Rekorde Spezial

Dieses Inter­view erschien erst­mals im Mai 2016. Noch viel mehr Geschichten und Inter­views über Rekorde im Fuß­ball gibt es in unserem 11FREUNDE SPE­ZIAL – Rekorde. Erhält­lich am Kiosk eures Ver­trauens und hier bei uns im Shop.

Jürgen Rynio, der 34. Spieltag steht bevor. Lässt Sie das als Rekord­ab­steiger reflex­haft zusam­men­zucken?
Nein, natür­lich nicht. Ich habe mich mitt­ler­weile daran gewöhnt, dass ich gegen Ende jeder Saison über meine Abstiege Aus­kunft geben muss. Ich bin dafür eben Experte (lacht).

Sie sind mit Karls­ruhe, Nürn­berg, Dort­mund, St. Pauli und Han­nover aus der Bun­des­liga abge­stiegen. Mit dem KSC gar in Ihrer ersten Pro­fi­saison. Im Rück­blick ein schlechtes Omen?
Nein, ich war erst neun­zehn Jahre und kam von Ein­tracht Gel­sen­kir­chen zum KSC. Die Karls­ruher hatten in den Jahren zuvor schon stets Mühe gehabt, in der Liga zu bleiben. Ich habe ein­fach ver­sucht, meinen Job zu machen, was trotz des Abstiegs ganz gut geklappt hat. Gegen Ende der Saison wurde ich erst­mals in den Natio­nal­mann­schafts­kader berufen.

Also ein Abstieg mit gemischten Gefühlen?
Natür­lich war es traurig, aber ich habe mir gesagt: Du kannst nichts dafür, du hast gut gespielt, die Nomi­nie­rung ist der Beweis dafür.

In der Kabine war das für alle ein totaler Zusam­men­bruch. Abends trafen wir uns nochmal, das war das frus­trie­rendste Abend­essen über­haupt.“

Sie gingen zum Deut­schen Meister nach Nürn­berg. Und stiegen 1969 erneut ab.
Das war ein Schock und von allen Abstiegen der Schlimmste. Ich wech­selte zur dar­auf­fol­genden Saison nach Dort­mund, die knapp die Klasse gehalten hatten. Am vor­letzten Spieltag hatten wir nur 2:2 gegen den BVB gespielt, später hat dann ein Nürn­berger Mit­spieler behauptet, ich wäre mit Dort­mund schon einig gewesen und hätte die Bälle absicht­lich rein­gehen lassen.

Was aber nicht stimmte?
Natür­lich nicht. Die Anfrage von Dort­mund kam erst am Tag nach unserem Abstieg und wären wir mit dem Club drin­ge­blieben, wäre ich auch nicht gewech­selt. So ver­leumdet zu werden, hat mir sehr weh getan. Und tut es immer noch. Übri­gens mit schlimmen Folgen: Erboste Nürn­berger Anhänger schickten mir Droh­briefe. Erst vor zwei Jahren kam das letzte Schreiben.

Was muss denn eigent­lich schief laufen, um als Meister abzu­steigen?
Einiges. Trainer Max Merkel hatte Leis­tungs­träger wie Mit­tel­stürmer Franz Brungs ver­kauft, ohne sie adäquat zu ersetzen. Hinzu kam eine ver­korkste Vor­be­rei­tung, in der Merkel Höhen­trai­ning aus­pro­bierte und uns im Klein­wal­sertal stun­den­lang Berge hin­un­ter­laufen ließ. Wir haben Monate gebraucht, um uns von diesen Stra­pazen zu erholen. Dum­mer­weise hatten wir eine Saison zu spielen.

Von Ihrem dama­ligen Mit­spieler Leo Leu­pold gibt es ein berühmte Foto, auf dem er wei­nend den Platz ver­lässt. Haben Sie auch Tränen ver­gossen?
Das weiß ich nicht mehr, aber ich war natür­lich sehr geschockt und traurig. In der Kabine war das für alle ein totaler Zusam­men­bruch. Abends trafen wir uns nochmal, das war das frus­trie­rendste Abend­essen über­haupt. Der Prä­si­dent war bemüht, direkt Ver­trags­ge­spräche zu führen. Aber darauf hatte nie­mand Lust. Ein schlimmer Abend.

Aber es ist sich nie­mand an die Gurgel gegangen?
Nein, das habe ich nie erlebt. Wobei in Nürn­berg die Stim­mung in den Wochen zuvor eher schlecht war. Es gab ein ganz häss­li­ches Rum­ge­eiere bezüg­lich einer Nicht­ab­stiegs­prämie, das hat noch mal zusätz­lich Unruhe ins Team gebracht. Wobei Geld in so einer Situa­tion ohnehin ein blöder Anreiz ist. Nie­mand will absteigen, wer da einen zusätz­li­chen Ansporn braucht, dem ist nicht mehr zu helfen. Man hätte ja sagen können: Wenn wir drin bleiben, machen wir alle gemeinsam eine Tour nach Hawaii oder so. Das wäre viel­leicht ein Ansporn gewesen.

Sie gingen dann nach Dort­mund, wo es zunächst recht gut lief.
Ja, in meinem ersten Jahr wurden wir Fünfter, anschlie­ßend lan­deten wir im Mit­tel­feld. Aber irgend­wann war unsere Mann­schaft über­al­tert und 1972 stiegen wir ab. Der Fehler war, dass man einen rigo­rosen Schnitt machte und die alten Spieler Knall auf Fall durch junge ersetzte, die aber noch nicht so weit waren. Wieder ein Füh­rungs­fehler.

Sie hatten da bereits eine gewisse Rou­tine im Absteigen. War es trotzdem schmerz­haft?
Ja, sogar in dop­pelter Hin­sicht. Ich hatte mir im Laufe der Saison einen schweren Band­schei­ben­vor­fall zuge­zogen, konnte nur mit Schmerz­mit­teln spielen und musste schließ­lich ope­riert werden. Davon habe ich mich nie richtig erholt. In Dort­mund saß ich in der Zweiten Liga plötz­lich auf der Bank und ohne Schmerz­mittel ging nichts mehr. Das ging bis hin zum Tablet­ten­miss­brauch.

Wie bitte?
Zeit­weise habe ich sechs Schmerz­ta­bletten am Tag genommen, um über­haupt noch trai­nieren zu können. In den Neben­wir­kungen stand das Wort Blut­bild­ver­än­dernd“. Das alleine klang schon gru­selig und ich wusste, dass es so nicht wei­ter­gehen konnte. Also habe die Dosis wieder redu­ziert und die Tabletten im Trai­ning weg­ge­lassen. Das hat dann zwar höl­lisch weh­getan, war mir aber lieber so. Nach dem Kar­rie­re­ende war augen­blick­lich Schluss mit den Tabletten.