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Herr Thines, Sie sind ein Pfälzer Junge. Erin­nern Sie sich noch an Ihren ersten Sta­di­on­be­such?

Ich erin­nere mich noch, als wäre es ges­tern gewesen. Als Kinder haben wir auf den Bäumen gehockt und uns die Spiele ange­guckt. Damals war ja noch keine Tri­büne um das Feld herum, das Sta­dion war völlig offen.

Hatte der FCK bei Heim­spielen damals schon die gesamte Pfalz im Rücken?

Nein, die Walter-Elf mit dem Bekannt­heits­grad über die Grenzen Deutsch­lands hinaus spielte erst Ende der 40er Jahre. In den Anfangs­jahren sind sie aus der näheren Umge­bung noch mit dem Fahrrad gekommen, aber in dieser Zeit spielte sich der 1.FC Kai­sers­lau­tern eigent­lich nur in der Stadt selbst ab. Als es den Men­schen nach dem Krieg dann wieder gut ging, kam die ganze Pfalz – und weit dar­über hinaus. Ich weiß noch genau, es muss so 77 gewesen sein, als der dama­lige Prä­si­dent Müller zu mir kam: Da sind Briefe von unseren Fans, die wollen Klubs machen und so! Das machen wir nicht! Wenn die erst einmal die Gewalt haben, dann ist es vorbei.“ Und dann habe ich ihn wochen­lang genervt und bekniet und ver­suchte, ihm klar zu machen, was für ein Poten­zial dahinter stünde. Irgend­wann schnauzte er nur: Thines, machen Sie doch was Sie wollen – das machen Sie ja eh!“ Mit den ersten Fan­klubs ist dann die ganz große Euphorie aus­ge­bro­chen.

Sie haben Fritz Walter noch spielen sehen – in der ganz großen Epoche des 1.FC Kai­sers­lau­tern.

In dieser Zeit kamen die Spieler gerade nach und nach aus Kriegs­ge­fan­gen­schaft zurück, wenn sie nicht gefallen waren. Fritz Walter war damals schwer ver­letzt, er hatte ja heute noch Splitter im Körper. Dann ist es so langsam wieder mit dem Fuß­ball los gegangen. 1951 sind wir Deut­scher Meister geworden, da war hier alles Fuß­ball.

Das Bild von Fritz Walter strahlte auf die ganze Mann­schaft, das gesamte Umfeld ab.

Fritz Walter war das große Aus­hän­ge­schild des Ver­eins. Seine Beschei­den­heit und Zugäng­lich­keit waren auch mir ein großes Vor­bild. Unsere Stärke war die Boden­haf­tig­keit, die Bin­dung zwi­schen allen Volks­gruppen. Es war immer unser Ziel, dieses Fami­li­en­hafte zu bewahren, die Men­schen zu akzep­tieren. Ich denke nur an die Ein­sätze damals im Sta­dion: Wir haben alles selbst repa­riert und gepflegt! Aus sol­chen kleinen Erfolgs­er­leb­nissen wachsen Freund­schaften, wächst ein großes Zusam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl. Mit allen Mit­teln ver­suchte ich wäh­rend meiner Prä­si­dent­schaft, die Abge­ho­ben­heit zu ver­hin­dern.

Ein gutes Bei­spiel dafür ist die Meis­ter­mann­schaft von 1992.

Das war noch Kame­rad­schaft! Heute schnappt sich jeder seine Sport­ta­sche nach dem Trai­ning und ist weg. Auch die ganzen Jahre zuvor. Unsere aus­län­di­schen Spieler waren die bes­seren Pfälzer. (lacht) Hell­ström, Nielsen, Kuka, Kadlec – wir haben immer ver­sucht, aus einem Land gleich zwei Spieler zu holen, um von Beginn an kein Heimweh auf­kommen zu lassen und das Hei­mat­ge­fühl für die Pfalz zu stärken. Das hat funk­tio­niert! Ein Bei­spiel: Benny Wendt und Ronny Hell­ström sind mit mir an Fast­nacht auf­ge­treten. Wir haben gesungen. Die haben pfäl­zisch gelernt für diesen Auf­tritt! Ja, wo gibt es denn sowas? Und wir haben auch – jeder Sport­arzt täte sich über­schlagen – Schlacht­feste gefeiert, mit selbst gebrannten Schnaps vom Bauern. Da spre­chen die Spieler heute noch von. Es wurde getrunken, gesungen, zusam­men­ge­sessen. Das war eine Gaudi!

Sie küm­merten sich als Prä­si­dent noch um jeden ein­zelnen Spieler.

