Weil sich eine Mannschaft mit ihren Nazi-Kollegen solidarisierte, musste ein Spiel in Sachsen abgebrochen werden – Conrad Lippert, Pressesprecher von Roter Stern Leipzig, über den Skandal von Borna.
Conrad Lippert, am Wochenende kam es in der Landesklasse Nord zum Spielabbruch während der Partie Bornaer SV gegen Roter Stern Leipzig. Was ist da passiert?
Die Antwort macht keinen Sinn, wenn man die Vorgeschichte nicht kennt.
Die beginnt wann?
Am 12. Dezember 2015. Damals hatte die Partei „Die Rechte“ um den bekannten Neonazi Christian Worch eine Demonstration im Leipziger Stadtteil Connewitz geplant, jenem Stadtteil, der seit jeher als Hochburg der links-alternativen Leipziger Szene gilt und auch unseren Verein beheimatet. Die Polizei entschied jedoch, dass die Demonstration stattdessen in der Südvorstadt stattfinden müsse. Es kam zu heftigen Straßenschlachten, wo sich auch viele aus der linken Szene unrühmlich hervortaten. Die Nazis drohten daraufhin mit einem Marsch durch Connewitz, den gab es schließlich am 11. Januar 2016.
In welchem Zusammenhang?
Die Verantwortlichen von Legida hatten sich zum Geburtstag ihres Bündnisses die bekannte Nazi-Hool-Band Kategorie C geladen. Viele aus der linken Szene kamen nach Leipzig, um gegen Legida zu demonstrieren, natürlich auch viele aus dem Umfeld von Roter Stern. Die Rechten wiederum hatten sich vorab verabredet und auch Drohungen via Facebook verbreitet, geplant war ein Angriff auf Connewitz. Wir haben damals auch die Polizei informiert, aber die war offenbar völlig überfordert. Etwa 250 Nazis zogen unbehelligt durch Connewitz und nahmen in der Wolfgang-Heinze-Straße, im Kern des Viertels, alles auseinander. Beispielhaft für die Gewalt steht der Angriff auf einen Dönerladen, dem die Nazis erst die Scheiben einschmissen, die Kasse klauten und dort schließlich einen selbst gebastelten Sprengsatz hochgehen ließen, während die Besitzer sich in den Hinterzimmern verbarrikadiert hatten. Eine Hundertschaft aus Thüringen griff letztlich ein und nahm von 215 Leuten die Personalien auf.
Was hat das mit Fußball zu tun?
Viele, die an diesem Tag in Connewitz wüteten, gehören zu Hooliganszenen aus Leipzig oder Dresden. Viele von denen spielen selbst Fußball im Amateurbereich oder lassen sich bei gewissen Vereinen blicken und machen da keinen Hehl aus ihrer rechten Gesinnung.
Was passierte mit den Tätern?
Die sind bis heute nicht dafür belangt worden. Es gab nicht mal eine Ordnungsstrafe. Und so wie es aussieht, wird da auch nichts passieren. Das ist für uns und viele andere, die sich seit vielen Jahren mit der nazistischen Gewalt auseinander setzen oder Opfer wurden, sehr frustrierend. Und ein weiteres Zeichen dafür, wie unfähig die sächsische Justiz ist, wenn es darum geht, rechte Gewalt zu erkennen und zu bestrafen. Das Vertrauen in die hiesige Justiz ist dadurch noch weiter beschädigt worden.
Wie ging es weiter?
Ende 2016 wurde eine Liste mit den 215 Namen des Überfalls veröffentlicht, die Leipziger Antifa erstellte daraus Dossiers von jeder Person. So konnte jeder sehen, wer damals in Connewitz mit dabei war – und bei welchem Vereinen diese Personen aktiv waren. Für uns als Verein stellte sich anschließend die Frage: wie gehen wir mit gegnerischen Mannschaften um, die Spieler im Kader haben, die unser Viertel verwüstet haben?