Spielerberater Mino Raiola hat gerade Paul Pogbas 120 Millionen-Deal eingetütet. In einem seiner seltenen Interviews erklärte er uns 2014, wie er ein Imperium schuf, das den Transfermarkt erbeben lässt.
Ein verregneter Sonntagvormittag in Monte Carlo. Mino Raiola ruft an. Ob man schon am Treffpunkt sei? Er käme einen dann abholen. Fünf Minuten später fährt er persönlich mit dem Auto vor. Es geht ins noble Columbus Hotel. Am Nebentisch zwei dubiose Russen, die unserem Fotografen mit Rauswurf drohen, sollte er in ihrer Nähe Bilder machen. Raiola ordert die Teekarte, studiert sie eingehend und bestellt einen astronomisch teuren indischen Assam. Am Ende des Gesprächs, in dem er beliebig vom Französischen ins Englische und vom Portugiesischen ins Holländische wechselt, verrät er noch das Familienrezept für Pizzateig.
Mino Raiola, wie wird man eigentlich Spielerberater?
Es geschieht. Ich wuchs in einem Unternehmerhaushalt auf, das hat mich geprägt. Mein Vater ist 1968 von Italien nach Holland ausgewandert und hat dort sein erstes Restaurant aufgemacht. Am Ende besaß er 25. Meine Familie hat immer hart gearbeitet. Es war normal, dass ich half. Ich war der älteste Sohn, mein Niederländisch war besser als das meines Vaters, also wurde ich sein Berater, sein Einkäufer, sein Geschäftsführer. Verhandeln und organisieren, das war mein Ding. Alles was ich kann, habe ich im Restaurant gelernt. Mein Jurastudium war verschenkte Zeit. Anwälte kann ich mir schließlich kaufen.
Was macht einen guten Berater aus?
Ein guter Berater ist viel mehr als ein Vermittler in Vertragsverhandlungen. Er sorgt dafür, dass sich seine Spieler wohl und beschützt fühlen. Ich löse die Probleme meiner Klienten, wie es ein Vater täte. Ich bin ihre Familie. Ich bin derjenige, der ihnen zeigt, wohin ihr Weg gehen kann. Allerdings ist nicht jeder Berater, der Erfolg hat, ein guter Berater. Nehmen Sie Jorge Mendes! Er und ich sind wie Nordpol und Südpol. Wir haben ein völlig unterschiedliches Verständnis von unserem Business. Trotzdem sind wir beide sehr erfolgreich. Mendes ist ein Investor, dessen Interesse der größtmögliche Profit ist. Mein Interesse gilt ausschließlich meinem Spieler. Ich bin Altruist, er ist Egoist. Ich kümmere mich um meine Spieler, Mendes kümmert sich um sich selbst.
Was Sie beide eint, ist ein höchst eigenwilliger Werdegang. Mendes gehörten früher Nachtclubs und Videotheken, von Ihnen heißt es, Sie seien Pizzabäcker. Weil es besser zum Bild des zwielichtigen Beraters passt, das die Öffentlichkeit von Ihnen hat?
Vielleicht. Aber diese Geschichte ist eine Legende. Ich habe im Restaurant so ziemlich alles gemacht – gespült, gekellnert, nur eines nie: Pizza gebacken. Ich koche bis heute nicht, das macht meine Frau. Aber ich spüle gerne ab, das entspannt mich.
Wie weit war der Weg vom Restaurant Ihres Vaters zum Spielerberater?
Nicht weit. Ich war jung, ich war fußballbegeistert und ich hatte ein gewisses Verhandlungsgeschick. Irgendwann begann ich, dem Präsidenten des HFC Haarlem Tipps zu geben, was er besser machen könne. Der Klub brauchte Geld. Ich hatte Beziehungen, ich wusste, wen man fragen kann, ich kannte mich aus in der Stadt. Ich tat eigentlich nichts anderes als das, was ich schon im Restaurant getan hatte: Ich sah genau hin, und ich benutzte mein Hirn. Ich las die Verträge und Reglements und entdeckte eine Lücke im Transfersystem. Ich kontaktierte einen italienischen Klub und sagte: „Hört mal, ich weiß, wie ihr den holländischen Markt kontrollieren könnt, ohne hohe Summen auszugeben.“ Der Klub war Neapel, meine Familie stammt von dort. Sie willigten ein und alles begann. Heute ist es schwieriger, als Berater zu starten. Man braucht mindestens fünf, sechs Klubs, die man ansprechen kann. Im ersten Jahr macht man dann vielleicht 25 000 Euro und bekommt fünf Prozent Prämie, das ist zu wenig zum Leben.
Raiolas Telefon klingelt. Er wechselt ins Italienische. Seine Frau ist dran. Sie will wissen, wann ihr Mann nach Hause kommt, damit sie das Essen kochen kann.
2013 wurden 2,71 Milliarden Euro auf dem internationalen Transfermarkt umgesetzt. Große Gewinner dieses Anstiegs sind zweifelsohne die Spielerberater. Je häufiger ein Spieler den Verein wechselt, desto öfter kann ein Berater an ihm verdienen. Es dürfte also in seinem Interesse liegen, dass der Spieler nicht zu lange bei einem Verein bleibt.
Wer sagt, dass ich jedes Mal Geld bekomme, wenn ein Spieler den Verein wechselt? Ich wickle viele Transfers gratis ab. Ich verstehe das als eine Form von Investition in meinen Spieler. Wenn sein Wert weiter wächst, erhalte ich den Ertrag in der Zukunft.
Zlatan Ibrahimovic haben Sie bislang sechsmal transferiert. Insgesamt ergibt das eine Transfersumme von rund 170 Millionen Euro. Nimmt man eine Provision von zehn Prozent an, dürften Sie nicht schlecht verdient haben.
Vergessen Sie dieses Zehn-Prozent-Gerücht. Ich habe, wie gesagt, schon Transfers gratis abgewickelt und manchmal 50 Prozent kassiert. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn mir ein Spieler direkt gehört und ein Klub 50 Millionen bietet, wovon ich die Hälfte, also 25 Millionen bekäme, der Spieler aber nur 100 000 Euro Gehalt erhielte, ein anderer Klub zwar nur zehn Millionen bezahlen will, aber 500 000 Euro Gehalt anbietet, dann entscheide ich mich dafür, nur fünf Millionen zu verdienen. Die meisten Agenten kommen hier in einen Interessenkonflikt. Ich nicht, ich wähle immer die bessere Variante für meinen Spieler.