Selbst­ver­ständ­lich! Wir haben Paten­schaften orga­ni­siert, Wohn­ge­mein­schaften gegründet. Nie­mand sollte sich beim 1.FC Kai­sers­lau­tern allein fühlen. Die älteren Spieler standen den jün­geren mit Rat und Tat zur Seite. Diese Men­ta­lität ist mit den Jahren jedoch ver­loren gegangen. Heute wird von Ver­eins­seite nur noch das Geld gezahlt und dann heißt es: Vogel, friß oder stirb!

Haben Sie eine Ahnung, warum diese Men­ta­lität – nicht nur in Kai­sers­lau­tern – ver­loren gegangen ist?

Ich weiß es nicht. Bequem­lich­keit, Dumm­heit, Zeit­geist – wie auch immer. Da kommen viele Fak­toren zusammen. Die Mann­schaft bestand damals aus vielen Per­sön­lich­keiten. Heute sind das nur noch… (über­legt) Ich weiß auch nicht. Die Spieler von damals konnten nicht nur Fuß­ball spielen, die konn­test du auch überall mit hin­nehmen, die konnten sich arti­ku­lieren. Die haben auch uns gegen­über Front gemacht, wenn sie meinten, sie seien im Recht. Das war noch eine Mann­schaft, eine Ein­heit.

Wer war nach Fritz Walter die bedeu­tenste Per­sön­lich­keit hier auf dem Bet­zen­berg, Ihrer Mei­nung nach?

Briegel! Das war ein unglaub­li­cher Sie­gertyp, jemand, wie ich ihn nie wieder ken­nen­ge­lernt habe. Und ein Sports­mann: Der hat einmal eine ganze Stange Bier getrunken und ist dann auf den Platz zum Spielen – und du hast ihm das gar nicht ange­merkt. Ein unglaub­li­ches Arbeits­tier! Bei einem 1:2‑Rückstand hat er in der 88. Minute gesagt: Kommt Jungs, das drehen wir jetzt noch rum!“ Und dann haben sie noch 3:2 gewonnen. Peter Briegel ist für mich das zweite Denkmal nach Fritz Walter.

Peter Briegel wurde unter Jäggi schließ­lich vom Bet­zen­berg gejagt.

Es tut mir so weh, wenn ich das sehe! Jeder Verein würde sich die Finger danach lecken, den Peter Briegel in seinen Reihen zu haben. Wir haben es jedoch fertig gebracht, mit einem Herrn Jäggi einen sol­chen Mann zu demon­tieren. Selbst wenn man Gründe dafür hätte, würde man es aus Klug­heit nicht tun – über der Wahr­heit gibt es immer noch eine Klug­heit. Peter Briegel war Sportler des Jahres, Euro­pa­meister – das ist doch ein Juwel! Den musst du pflegen und hegen! Wenn Ottmar Walter und Horst Eckel einmal weg sind, dann haben wir hier keinen mehr, den man noch zum Vor­bild haben kann. Die heu­tige Gene­ra­tion Fuß­baller hat keinen Vor­bild­cha­rakter mehr, so dass Jugend­liche ihnen nach­ei­fern sollten.

An dem Punkt, als Sie Ihr Amt als Prä­si­dent zur Ver­fü­gung stellten, begann in Kai­sers­lau­tern eine neue Zeit­rech­nung.

Alles Enga­ge­ment wurde als sozialer Quatsch abgetan und ver­schwand gänz­lich aus dem Ideal unseres Ver­eins­le­bens. Ich habe immer wieder gesagt: Wir müssen bleiben, wo wir hin­ge­hören, und uns nur das zumuten, was wir auch schul­tern können.“ Plötz­lich hieß es dann aber, wir müssten uns auf eine Stufe mit Bayern Mün­chen stellen.

Sie traten dar­aufhin zurück.

Ich musste 1996 für eine Zeit lang ins Kran­ken­haus, und in diesen Tagen hat der Atze Fried­rich ordent­lich an meinem Stuhl gesägt. Nach einer Mit­glie­der­ver­samm­lung bin ich dann zurück­ge­treten, weil mir die Stim­mung viel zu auf­ge­hetzt war – das war ja der reinste Rechts­ra­di­ka­lismus“.

Herr Fried­rich war schon vor dieser Zeit einmal Prä­si­dent des Ver­eins gewesen und konnte in diesen Jahren eigent­lich beweisen, dass er einen Verein boden­ständig führen kann.

Atze Fried­rich war ein Bom­ben­mann – solange er im Ehrea­namt tätig war. Glück­li­ches Händ­chen, Fuß­ball­sach­ver­stand. Es hat alles gepasst, doch dann sind sie ein­fach abge­dreht.

Sie waren der letzte ehren­amt­liche Prä­si­dent des Ver­eins?

