Gustaf Norén, Samuel Giers, wir freuen uns auf das Gespräch mit Euch. Nor­ma­ler­weise spre­chen wir nur mit Per­sonen, die wirk­lich etwas mit Fuß­ball zu tun haben.

Gustaf Norén: Ach ja? Wir kennen uns aber gut aus mit Fuß­ball. Ich glaube, das wird sehr inter­es­sant.



Es ist zu lesen, Ihr seid vor ein paar Jahren einmal bei einem Spiel von St. Pauli gewesen?

Gustaf Norén: Es war eine Partie gegen eine ost­deut­sche Mann­schaft. »Kietz« oder so ähn­lich. (über­legt) Kietz­nitz? Gibt es diesen Verein?

Chem­nitz?

Gustaf Norén: Ja, Chem­nitz! (lacht) St. Pauli gewann das Spiel mit 3:1. Wir waren sehr betrunken – und nach dem Spiel gab es rüde Aus­schrei­tungen.

Ihr habt euch geprü­gelt?

Samuel Giers: Nein. (lacht) Wir sind nur vor dem Mob geflüchtet.

Gustaf Norén: Wäh­rend des Spiels gab es Unter­bre­chungen, weil die Fans von Chem­nitz Feu­er­werks­körper auf das Spiel­feld schmissen. Nach dem Spiel waren wir noch bei einer Bank – und plötz­lich lief dieser tobende Mob an uns vorbei.

Warum wolltet Ihr unbe­dingt ein Spiel von St. Pauli sehen und nicht etwa eins von Bayern Mün­chen?

Samuel Giers: Ich stehe auf diese Under­dogs. Ich würde immer wieder zu St. Pauli gehen.

Gustaf Norén: Aber vom fuß­bal­le­ri­schen her… Ich meine, stell dir vor, du bist Fan von Arsenal und siehst dann ein Spiel von St. Pauli. Das würde dir auch nicht gefallen, oder?

Samuel Giers: Wir beide sind Fan von Brage Bor­lange, an schlechten Fuß­ball haben wir uns doch lange gewöhnt.

Gustaf Norén: Ja, das stimmt. Ich mag diesen rauen Fuß­ball ja auch, es ist immer bit­ter­kalt, jedes Wochen­ende null zu null. Ein­fach fan­tas­tisch! (lacht)

IK Brage Bor­lange ist so etwas wie der FC St. Pauli von Schweden?

Gustaf Norén: Nein, ich denke, die beiden Ver­eine kann man nicht so ein­fach mit­ein­ander ver­glei­chen. Brage ist ein Arbei­ter­verein, es werden Frei­karten in den Stahl­werken ver­teilt. Die Arbeiter sitzen dann auf der Tri­büne, mit ihren Hüten und Tabak­pfeifen, setzen Geld auf die Spiele und kra­keelen 90 Minuten lang – ohne viel Humor.

Großen Fuß­ball hat es in Brage nie gegeben?

Gustaf Norén: Brage Bor­lange hat auch mal in der 1. Liga gespielt, sie haben im Uefa-Cup sogar einmal Inter Mai­land besiegt. Ich erin­nere mich noch an dieses Spiel, ich muss acht Jahre alt gewesen sein. In Mai­land spielten sie 1:1, zuhause reichte dann ein 0:0. Unser Tor­wart hielt in der letzten Minute sogar noch einen Elf­meter.

War diese Euro­pa­po­kal­schlacht der Aus­löser für Euer Inter­esse am Fuß­ball?

Gustaf Norén: Das war für mich natür­lich eines der größten Spiele, aber ich war vor diesem schon oft im Sta­dion gewesen. Mein Groß­vater hatte eine Dau­er­karte und nahm mich sonn­tags immer mit zum Fuß­ball. Mit der Zeit wurde Brage schlechter und schlechter. In der letzten Saison ret­teten sie sich mit nur einem Punkt Vor­sprung vor dem Abstieg.

Wie viele Zuschauer kommen heute noch zu den Spielen in Brage?

Gustaf Norén: In das Sta­dion würden bestimmt 8000 Men­schen passen, zu den Spielen kommen aber höchs­tens 1500 Zuschauer. Zuletzt saß ich da mit 250 anderen, es steht wirk­lich nicht gut um den Klub.

Könnt Ihr denn heut­zu­tage in Bor­lange ent­spannt zum Fuß­ball­spiel gehen? Das Inter­esse an Mando Diao wird doch sicher­lich größer sein als die Grot­ten­kicks auf dem Rasen?

