Matthias Ginter ist Weltmeister, war bei zwei WM-Endrunden – und hat kein einziges Spiel gemacht. Hier spricht er über seine Lieblingsposition, seine neue Rolle und den Ruf, ein Streber zu sein.
Herr Ginter, was ist Ihre Lieblingsposition?
In der letzten Reihe fühle ich mich am wohlsten, weil ich das Spiel gern vor mir habe. Ich mag es, die Bälle zu haben und sie nach vorne weiterzuspielen. Ob rechts in einer Dreierkette, halbrechts in der Viererkette oder auch ganz rechts – da bin ich relativ flexibel. Die Unterschiede sind für mich auch nicht so groß.
Eigentlich sind Sie aber ein defensiver Mittelfeldspieler. Sogar eher ein offensiver Mittelfeldspieler. In der Jugend habe ich als Achter gespielt, manchmal als Zehner. Je älter ich wurde, desto defensiver wurde es.
Wie sind Sie in der Abwehr gelandet?
Das war in meiner ersten Bundesligasaison beim SC Freiburg. Als bei uns drei oder vier Innenverteidiger ausgefallen sind, hat Christian Streich mich in die Innenverteidigung gestellt. Er hat mir gesagt, was ich zu tun habe. So schlecht kann ich es nicht gemacht haben. Auf jeden Fall war ich auf einmal Innenverteidiger.
Was haben Sie von seiner Idee gehalten?
Wir steckten im Abstiegskampf, ich war 18. Deshalb habe ich das als Ausdruck eines sehr großen Vertrauens empfunden und als Wertschätzung. Es war auf jeden Fall nicht so, dass ich nervös oder ängstlich war. Ich habe das so positiv wie möglich wahrgenommen. Und es lief auch ganz gut. Wir haben am Ende die Klasse gehalten, und ich bin Innenverteidiger geblieben.
Eigentlich wollen alle im Mittelfeld spielen. Warum Sie nicht?
Der Fußball hat sich ein bisschen gewandelt. Vor fünf bis zehn Jahren wäre ich ein super Sechser gewesen, aber mittlerweile wird auf dieser Position sehr viel Wert auf kleine, wendige Spieler gelegt. Schauen Sie sich die großen Klubs an wie Bayern mit Thiago, Manchester City oder Barcelona: Die haben alle keine Brecher mehr auf der Sechs oder Spieler mit meiner Statur. Andererseits gab es vor fünf, zehn Jahren auch noch nicht die spielerischen Innenverteidiger. Das kommt mir dann wiederum zugute.
In Ihrer letzten Saison bei Borussia Dortmund haben Sie 42 Pflichtspiele bestritten. Nur drei Feldspieler hatten noch mehr Einsätze. Haben Sie sich auch als Stammspieler gefühlt?
Ja, natürlich habe ich mich auch so gefühlt. Warum fragen Sie?
Weil zu einem Stammplatz vielleicht auch eine feste Position gehört.
Stammspieler bedeutet für mich, regelmäßig auf dem Platz zu stehen. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Es war tatsächlich irgendwie nicht greifbar. Wenn alle fit waren, konnte es sein, dass ich gespielt habe. Es konnte auch sein, dass ich nicht gespielt habe. Wenn mal der Rechtsverteidiger gefehlt hat, habe ich da ausgeholfen, und wenn ein Sechser fehlte, eben als Sechser. Es war allerdings auch nicht so, dass ich in wichtigen Spielen nicht gespielt hätte. Von daher habe ich mich in Dortmund gut aufgehoben gefühlt. Ich hatte beim BVB eine tolle Zeit.
Warum sind Sie trotzdem nach Mönchengladbach gewechselt?
In Dortmund gab es viel Unruhe. Thomas Tuchel ist gegangen, ein neuer Trainer kam, dazu hat der Verein neue Verteidiger verpflichtet. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt: Will ich im Jahr vor der WM ein nicht berechenbares Risiko eingehen? Oder will ich in einem anderen Verein auf einer festen Position den nächsten Schritt machen, auch als Persönlichkeit? Beim BVB hatte ich angesichts der Umstände nicht das Gefühl, aus der Nummer als Allrounder rauszukommen.