Der Hubert Kessler war nach mir noch ein Jahr lang ehren­amt­lich tätig, und danach hat jeder da oben in die Kassen gelangt und sich teuer bezahlen lassen. Das geht auf Dauer nicht! Ich weiß, dass man einen Verein nicht mehr führen kann wie wir zu unserer Glanz­zeit damals. Aber einen Mit­telweg hätte es doch bit­te­schön geben sollen.

Die Prä­si­dent­schaft eines Bun­des­li­ga­ver­eins ist sehr arbeits­in­tensiv. Was spricht gegen ein ange­mes­sene Gehalts­zah­lung?

Ich plä­diere immer noch für das Ehrenamt. Und jetzt haben sie es zwangs­läufig wieder so gestalten müssen, weil ein­fach kein Geld da ist. Drei Auf­sichts­räte arbeiten momentan ehren­amt­lich, und wenn der Verein in die dritte Liga geht, kann man nie­manden mehr bezahlen. Ein Göbel muss dann auf 300.000 Euro ver­zichten! Ich habe als Prä­si­dent nicht einen Pfennig ver­dient. Sie finden da oben nicht eine Rech­nung von mir – aus zehn Jahren. Und ich war zufrieden und glück­lich.

Wie haben Sie sich in dieser Zeit Ihren Lebens­un­ter­halt ver­dient?

Ich war damals als Ver­kaufs­leiter einer Brauerei für die gesamte Pfalz zuständig und hatte eine gewisse Nar­ren­frei­heit, solange ich schwarze Zahlen schrieb. Ich konnte jeder­zeit fort­gehen und für den FCK schaffen. Ich war immer draußen, immer fort, immer für den Verein. Was wir für Fan­klubs gegründet haben in dieser Zeit! (lacht und schlägt sich auf die Schenkel)

Fried­rich und Wie­sche­mann sahen sich auf Augen­höhe mit Ver­einen wie Bayern Mün­chen. War der 1.FC Kai­sers­lau­tern für eine solche Wach­ab­lö­sung finan­ziell über­haupt gerüstet?

Wir haben Herrn Fried­rich einen schul­den­freien Verein über­geben! Mit einem eigenen Sta­dion, einem eigenen Fröhner Hof, einer Mann­schaft, in der nie­mand beliehen war. Zusätz­lich hatten wir ein Fest­geld­konto mit 13 Mil­lionen bei der Kreis­spar­kasse, zweck­ge­bunden für den Spiel­be­trieb. Das war alles rat­ze­putz fort! In ein paar Jahren! Das kann man sich nicht vor­stellen.

Was haben Fried­rich und Wie­sche­mann grund­le­gend anders gemacht als ihre Vor­gänger?

Ich war auch ein Mensch mit Feh­lern, so wie jeder andere. Aber eins wusste ich: Die Sachen, die ich selbst nicht absolut im Griff habe, muss ich von Leuten machen lassen, die Ahnung davon haben. Der Rainer Geye und ich haben in unserer gemein­samen Zeit Trans­fers getä­tigt, mit denen der Verein jahr­zehn­te­lang nur ver­dient hat. Rainer hat einen Spieler zweimal gesehen, dann hat er gesagt: Das ist er! Das wird einer!“ Und ich konnte das Evan­ge­lium darauf schreiben. Es hat gestimmt. Und die haben dann nur noch Schrott gekauft. Djor­kaeff, Taribo West – für fünf Mil­lionen, zehn Mil­lionen.

Die Regent­schaft von Jürgen Fried­rich endete im Bank­rott. Hoch­ka­rä­tige Spieler konnten nur durch Lohn­steu­er­hin­ter­zie­hung zum FCK geholt werden. René C. Jäggi deckte die dunklen Machen­schaften seiner Vor­gänger schließ­lich auf. Seitdem wird die Schuld für die heu­tige Situa­tion vom einen zum anderen wei­ter­ge­reicht.

1996 ist die gesamte Ver­eins­füh­rung neu gewählt worden. Von diesem Tag an hieß es da oben nur noch: Pro­fes­sio­nell, Pro­fes­sio­nell, Pro­fes­sio­nell!“ Heut­zu­tage macht nie­mand mehr auch nur einen Hand­schlag, wofür er kein Geld bekommt. Und die Leute wurden so bezahlt, dass es irgend­wann zum Kol­laps führen musste.

Wo kam es aus Ihrer Per­spek­tive zum Knack­punkt? In der Ära Fried­rich und Wie­sche­mann? Oder in der Ära Jäggi?

Die Ära Fried­rich und Wie­sche­mann hat die Wei­chen so gestellt, dass der Exodus irgend­wann kommen musste. Die waren es! Und alle anderen, die da hinten dran kamen, haben eine ganz schlechte Figur gemacht, was Trans­fers angeht. Kata­stro­phale Ver­trags­po­litik – bis jetzt! Die haben den Verein der­maßen an die Wand gefahren! Die sind es gewesen.

