Am 14. und 15. Januar findet in Berlin der Fankongress 2012 statt. Der Grundgedanke lautet: „Wie schaut der Fußball in der Zukunft aus und welche Rolle spielen die Fans dabei?“ Am Samstag und Sonntag wird es Podiumsdiskussionen und Workshops zu Themen wie 50+1, Pyrotechnik, Anstoßzeiten, Selbstbestimmung in der Kurve, soziale Verantwortung, Eintrittspreise etc. geben. Diskussionsteilnehmer sind u.a. Martin Kind (Präsident von Hannover 96), Jonas Gabler (Autor von „Die Ultras“), Dirk Grosse (Sky Deutschland AG), Holger Hieronymus (Geschäftsführer DFL), Hendrik Große Lefert (Sicherheitsbeauftragter DFB) oder Kevin Miles (Football Supporters Federation). Weitere Infos findet ihr auf www.fankongress-2012.de.
Im Laufe dieser Woche lest hier auf der 11FREUNDE-Homepage Interviews und Berichte zum Thema Fankultur. Ihr findet alle Berichte gesammelt unter www.11freunde.de/fans. Das folgende Interview wurde erstmals im November 2011 veröffentlicht.
150 Ultra-Bewegungen unterstützen die Iniative „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“, eine gemeinsame Erklärung gibt es hier:
https://www.pyrotechnik-legalisieren.de/blog/kampagne.html
In den vergangenen Monaten trafen sich Vertreter der Iniative mit Vertretern von DFB und DFL zu mehreren Gesprächen. Diese liegen momentan auf Eis.
Jannis Busse, Sie sind Sprecher der Initiative „Pyrotechnik legalisieren“. Sind die aktuellen Vorkommnisse um Dresdener Böllerwürfe nicht ein echter Nackenschlag für die Initiative?
Jannis Busse: Natürlich sind bestimmte Vorfälle kontraproduktiv, aber man muss das Ganze im Zusammenhang sehen mit dem Wortbruch des DFB. Nachdem Zusagen uns gegenüber nicht eingehalten worden sind, war die Enttäuschung groß und die moderaten Kräfte innerhalb der Kurve wurden geschwächt.
Sie spielen auf Treffen mit Vertretern von DFB und DFL an. Welche Zusagen meinen Sie?
Jannis Busse: Es gab insgesamt drei Treffen, das erste im Juli. Mit dem damaligen Sicherheitsbeauftragten des DFB, Helmut Spahn, und anderen Vertretern wurde ein Kompromiss ausgehandelt: An den ersten drei Bundesliga-Spieltagen sowie in der ersten Pokalrunde sollte auf Pyrotechnik verzichtet werden. Sollte dies eingehalten werden, hätte man sich zu Pilotprojekten an einzelnen Standorten entschlossen. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es ging bei der Zusage des DFB um Pilotprojekte, nicht um die endgültige Legalisierung.
Warum ist der Kompromiss gescheitert?
Jannis Busse: In das dritte Treffen in Frankfurt gingen wir in dem Glauben, Detailverhandlungen führen zu können. Schließlich hatte sich unsere Seite an die Abmachungen gehalten. Dann allerdings wurden wir vor den Kopf gestoßen. DFB-Direktor Helmut Sandrock und Holger Hieronymus von der DFL taten so, als habe es diese Absprachen nie gegeben. Die vorherige Runde sei nicht weisungsbefugt, teilte man uns mit. Helmut Spahn, mit dem wir vorher gesprochen hatten, war zu dieser Zeit auch nicht mehr beim DFB – die neue Linie kann man wohl als Abkanzelung seiner Person verstehen. Wie auch immer, wir fühlten uns belogen und haben das Treffen damit abgebrochen.
Vonseiten des DFB heißt es, dass es in dem verabredeten Zeitraum sehr wohl zu Vorkommnissen gekommen sei.
Jannis Busse: Da haben die Beteiligten eine sehr variable Liste angefertigt. Teilweise wurden dort Spiele aufgelistet, bei denen die Gruppen, die unser Anliegen unterstützen, gar nicht beteiligt waren. Beispielsweise das Supercup-Finale, das die Ultra-Gruppierungen aber boykottiert hatten. Alles in allem waren die Ausführungen des DFB in dieser Hinsicht fadenscheinig.
Wurde als Reaktion auf diese abgebrochenen Gespräche nun eine Pyro-Offensive initiiert?
Jannis Busse: Nein. Die Enttäuschung war natürlich groß, allerdings hat niemand zu einer Offensive aufgerufen, wie landläufig berichtet wurde. Es ist nur das passiert, was ich eingangs erwähnt habe: Die moderaten Kräfte haben durch die Reaktion des DFB an Einfluss verloren. Viele sagten: „Was wollt ihr denn? Die verarschen uns doch nur?“
Die aktuellen Vorfälle verdeutlichen nun, dass es bei einzelnen Personen keinen verantwortungsvollen Umgang mit Pyrotechnik gibt.
