Marius Wolf, wir würden gerne mit einer Fang­frage beginnen.
Na dann mal los.

Für einen Fuß­ball-Profi von 24 Jahren hatten sie schon viele Kar­rie­re­sta­tionen. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Frank­furt war das High­light mit dem Pokal­sieg gegen die Bayern, ganz klar. Das wird für mich immer etwas ganz Beson­deres bleiben, nicht nur, weil es bis jetzt mein ein­ziger Titel ist. Aber auch bei 1860 Mün­chen, wo ich groß geworden bin, habe ich mich wohl gefühlt. In Dort­mund zu spielen war auch toll, im Sta­dion meines Lieb­lings­ver­eins. Ich habe an alle Sta­tionen schöne Erin­ne­rungen.

Ver­binden Sie auch etwas Posi­tives mit Berlin?
Natür­lich. Alle zwei Wochen im Olym­pia­sta­dion spielen zu dürfen, wo wir damals mit der Ein­tracht den Pokal gewonnen haben, ist ein­fach klasse. Ich finde, das Sta­dion hat ein beson­deres Flair. Hier auf­zu­laufen, kit­zelt immer ein paar Pro­zent mehr heraus.

Sport­lich lief es weniger gut, als Hertha BSC Sie von Borussia Dort­mund aus­ge­liehen hat: Die Mann­schaft war mit einem Punkt aus vier Spielen in die Saison gestartet. Wie haben Sie Ihre ersten Tage und Wochen in Berlin erlebt?
Für mich war trotzdem klar, dass eine Rie­sen­qua­lität in der Mann­schaft steckt, auch wenn die ersten Spiele nicht so ver­laufen waren, wie man sich das vor­ge­stellt hatte. Die Ansätze waren zu sehen, man konnte erkennen, was die Idee ist. Nur die Ergeb­nisse haben noch nicht gestimmt. Mein Ein­druck war: Hier wächst etwas zusammen, aber das braucht natür­lich Zeit.

Wie wichtig war es für das Betriebs­klima, dass Hertha zuletzt drei Siege in Folge gelungen sind?
Grund­sätz­lich hat uns die Län­der­spiel­pause im Sep­tember geholfen, da konnten wir nochmal nach­jus­tieren. Und auch für mich per­sön­lich waren diese zwei Wochen wichtig, weil ich alle ken­nen­lernen konnte und dadurch eine ange­nehme Ein­ge­wöh­nungs­zeit hatte, ohne einen Tag später direkt ins Spiel gehen zu müssen. Ich konnte mich also auch mit dem Drum­herum beschäf­tigen, ein biss­chen von der Stadt sehen und lernen, wie die Leute hier ticken. Das hat mir den Wechsel leicht gemacht.

Wie sehen Sie Berlin denn jetzt?
Ich finde, die Stadt ist ziem­lich cool. Es gibt sehr viele offene, freund­liche Leute hier, die auf dich zukommen, dich anquat­schen. Aber nicht im nega­tiven Sinne, im Gegen­teil.

Oft wird den Ber­li­nern eine gewisse Rot­zig­keit nach­ge­sagt, mit der man als Außen­ste­hender erst einmal zurecht­kommen muss.
Damit habe ich kein Pro­blem. In meinem Beruf bin ich mit vielen Jungs unter­wegs und schon an viele Men­schen geraten, die sehr unter­schied­lich sind. Damit weiß ich mitt­ler­weile umzu­gehen.

Das Ziel, Fuß­ball­profi zu werden, ist immer auch mit einem gewissen Risiko ver­bunden. Als junger Spieler haben Sie zum Bei­spiel eine Aus­bil­dung zum Bank­kauf­mann abge­bro­chen.
Wenn du mit 13, 14, 15 bei einem Bun­des­li­ga­verein spielst, weißt du nicht, ob du Profi wirst. Wie viele Jungs, die damals mit­ge­spielt haben, sind keine Profis geworden? Wenn es dann in die B- oder A‑Jugend geht, merkst du schon, ob es rei­chen kann oder nicht. Ich habe in Mün­chen A‑Jugend gespielt und nebenbei eine Aus­bil­dung gemacht. Die habe ich dann abge­bro­chen, weil ich gesagt habe: Ich bin so nah dran, ich will mich jetzt zwei Jahre ein­hun­dert Pro­zent auf Fuß­ball fokus­sieren. Selbst wenn ich den Sprung damals nicht geschafft hätte, dann wäre ich 19 Jahre jung gewesen und hätte die Aus­bil­dung immer noch beenden können. Meine Eltern haben mich immer voll unter­stützt.

