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Ein ver­reg­neter Sonn­tag­vor­mittag in Monte Carlo. Mino Raiola ruft an. Ob man schon am Treff­punkt sei? Er käme einen dann abholen. Fünf Minuten später fährt er per­sön­lich mit dem Auto vor. Es geht ins noble Columbus Hotel. Am Neben­tisch zwei dubiose Russen, die unserem Foto­grafen mit Raus­wurf drohen, sollte er in ihrer Nähe Bilder machen. Raiola ordert die Tee­karte, stu­diert sie ein­ge­hend und bestellt einen astro­no­misch teuren indi­schen Assam. Am Ende des Gesprächs, in dem er beliebig vom Fran­zö­si­schen ins Eng­li­sche und vom Por­tu­gie­si­schen ins Hol­län­di­sche wech­selt, verrät er noch das Fami­li­en­re­zept für Piz­za­teig.

Mino Raiola, wie wird man eigent­lich Spie­ler­be­rater?
Es geschieht. Ich wuchs in einem Unter­neh­mer­haus­halt auf, das hat mich geprägt. Mein Vater ist 1968 von Ita­lien nach Hol­land aus­ge­wan­dert und hat dort sein erstes Restau­rant auf­ge­macht. Am Ende besaß er 25. Meine Familie hat immer hart gear­beitet. Es war normal, dass ich half. Ich war der älteste Sohn, mein Nie­der­län­disch war besser als das meines Vaters, also wurde ich sein Berater, sein Ein­käufer, sein Geschäfts­führer. Ver­han­deln und orga­ni­sieren, das war mein Ding. Alles was ich kann, habe ich im Restau­rant gelernt. Mein Jura­stu­dium war ver­schenkte Zeit. Anwälte kann ich mir schließ­lich kaufen.

Was macht einen guten Berater aus?
Ein guter Berater ist viel mehr als ein Ver­mittler in Ver­trags­ver­hand­lungen. Er sorgt dafür, dass sich seine Spieler wohl und beschützt fühlen. Ich löse die Pro­bleme meiner Kli­enten, wie es ein Vater täte. Ich bin ihre Familie. Ich bin der­je­nige, der ihnen zeigt, wohin ihr Weg gehen kann. Aller­dings ist nicht jeder Berater, der Erfolg hat, ein guter Berater. Nehmen Sie Jorge Mendes! Er und ich sind wie Nordpol und Südpol. Wir haben ein völlig unter­schied­li­ches Ver­ständnis von unserem Busi­ness. Trotzdem sind wir beide sehr erfolg­reich. Mendes ist ein Investor, dessen Inter­esse der größt­mög­liche Profit ist. Mein Inter­esse gilt aus­schließ­lich meinem Spieler. Ich bin Altruist, er ist Egoist. Ich küm­mere mich um meine Spieler, Mendes küm­mert sich um sich selbst.

Was Sie beide eint, ist ein höchst eigen­wil­liger Wer­de­gang. Mendes gehörten früher Nacht­clubs und Video­theken, von Ihnen heißt es, Sie seien Piz­za­bä­cker. Weil es besser zum Bild des zwie­lich­tigen Bera­ters passt, das die Öffent­lich­keit von Ihnen hat?
Viel­leicht. Aber diese Geschichte ist eine Legende. Ich habe im Restau­rant so ziem­lich alles gemacht – gespült, gekell­nert, nur eines nie: Pizza geba­cken. Ich koche bis heute nicht, das macht meine Frau. Aber ich spüle gerne ab, das ent­spannt mich.

Wie weit war der Weg vom Restau­rant Ihres Vaters zum Spie­ler­be­rater?
Nicht weit. Ich war jung, ich war fuß­ball­be­geis­tert und ich hatte ein gewisses Ver­hand­lungs­ge­schick. Irgend­wann begann ich, dem Prä­si­denten des HFC Haarlem Tipps zu geben, was er besser machen könne. Der Klub brauchte Geld. Ich hatte Bezie­hungen, ich wusste, wen man fragen kann, ich kannte mich aus in der Stadt. Ich tat eigent­lich nichts anderes als das, was ich schon im Restau­rant getan hatte: Ich sah genau hin, und ich benutzte mein Hirn. Ich las die Ver­träge und Regle­ments und ent­deckte eine Lücke im Trans­fer­system. Ich kon­tak­tierte einen ita­lie­ni­schen Klub und sagte: Hört mal, ich weiß, wie ihr den hol­län­di­schen Markt kon­trol­lieren könnt, ohne hohe Summen aus­zu­geben.“ Der Klub war Neapel, meine Familie stammt von dort. Sie wil­ligten ein und alles begann. Heute ist es schwie­riger, als Berater zu starten. Man braucht min­des­tens fünf, sechs Klubs, die man anspre­chen kann. Im ersten Jahr macht man dann viel­leicht 25 000 Euro und bekommt fünf Pro­zent Prämie, das ist zu wenig zum Leben.

Raiolas Telefon klin­gelt. Er wech­selt ins Ita­lie­ni­sche. Seine Frau ist dran. Sie will wissen, wann ihr Mann nach Hause kommt, damit sie das Essen kochen kann.

2013 wurden 2,71 Mil­li­arden Euro auf dem inter­na­tio­nalen Trans­fer­markt umge­setzt. Große Gewinner dieses Anstiegs sind zwei­fels­ohne die Spie­ler­be­rater. Je häu­figer ein Spieler den Verein wech­selt, desto öfter kann ein Berater an ihm ver­dienen. Es dürfte also in seinem Inter­esse liegen, dass der Spieler nicht zu lange bei einem Verein bleibt.
Wer sagt, dass ich jedes Mal Geld bekomme, wenn ein Spieler den Verein wech­selt? Ich wickle viele Trans­fers gratis ab. Ich ver­stehe das als eine Form von Inves­ti­tion in meinen Spieler. Wenn sein Wert weiter wächst, erhalte ich den Ertrag in der Zukunft.

Zlatan Ibra­hi­movic haben Sie bis­lang sechsmal trans­fe­riert. Ins­ge­samt ergibt das eine Trans­fer­summe von rund 170 Mil­lionen Euro. Nimmt man eine Pro­vi­sion von zehn Pro­zent an, dürften Sie nicht schlecht ver­dient haben.
Ver­gessen Sie dieses Zehn-Pro­zent-Gerücht. Ich habe, wie gesagt, schon Trans­fers gratis abge­wi­ckelt und manchmal 50 Pro­zent kas­siert. Ich gebe Ihnen ein Bei­spiel: Wenn mir ein Spieler direkt gehört und ein Klub 50 Mil­lionen bietet, wovon ich die Hälfte, also 25 Mil­lionen bekäme, der Spieler aber nur 100 000 Euro Gehalt erhielte, ein anderer Klub zwar nur zehn Mil­lionen bezahlen will, aber 500 000 Euro Gehalt anbietet, dann ent­scheide ich mich dafür, nur fünf Mil­lionen zu ver­dienen. Die meisten Agenten kommen hier in einen Inter­es­sen­kon­flikt. Ich nicht, ich wähle immer die bes­sere Vari­ante für meinen Spieler.