Er ist Liedermacher, benutzt Fangesänge für seine Bühnenstücke und wundert sich über die Anziehungskraft des Fußballs. Wie würden Sie die Bundesliga-Saison inszenieren, Rainald Grebe?
Rainald Grebe, Sie sagten mal, Fußball sei immer Theater. Wie meinen Sie das?
Fußball ist das Theater von heute. Der kleinste gemeinsame Nenner unserer ausdifferenzierten Gesellschaft. Was Guardiola, Sammer oder Watzke gesagt haben, das geht immer rein, egal wie satt man von der Ukraine und Syrien ist. Fußball ist Massentheater. Das macht viele Theatermacher übrigens wahnsinnig neidisch.
Wir geben Ihnen die Chance, die abgelaufene Saison zu inszenieren. Welche Geschichte würden Sie erzählen?
Natürlich die Schwarz-Gelbe.
Warum?
Das ist doch die Dramaturgie der Saison. Ein Champions-League-Klub stürzt auf den letzten Platz, kommt wieder, marschiert ins Pokalfinale: Mehr geht nicht.
Welchen Titel hätte das Stück?
Oh, das ist schwer. „Herz schießt Tore“ vielleicht. Wobei…
…das klingt doch sehr nach BVB-Marketing.
Stimmt. „Das verflixte siebte Jahr“ ginge auch. Es ist interessant, dass bei Theater-Intendanten oft gesagt wird: „Nach sieben Jahren ist Schluss.“ Die sind ausgebrannt. Alle sechs Wochen inszenieren sie neue Stücke, aber irgendwann ist eine Geschichte einfach auserzählt. Das gleiche Gefühl hatten Jürgen Klopp und der BVB.
Die andere schillernde Figur der Bundesliga heißt Pep Guardiola. Er setzt sich auf Klappstühle, hampelt an der Seitenlinie und reiht in seinen Pressekonferenzen mystische Wortmischungen aneinander. Ist er ein guter Schauspieler?
Es ist theatral sehr interessant, was er da macht. Sehr südländisch. Die Gesten sind nicht deutsch, Guardiola pflegt einen anderen Stil als Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel.
„Schauspieler“ ist im Fußball eine Beleidigung. Zurecht?
Viel spannender ist doch das, was wir nicht mitbekommen: Wie die Spieler einander provozieren, sich beleidigen, sich anstacheln. Nehmen Sie Materazzi und Zidane im WM-Finale 2006. Das ist das eigentliche Spiel. Das lassen Trainer doch bestimmt trainieren, oder?
Das Beleidigen?
Ja. Worüber reden die denn sonst? Nur über Taktik? Ich denke nicht.
Möglicherweise haben Sie Recht. Vermissen Sie Charaktere wie Christoph Daum oder Felix Magath?
Schon ein wenig. Herr Guardiola schwebt über allem, er ist sehr glatt. Als guter Typ fällt mir Peter Neururer ein. Da riecht man noch die Trainingsjacke und das Bier danach.
Noch so ein aussterbender Typ: Dr. Müller-Wohlfahrt. In einem ihrer bekanntesten Lieder, „Brandenburg“, singen Sie „Lassen sie mich durch, ich bin Chirurg, ich muss nach Brandenburg.“ Passt „Mull“ nach Lübben?
Der ist das Emblem der Schickeria, der passt ganz gut nach München. Landarzt ist er nicht.