Kommen Sie aus einer Sport­ler­fa­milie?
Es gibt in meiner Familie jetzt nicht den großen Fuß­baller, aber Sport war schon immer wichtig, auch das Ski­fahren. Wir waren früher zwei, drei Mal im Jahr mit meinen Eltern und meinem Opa im Win­ter­ur­laub. Ich würde schon sagen, dass wir eine sport­liche Familie sind.

Ski­fahren wird in Berlin eher schwierig.
Stimmt. Ski­fahren ist aber auch gene­rell immer schwer als Fuß­ball­profi, weil so viel pas­sieren kann und eben die Ver­let­zungs­ge­fahr hoch ist. Man muss nicht einmal selbst dran schuld sein. Es reicht ja, wenn dir einer rein­fährt. Das ist leider zu viel Risiko. Aber klar, das Ski­fahren ver­misse ich schon ein biss­chen.

Hertha BSC ist bereits ihre fünfte Sta­tion als Profi. Wie beur­teilen Sie Ihren Wer­de­gang?
Beim 1. FC Nürn­berg habe ich meine Jugend ver­bracht. Da war ich im Internat und wusste noch nicht, ob ich es später mal zum Profi bringe. Das Ziel hatte ich aber sehr früh. Als ich vom Angebot von 1860 gehört habe, wollte ich das unbe­dingt machen, weil ich bei Sechzig damals gesehen habe, dass sehr viele junge Talente ihre Chance bekommen haben, das ist heut­zu­tage auch nicht immer so gegeben. In Mün­chen bei den Löwen war das schon immer so. Das war der Grund für mich, dort hin­zu­gehen. Und es hat sich bezahlt gemacht, in Mün­chen bin ich sozu­sagen erwachsen geworden.

Dann ging es für Sie weiter zu Han­nover 96.
Das war keine ein­fache Zeit, aber auch die Zeit, in der ich mit am meisten gelernt habe. Im Leben eines Fuß­bal­lers geht es nicht nur nach oben, son­dern auch hin und wieder mal runter. Aber es kann dann auch ganz schnell wieder nach oben gehen, man darf ein­fach nicht auf­geben. Das ist ein­fach so im Fuß­ball. Dass ich dann in Frank­furt eine neue Chance bekommen habe, war auch ein biss­chen Glück. Aber eben auch nicht nur Glück: Man darf den Glauben und das Ver­trauen in die eigene Leis­tungs­fä­hig­keit nie auf­geben.

In Frank­furt hatten Sie eine sehr spe­zi­elle Bezie­hung zu Kevin-Prince Boateng, einem Mann mit Ber­liner Vor­ge­schichte also. Haben Sie sich bei ihm über Hertha schlau gemacht?
Ich habe mit vielen Leuten gespro­chen, unter anderem mit Pascal Köpke und Kevin-Prince. Dar­über, wie das Umfeld ist, wie die Stadt ist. Von keinem war etwas Schlechtes zu hören, son­dern nur posi­tive Sachen. Für mich war aber der ent­schei­dende Punkt, dass ich gesagt habe: Ich möchte in einer Mann­schaft spielen, die Fuß­ball spielen will. In Berlin war das für mich gegeben, da habe ich meine Chance gesehen.

In Dort­mund waren Sie zuvor selten bis gar nicht zum Ein­satz gekommen.
Ich habe mich beim BVB in der Vor­be­rei­tung voll rein­ge­hauen, habe alles gegeben und auch über­zeugt, denke ich. Dass ich am Ende nicht gespielt habe, war nicht meine Ent­schei­dung.