Gustaf Norén:
Ent­spannt ist anders. In Bor­lange denkt jeder, wir seien Mil­lio­näre und wohnen in einem Schloss. (lacht

Was ist Euch lieber: Ein lang­wei­liger 1:0‑Sieg oder ein hoch­dra­ma­ti­sches 4:4?

Gustaf Norén: Brage braucht jeden Punkt, also ist mir jeder lang­wei­lige Sieg recht. (lacht)

Samuel Giers: Es gibt auch dra­ma­ti­sche 1:0‑Siege, wenn ich mich nur an die letzte Welt­meis­ter­schaft erin­nere. Ich wäre beim Spiel Para­guay gegen Schweden bei­nahe gestorben. Da sitzt du in diesem tollen Sta­dion mit all den Schweden – und nichts pas­siert. Und plötz­lich fällt dann doch noch dieses Tor. Wahn­sinn! Es war eines der größten Erleb­nisse, an das ich mich beim Fuß­ball erin­nere.

Gustaf Norén: Das Spiel, an das ich mich am ein­drück­lichsten erin­nere, ist das letzte Län­der­spiel von Tomas Brolin. Er schlug eine bril­lante Flanke auf Martin Dahlin, der den Ball mit dem Kopf ins Tor wuch­tete. Die Spieler jubelten und stürzten sich auf den Tor­schützen, nur Brolin lag an der Außen­linie und schrie vor Schmerzen, er hatte sich bei der Flanke seinen Knö­chel gebro­chen. Es war seine letzte Aktion, dieser Pass, genau auf Dah­lins Kopf. Er kam nach dieser Ver­let­zung nie wieder zurück.

Tomas Brolin hat nun ein Restau­rant in Schweden.

Gustaf Norén: Kurze Zeit war er auch einmal Staub­sauger­ver­treter. (lacht) Seitdem er jetzt das Restau­rant hat, ist er sehr, sehr dick geworden.

Aber trinken tut er nicht?

Gustaf Norén: Nein, er stand aber schon einmal mit einem Bein im Gefängnis, als er Pro­bleme mit dem Finanzamt hatte.

Ist Brolin so etwas wie der George Best von Schweden?

Samuel Giers: Nein, nein, nein. (lacht) Du kannst Eng­länder nie­mals mit Schweden ver­glei­chen. Schweden sind so freund­lich. (schmun­zelt) Bei uns nimmt nie­mand Drogen.

Gustaf Norén: Aber gibt es so einen Typen wie George Best nicht auch in Schweden, Samuel? (über­legt) Zlatan Ibra­hi­movic trinkt nicht einen Tropfen Alkohol.

Die Leute in Schweden lieben Ibra­hi­movic?

Samuel Giers: Oder sie hassen ihn. (lacht)

Gustaf Norén: Er ist eine Figur wie Mara­dona. Die Kinder lieben Zlatan, die Tra­di­tio­na­listen stehen viel­leicht eher auf die schwe­di­schen Ver­tei­diger, die richtig zur Sache gehen. Mour­inho sagte einmal über Zlatan, er könne nicht nur die schönen Tore schießen, er müsse auch die häss­li­chen machen. 

Samuel Giers: Er will alles schön machen, das ist genau sein Pro­blem. In der Natio­nal­mann­schaft hat er nicht diese Welt­klasse-Spieler um sich wie bei Inter, da geht es nicht nur schön.

Die Eltern von Ibra­hi­movic stammen aus Bos­nien und Her­ze­go­wina. Gab es in Schweden jemals Dis­kus­sionen dar­über, dass er kein »rich­tiger Schwede« sei – so wie es sie in Deutsch­land um die Her­kunft von Lukas Podolski gab?

Gustaf Norén: Jeder zehnte Kom­mentar unter Ibra­hi­mo­vics Toren bei You­tube ist: »He is not really swe­dish.«

Samuel Giers: Das ist wirk­lich dumm von den Leuten. Er wurde in Schweden geboren, also ist er auch schwe­disch. Es gibt doch ganz klare Vor­schriften und Gesetze.

Gustaf Norén: Die Leute haben Angst vor ihm. Die größte schwe­di­sche Tages­zei­tung schal­tete einmal eine rie­sen­große Kon­takt­an­zeige, von wegen Zlatan suche eine Bezie­hung. Seitdem lehnt er alle Anfragen dieser Zei­tung ab, in Press­kon­fe­renzen igno­riert er die Redak­teure dieses Blattes kon­se­quent.

