Für Millionen Fans ist die Bundesligakonferenz am Samstagnachmittag ein festes Ritual. Zum heutigen „Tag des Radios“ sprachen wir mit Reporter Alexander Bleick über die Konkurrenz aus dem Internet, seine Sternstunde bei der Meisterschaft der Herzen 2001 und das Vorbild Gerd Rubenbauer.
Alexander Bleick, Sie sind seit 1986 Radiokommentator der Bundesligakonferenz. Gab es für Sie ein Vorbild?
Der beste von allen bleibt für mich Gerd Rubenbauer. Er hatte zu seiner aktiven Reporterzeit eine sagenhafte Mischung, verfügte sowohl über die nötige Kompetenz als auch über eine starke Stimme. Zudem besaß er einen tollen Sprachschatz, mit dem er die Spiele wunderbar plastisch und humorvoll schildern konnte.
Wie verlief Ihr Werdegang als Reporter?
Ich habe schon als kleines Kind Samstag für Samstag vor dem Radio gesessen und die Konferenz gehört. Und schon damals war es immer mein Traum, eines Tages selbst zu kommentieren.
Dann haben Sie eine journalistische Ausbildung absolviert?
Ganz im Gegenteil. Ich habe BWL studiert.
Damit hätten wir jetzt nicht gerechnet.
Während des Studiums habe ich begonnen, freiberuflich für den NDR zu arbeiten. Als Kommentator habe ich dann in der dritten Liga angefangen.
Können Sie sich noch an Ihr Debüt erinnern?
Concordia Hamburg gegen den Lüneburger SK. Am 8. Januar 1982. Dann folgten Spiele der zweiten Liga, ehe ich 1986 mein erstes Bundesligaspiel kommentieren durfte: HSV gegen Eintracht Frankfurt.
Für das Fernsehen sind Sie bei Schwimmwettbewerben im Einsatz. Worin liegen die größten Unterschiede zum Radio?
Im Radio ersetzt man dem Hörer die Augen, man beschreibt also, was man sieht. Im Fernsehen hingegen kommentiert man, was der Zuschauer nicht sieht. Das ist so ähnlich wie beim 11FREUNDE-Liveticker, der auch eher pointiert umschreibt, anstatt einfach nur das Geschehen wiederzugeben.
Sehen Sie den Liveticker als Konkurrenz zur Radioreportage?
Ich würde eher von einer Ko-Existenz sprechen, einer Ergänzung. Wer nicht im Stadion ist, und das Spiel nicht am Fernsehen verfolgen kann, der schaltet das Radio ein. Der Liveticker ist eher Zusatz.
Wie steht es um die Konkurrenz durch das Internet-Radio?
Ich bewerte das grundsätzlich positiv. Wettbewerb ist gut, weil er wach hält. Und auch im Internet gibt es einige sehr gute Kollegen. Alles in allem bin ich aber der Überzeugung: Die Qualität der ARD-Radiokonferenz ist höher.
Das sehen offenbar auch die Hörer so. Jeden Samstag schalten über acht Millionen Menschen ein.
Dabei gibt es meiner Meinung nach zwei Arten von Fan. Auf der einen Seite den Enthusiasten, der so nah wie möglich dabei sein will, aber kein Pay-TV bezahlen möchte. Auf der anderen Seite den Fußball-Interessierten, der die ARD-Bundesligakonferenz im Haushalt oder außer Haus nebenbei hört.
Graben Sie der Sportschau eigentlich die Zuschauer ab?
Im Gegenteil – da gibt es sicher eine hohe Überschneidungsrate. Die Radiokonferenz weckt eher das Interesse, später auch den Spielbericht zu sehen, als dass sie die Sportschau ersetzt.
Sie selbst sind nun seit 28 Jahren dabei. Was hat sich in der Zeit verändert?
Das Spiel ist viel schneller geworden. Damit änderte sich natürlich auch der Kommentarstil. Man hat heute viel weniger Zeit, die Dinge zu schildern.
Was hat sich noch geändert?
Wir machen uns heute mehr Gedanken darüber, was wir dem Zuhörer vermitteln wollen. Früher lebte die Konferenz eher von den Reportern, die oftmals richtige Stars waren. Die haben schon mal ihre Sprechzeiten gestoppt. Es gab zwar auch damals schon eine Reihenfolge, nach welcher in die Stadien geschaltet wurde, aber daran hat sich nicht jeder immer so strikt gehalten. Heute haben wir eine Regie, die die Spiele in den Vordergrund stellt und versucht, eine Dramaturgie zu entwickeln.
Soviel Eitelkeit hätten wir dem Radio gar nicht zugetraut.
Es soll sogar mal einen Kollegen gegeben haben, der in der Halbzeit den Schiedsrichter festgehalten haben soll.
Warum denn das?
Durch den verzögerten Anpfiff der zweiten Halbzeit hatte der Reporter die Schlussphase der Konferenz ganz für sich allein.
2001 hatten Sie in Hamburg einen ähnlichen Alleinflug.
Die Schalker Meisterschaft der Herzen. Ich saß in Hamburg und kommentierte das Spiel des HSV gegen die Bayern, welches etwas später begonnen hatte. Manni Breuckmann berichtete auf Schalke vom Schlusspfiff, und gab mir auf den Weg: „Wir brauchen das Endergebnis, Alex, bitte.“ Die Leute im Stadion standen auf ihren Sitzen, ich konnte nichts mehr sehen. Am Ende musste auch ich mich auf meinen Stuhl stellen, halb gebückt in der engen Kabine. Und dann kommt dieser Freistoß, verschuldet vom Ur-Schalker Mathias Schober. Wenn ich daran denke, bekomme ich noch heute eine Gänsehaut.
Dabei sollten Sie an dem Tag eigentlich ganz woanders sein.
Ursprünglich war ich für das Fernsehen bei der Deutschen Schwimmmeisterschaft eingeteilt. Als dann aber das Angebot für den letzten Bundesligaspieltag in Hamburg kam, habe ich nicht lange überlegt. Viele Kollegen konnten das nicht verstehen. Fernsehen hat bei den meisten dann doch einen höheren Stellenwert. Aber im Nachhinein war meine Entscheidung natürlich ein absoluter Glücksfall.
Wie sieht Ihre Spiel-Vorbereitung aus?
Ich lese mich im Vorfeld einer Partie durch die Zeitungen und Vorberichte. Auf Statistiken hingegen lege ich weniger Wert. Ich will nicht mit Zahlen langweilen, sondern ein Gefühl vom Spiel vermitteln. Die Leute sollen vergessen, dass sie nebenbei eigentlich etwas anderes machen wollten.
Wagen wir einen Ausblick: Glauben Sie an die Zukunft der Radiokonferenz?
Ich glaube nicht an die Ewigkeit der Dinge, aber die Menschen haben schon vor 20 Jahren gesagt, dass das Radio sterben wird. Die stabilen Hörerzahlen der letzten Jahre sprechen eine andere Sprache. Ich bin überzeugt, dass es immer einen Bedarf an Live-Berichterstattung jenseits der Fernsehübertragung geben wird. Und ich wünsche mir natürlich, dass es die Bundesligakonferenz auch noch in 20 Jahren gibt.