Wie stehen Sie zu dem Sanierer René C. Jäggi?

Er hat das Mandat der Mit­glie­der­ver­samm­lung erhalten, soweit wie nötig zu gehen, um den Verein zu ent­schulden. Die Art, wie das dann abge­laufen ist, das hätte aller­dings auch eine Putz­frau machen können, da hätten wir keinen großen Sanierer für gebraucht.

War Herr Jäggi in erster Linie in Kai­sers­lau­tern, um sich zu berei­chern?

Umsonst hat der gar nichts gemacht!

Wie haben Sie ihn als Men­schen emp­funden?

Am Anfang machte er einen guten Ein­druck. Er war rhe­to­risch per­fekt, konnte hier jeden um den Finger wickeln. Einmal bei einer Haupt­ver­samm­lung waren die Mit­glieder später total begeis­tert, dass der Verein eine Akti­en­ge­sell­schaft werden soll! (lacht) Das müssen Sie sich vor­stellen! Ein glän­zender Rhe­to­riker! Ganz zu Anfang hat er zu mir Kon­takt auf­ge­nommen. Er wusste, dass ich den Betze nach wie vor positiv begleite. Um ihn herum standen nur Leute im FCK-Salair, mit sub­jek­tiver Mei­nung. Er wollte mich als seinen Berater. Ich sagte nur: Nee, das machen wir mal gar nicht. Mich bringen Sie da in keinen bezahlten Job mehr rein. Für nichts in der Welt!“

Warum wollten Sie nicht?

Nein, das macht man nicht, wenn man einmal selbst Prä­si­dent gewesen ist. Ich habe immer signa­li­siert, dass ich gerne helfe, aber bitte ohne Gegen­leis­tung. Ich habe auch meinen direkten Nach­fol­gern meine Ver­bin­dungen und Kon­takte ange­boten, aber da hat der Atze natür­lich nie drauf zurück greifen wollen. Ganz im Gegen­teil: Die haben damals alles durch­sucht. Dem Wie­sche­mann ist das nicht in den Kopf gegangen, dass jemand ehren­amt­lich für den Verein arbeitet. Mona­te­lang haben sie alle Akten auf den Kopf gestellt, um mir nach­zu­weisen, dass ich mein Geld auf irgend­eine krumme Tour bekommen hätte. Wie sie es alle machen, letzten Endes. Aber nichts, sie haben nichts gefunden.

Wie ging die Geschichte mit Herrn Jäggi und Ihnen weiter?

Er konnte gar nicht ver­stehen, warum ich nicht als sein Berater auf­treten wollte. Ich bot ihm an, dass wir uns hin­setzten und alles bespre­chen, was er wissen muss. Ich ging dann ein paar Tage später nach oben, als gerade das Theater mit dem Hans-Peter Briegel war. Ich habe dann zu Jäggi gesagt: Du René, jetzt pfeif mal deine Leute zurück, du kannst doch unseren zweiten großen Spieler nach Fritz Walter nicht so behan­deln in der Öffent­lich­keit!“ Da schrie er mich an: Was glaubst du denn? Willst du mir jetzt Rat­schläge erteilen? Das habe ICH so ange­ordnet!“ Da hab ich mich nur umge­dreht und gemeint: Auf Wie­der­sehen, damit hat sich es. Du brauchst mich nicht mehr anrufen. Wir sagen uns nach außen hin noch Guten Tag“ und Tschüß“, und das war’s!“ Ich bin nicht mehr hinauf.

Herr Thines, ist es ein großes Pro­blem, dass die Ver­eins­füh­rung mitt­ler­weile kaum noch aus Typen mit Stall­ge­ruch besteht?

Diese Auf­sichts­rat­gre­mien sind zufrieden, wenn sie ihre Frei­karten bekommen und ihr Gläs­chen Sekt trinken dürfen. Der Buch­holz, jetzt Vor­stands­vor­sit­zender, ist wirk­lich fleißig, dass muss man kon­sta­tieren, aber auch glücklos.

Der FCK bot früher einmal eine rie­sige Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fläche: Von den Pfäl­zern, für die Pfälzer. Mitt­ler­weile sind immer weniger Men­schen aus der Region im Verein invol­viert – weder Spieler, noch Funk­tio­näre. Hat der FCK sein großes Kapital, sein Herz, ver­loren?

Die Pfälzer sind nicht so, dass sie nur im Eigen­blut rum­rühren wollen. Wenn sich einer Sym­pa­thie erworben hat, dann ist er hier in bes­serer Hand als in jeder anderen Region. Aber wenn der Pfälzer gar keinen mehr von seinen Leuten sieht, dann wird er ängst­lich, das stimmt schon.