Nuri Sahin ist bis heute der jüngste Bundesligaspieler aller Zeiten. Im Interview spricht er über die Wichtigkeit von Vorbildern, das Selbstbewusstsein der 17-Jährigen und Gespräche über Donald Trump.
Nuri Sahin, Borussia Dortmunds Nachwuchs ist gerade ein bisschen in Verruf geraten. Der Franzose Ousmane Dembélé hat sich mit 20 Jahren seinen Wechsel nach Barcelona erstreikt. Der Engländer Jadon Sancho hat offenbar ein Problem mit dem Thema Pünktlichkeit. Ihr türkischer Landsmann Emre Mor ist nach zu vielen Disziplinlosigkeiten ausgemustert worden. Fehlt es den jungen Spielern an Demut?
Nein, das würde ich so verallgemeinernd nicht unterschreiben. Das sind alles herzensgute Menschen, ich lasse auf keinen etwas kommen. Die Zeiten sind nun mal nicht mehr so wie zu meinen ersten Profijahren. Heute schauen bei einem Endspiel um die deutsche A‑Jugend-Meisterschaft schon mal 30.000 Leute zu. Es gibt 17-Jährige, die haben in den sozialen Netzwerken 200.000 Follower. Zweihunderttausend! Da wird dir doch jeden Morgen nach dem Aufwachen automatisch das Gefühl gegeben, dass du der Allergrößte bist. Da gehen Sie mit einem anderen Selbstverständnis zur Arbeit und spielen mit einem anderen Selbstbewusstsein. Man nimmt, was man sieht. Schauen Sie sich Jadon Sancho an: Der fordert bei seinem ersten Bundesligaspiel gleich den Ball und geht gegen zwei, drei Leute ins Dribbling. So etwas hätte ich mich früher nie getraut.
Sie haben im August 2005 mit 16 Jahren, elf Monaten und einem Tag Ihr Debüt in der Bundesliga gegeben und sind damit bis heute der jüngste Bundesligaspieler aller Zeiten. Was war damals anders?
Alles! Ich bin damals direkt nach der U‑17-EM zu den Profis gekommen und war sehr aufgeregt. Vorher gab es einen Tag in der Woche, an dem wir Jugendspieler mal reinschnuppern durften, das war eine große Sache. Dann sitzt du auf einmal Tag für Tag in der Kabine neben Tomas Rosicky, Jan Koller, Dedé oder Sebastian Kehl. Nie hätte ich mich damals getraut, in Designer-Klamotten zum Training zu kommen. Die Alten hätten mir mit Sicherheit eine Ansage gemacht.
Durften Sie sich als junger Spieler Ihre Rückennummer aussuchen?
Wo denken Sie hin! Ich habe in der Jugend immer mit der 8 gespielt, hätte es aber nie gewagt, bei den Profis überhaupt danach zu fragen. Die 25 war frei, fertig! Das ist heute anders. Für Jadon Sancho war es nach seinem Wechsel von Manchester City hierher völlig klar, dass er die 7 bekommt. Und da war er gerade 17.
Sie sind in Ihrer ersten Saison bestimmt mit dem Fahrrad zum Training gefahren.
Oh nein, dafür war der Dortmunder Verkehr auch schon vor 13 Jahren zu gefährlich. Ich habe im BVB-Jugendhaus gewohnt und bin mit der S‑Bahn gekommen. Als ich dann endlich meinen Führerschein hatte, hat mein Vater zu mir gesagt: Jetzt gehst du zu Bert van Marwijk und Michael Zorc …
… Trainer und Manager…
… und fragst die beiden, was für ein Auto du dir anschaffen darfst. Moment mal, habe ich gesagt, warum soll ich die fragen, das geht doch nur mich etwas an. Aber mein Vater ließ da nicht mit sich reden. Er legte großen Wert auf Demut und wollte nicht, dass ich einen großspurigen Eindruck hinterlasse.