Martin Hinteregger passt nicht in den modernen Fußballzirkus. Er spielt Ziehharmonika, fliegt Hubschrauber und führt die Hinti Army an. Ein ungewöhnlicher Profi über ein sehr ungewöhnliches Jahr.
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Martin Hinteregger, eine These zu Beginn: Wenn Sie im Januar nach der Niederlage mit Augsburg in Gladbach nicht zum Interview gegangen wären, hätten Sie später nicht im Halbfinale der Europa League gestanden.
Ja, da ist etwas dran. Wenn wir in Gladbach gewonnen hätten, wäre ich jetzt auch nicht hier in Frankfurt.
Ihr Satz „Ich kann nichts Positives über den Trainer (Manuel Baum, d. Red.) sagen und werde auch nichts Negatives sagen“ sorgte für Ihre Suspendierung in Augsburg.
Ich bin aus dem Interview gegangen und dachte: „Okay, ich habe meine typischen Floskeln runtergerattert.“ Mir kam gar nicht in den Sinn, dass da etwas Anstößiges dabei gewesen sein sollte. Aber im Bus auf der Rückfahrt ging der Satz schon rum, und nach der Ankunft hat mir der Trainer dazu einige härtere Worte an den Kopf geworfen. Erst in diesem Moment habe ich realisiert, welche hohen Wellen dieser Satz schlagen würde. Zwei Tage später wurde ich suspendiert. Das hat mich schon extrem überrascht.
Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen?
Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich befreit. Ich konnte damals meinen Job nicht so ausführen, wie es mir vorschwebte, weil ich daran gehindert wurde. Ich habe mich abends immer gefragt: „Warum kann ich nicht besser Fußball spielen?“ Das war purer Frust, in den ich mich immer weiter hineingesteigert habe. Ich war im Kopf kaputt. Als ich die Nachricht der Suspendierung erhielt, fiel alles von mir ab. Es ging mir plötzlich wieder gut.
Können Sie diese Zwänge erläutern?
Vorweg: Jeder Trainer hat seine eigenen Vorstellungen und Systeme, das ist sein gutes Recht und überhaupt nichts Negatives. Ich habe aber zu dieser Zeit auf dem Platz gegen meine Instinkte spielen müssen. Ich passe normalerweise nach vorne in die Tiefe – das war nicht erlaubt. Stattdessen sollte ich hohe Bälle spielen. In Augsburg setzten wir zudem auf mannorientierte Verteidigung, mir liegt die raumorientierte besser.
Sie sprachen davon, nach der Suspendierung Ihre Profikarriere abgehakt zu haben.
Ich habe mit allem gerechnet, nur nicht mit Frankfurt. Es gab noch die Möglichkeit, zu einem Abstiegskandidaten in Italien zu wechseln. Diese Leihe lehnte Augsburg aber ab. Von diesem Moment an hatte ich mich darauf eingestellt, wieder bei meinem Heimatverein zu kicken – sprich drittunterste Liga in Österreich. Zumindest hätte ich ein halbes Jahr Individualtraining absolvieren müssen, um überhaupt wieder eine Chance als Profi zu bekommen.
Sie landeten in Frankfurt. Statt Abstiegskampf tourten Sie durch Europa. Und alles wegen eines Interviews …
Ein Zufall, ja, aber eigentlich ist doch die gesamte Karriere von Zufällen geprägt, schon vor meinem Profidebüt 2010 mit Salzburg gegen Juventus Turin, meinem Traumverein als Jugendlicher. Mein Kollege Andreas Ulmer ist ausgefallen, sonst hätte ich nie gespielt. Man kann auch sagen: Ohne Huub Stevens wäre ich heute nicht hier. Ich war seinerzeit der einzige junge Spieler in der Truppe. Er hat mir trotzdem das Vertrauen geschenkt und mir vor der Partie gesagt: „Du machst heute keinen Fehler, wenn überhaupt mache ich die Fehler.“ Das hat mein Denken komplett verändert und mich erst in die Lage versetzt, auf einem Topniveau zu spielen.
Brauchen Sie für Ihr Spiel ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Trainer?
Ja, ich bin da sensibel. Wenn die Chemie zwischen dem Trainer und mir passt, kann ich mehr aus mir rausholen. So war es bei Huub Stevens und einigen anderen Trainern in Salzburg – und so ist es auch bei Adi Hütter in Frankfurt.