Jannis Busse: Wir als Initiative distanzieren uns in unseren Grundsätzen klar von Leuchtspurgeschossen, Böllern, Kanonenschlägen und sonstigen Knallkörpern. Genauso verurteilen wir das Werfen von Pyrotechnik. Nur: Man kann nie im Leben alle Eventualitäten ausschließen und für jeden die Hand ins Feuer legen – das kann man auch beim Silvesterfeuerwerk nicht. Was in Dortmund passiert ist, rechtfertigt nicht die heftige mediale Berichterstattung. Pyrotechnik wird derzeit mit Gewalt gleichgesetzt – bei den anderen Spielen mit Pyrotechnik gab es aber keinerlei Verletzten.
Machen Sie es sich da nicht ein bisschen leicht, wenn Sie auf der einen Seite für Pyrotechnik kämpfen, auf der anderen Seite aber dieses Restrisiko der unverantwortlichen Nutzung einräumen?
Jannis Busse: Nein, wir haben ein Konzept entwickelt, das den verantwortungsvollen und sicheren Einsatz von Pyrotechnik gewährleistet. In einem Gutachten wurde bestätigt, dass in gewissen Rahmenbedingungen das Zünden von Bengalos mit den derzeitigen Rechtsvorschriften vereinbar ist. Zu sagen, es wird nie mehr Personen geben, die anderen schaden, wäre realitätsfern. Unser Konzept zeigt aber einen legalen und sicheren Weg der Umsetzung von Pyrotechnk.
Welche Rahmenbedingungen meinen Sie?
Jannis Busse: Zum einen dürften nur zertifizierte Leuchtfeuer eingesetzt werden, also alles, was man auf legalem Weg erwerben kann, beispielsweise in Anglerläden. Zum anderen geht es uns darum, einen Sicherheitsbereich im Stadion einzurichten. Dort könnten Sandeimer stehen, die Rauchentwicklung wäre für die Umstehenden ungefährlich und es gäbe einen angemessenen Abstand zu den Umstehenden.
Wäre das nicht ein enormer finanzieller Aufwand für die Vereine?
Jannis Busse: Nein, teilweise würde die Errichtung eines Wellenbrechers genügen. Große bauliche Veränderungen verlangt das Ganze nicht.
Bleibt das Problem der Verantwortlichkeit.
Jannis Busse: Es soll gewährleistet sein, dass derjenige, der dort für Pyro zuständig ist, nicht in der Masse untertauchen kann, sprich: Er wird vorher von der Fanszene ausgesucht und sein Verantwortungsbewusstsein geprüft.
Laut Versammlungs- und Ordnungrecht soll der Umgang mit Pyro sowieso nur ausgebildeten Feuerwerkern erlaubt sein.
Jannis Busse: Das kann man so generell nicht sagen. Nach meiner Kenntnis ist die Regelung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Jürgen Bergener sagte sinngemäß im „Doppelpass“: „Wie wirkt das, wenn ich meinen Kindern den Umgang mit Feuerwerk verbiete und im Stadion wird das öffentliche Zündeln toleriert?“
Jannis Busse: Im Stadion würde gezeigt werden, wie man verantwortungsvoll damit umgeht. Wenn man Fans Verantwortung gibt, dann übernehmen sie die auch. Das zeigt das Beispiel, wenn Fans einen Sonderzug organisieren. Da wird auch für einen sicheren und sauberen Ablauf gesorgt. In unserem Modell würde auch der viel beschworene Selbstreinigungsprozess innerhalb der Kurve viel besser greifen.
In der vergangenen Saison erlitten Fans im Bochumer Stadion schwere Verbrennungen durch Pyrotechnik.
Jannis Busse: In Bochum wurden verbotene Substanzen in den Block geschmuggelt, zusammen gemischtes Leuchtfeuer. Das wollen wir ja gerade vermeiden: Bei einer Legalisierung würde ausschließlich ungefährliche und zertifizierte Pyro benutzt. In diesem Fall würden auch alle Beteiligten darauf achten, dass nichts anderes in den Block eingeschmuggelt wird.
Warum ist aus Ihrer Sicht Pyrotechnik überhaupt ein solch integraler Bestandteil von Fankultur?
Jannis Busse: Pyro gibt es schon seit Jahrzehnten in den Fankurven, es steigert die Emotionen und die Stimmung. In den Medien wird das bei Spielen im Ausland als südländische Atmosphäre gelobt, seit einiger Zeit aber hier in Deutschland ausnahmslos verteufelt. Da besteht eine gewisse Doppelmoral. Bei Saisoneröffnungs- oder Meisterfeiern setzt der DFB selbst auf Feuerwerk und Pyro.
Kann der Dialog zwischen Pyro-Vertretern und den Verbänden wieder aufgenommen werden?
Jannis Busse: Auch wenn es momentan schwierig ist, wir stehen weiterhin für Aufklärung und Dialog. Wir wissen auch, dass das ein langer Prozess ist. Allerdings müsste erst einmal die Gegenseite positive Signale senden, um das Gespräch fortzuführen.
So wie die Debatte aktuell geführt wird, klingt das illusorisch.
Jannis Busse: Wie gesagt: Es wird nicht von heute auf morgen gehen.