir den Gefallen, stecken Sie es bitte rein, nur zum Anpfiff. Danach darf wieder alles sein wie vorher.“ Das hat geklappt. Eine Sache der Einstellung. Ich hatte natürlich noch den Vorteil, als Rheinländer die Situation mit einem netten, freundlichen Wort entkrampfen zu können. Die Zuschauer sind wirklich nicht gekommen, um den Schiedsrichter zu sehen. Sie wollen das Spiel sehen.
Sie pfiffen noch ganz in Schwarz. Haben die bunten Leibchen den Schiedsrichtern Autorität genommen?
Die Kleidung alleine macht es nicht. Es geht um das Auftreten.
Hat Ihnen Ihre Körpergröße geholfen?
Ja, wenn Sie klein sind, haben Sie es auf jeden Fall schwerer. Das ist ungerecht, aber so ist es.
Wie kamen Sie als distinguierter Konsul vom Auswärtigen Amt im Proletensport Fußball an?
Natürlich nicht nur positiv, das ist ja klar. Uwe Seeler sagte mal zu mir: „Diese Politiker aus Bonn, die sind nicht nur überbezahlt, die sehen auch ganz schön schlecht.“ Als er aus drei Metern danebenschoss, habe ich dann gesagt: „Ich kenne sogar Lizenzspieler, die ziemlich schlecht sehen.“ Er lachte und gab mir die Hand.
Dennoch wurde aus Ihnen die „Diva vom Rhein“. Wie kam das?
Nach einem Spiel von Bayern München kamen die Reporter auf den Platz und es ging sofort in rüder Tonart los, warum ich dies und warum jenes gepfiffen hatte. Ich sagte: „Meine Herren, ich bin jetzt sehr verschwitzt. Warten Sie einen Moment, ich verkleide mich als Gentleman, dann können Sie mich alles fragen.“
Das haben die Ihnen übel genommen?
Der tiefere Sinn war, dass ich wusste, dass sie bald Redaktionsschluss hatten. Sie waren hartnäckig und folgten mir bis vor die Kabinentür. Ich schloss ab und sagte: „Schieben Sie Ihre Fragen unten durch!“
Können Sie sich an Ihr allererstes Bundesligaspiel erinnern?
Nein.
20. August 1966, Dortmund gegen Düsseldorf, Stadion Rote Erde. Das Siegtor für den BVB erzielte Sigfried Held auf Vorlage von Stan Libuda. War der so leicht aus dem Konzept zu bringen, wie alle sagen?
Ja, den musste man immer ein bisschen aufrichten, im Vorbeilaufen, dass es keiner merkt.
Das haben Sie gemacht?
Ja, sicher. Ich sagte ihm, dass es doch weitergeht, dass er sich nicht grämen soll. Ach, der Stan, der schaute immer so traurig.