Könntet Ihr Euch vor­stellen, mit Zlatan Ibra­hi­movic abends in eine Bar zu gehen?

Gustaf Norén: Zlatan trinkt nicht einen Schluck Alkohol. Ich habe gehört, Henrik Larsson sei ein rich­tiger Par­ty­löwe, also würde ich natür­lich mit dem gehen! (lacht)

Wisst Ihr von Spie­lern, die Eure Musik hören?

Gustaf Norén: Der ein­zige beken­nende Fan ist – und das ist sehr cool – Hans Backe, der Co-Trainer von Sven-Göran Erkisson.

Samuel Giers: Als die beiden bei Man­chester City anfingen, gab es ein großes Inter­view mit Hans Backe in einer Lon­doner Zei­tung. Er sagte in dem Gespräch, er sei ein großer Ver­ehrer unserer Musik…

Gustaf Norén: …und dass er ver­su­chen würde, die ganze Mann­schaft mit unserer Musik anzu­freunden. (lacht) Für mich war das eine große Sache!

Was findet ihr schlimmer: Eine Musik­band, die über Fuß­ball singt, oder Fuß­ball­spieler, die singen?

Gustaf Norén: (lacht) Ein Fuß­ball­spieler, der singt, ist wahr­schein­lich immer schlimm. Ich würde gerne mal sehen, wie manch Musiker Fuß­ball spielt. Das ist viel­leicht auch ganz witzig. Aber Songs über Fuß­ball gibt es auch nicht viele, die mir gefallen. Ich glaube, Manu Chao hat ein paar Lieder zu dem neuen Mara­dona-Film bei­gesteuert, die würden mir wahr­schein­lich gefallen.

Habt ihr schon ver­sucht, einen Fuß­ball­song zu schreiben?

Samuel Giers: Ja, natür­lich, zu jeder Welt­meis­ter­schaft haben wir das ver­sucht.

Gustaf Norén: Irgendwie ist es komisch, wir sind Musiker und singen über alles, was wir machen: essen, trinken, ficken – nur nicht über Fuß­ball. Das ist doch ver­rückt. Ich habe in meinem Leben mehr Zeit mit Fuß­ball­spielen ver­bracht als mit den anderen Dingen zusammen. Also warum singe ich nicht über Fuß­ball?

Was mögt Ihr lieber: den Fuß­ball­platz oder die Bühne?

Gustaf Norén: Den Fuß­ball­platz! Ich mag Fuß­ball lieber als Musik!

Ihr würdet ein Fuß­ball­spiel einem Mando Diao-Kon­zert vor­ziehen?

Gustaf Norén: Nein! (lacht) Ich selbst stehe dann doch lieber auf der Bühne als auf dem Platz. Aber dem Kon­zert einer anderen Band würde ich ein Fuß­ball­spiel immer vor­ziehen.

Wäre Mando Diao eine aktu­elle Fuß­ball­mann­schaft, welche wärt Ihr?

Gustaf Norén:
Das ist eine gute Frage! (über­legt) Ich glaube, es wäre in diesem Moment Man­chester City. Sie spielen nicht über­ra­gend, aber du merkst, dass in der Mann­schaft gerade irgend­etwas pas­siert. Ich habe einige Spiele gesehen, und ich muss sagen… (über­legt) Sie haben zwar meis­tens ver­loren, aber teil­weise einen so guten Fuß­ball gespielt, das war schier unglaub­lich. Ich denke, Mando Diao hat ein ähn­li­ches Poten­zial wie diese Mann­schaft.

Wel­ches Team würde Roxette sein?

Gustaf Norén und Samuel Giers: (lachen)

Das war eine dumme Frage.

Gustaf Norén: Nein, nein, gar nicht. (lacht) Ich denke, Roxette wäre Bayern Mün­chen. Ich habe gehört, Jürgen Klins­mann hat Buddha-Figuren auf­ge­stellt, um den rich­tigen Vibe zu finden. Auf diesen Yoga-Bull­shit hat Roxette auch immer gestanden.

Ihr mögt Eure schwe­di­schen Kol­legen nicht beson­ders?

Gustaf Norén: Die ein­zigen schwe­di­schen Musiker, die ich mag, sind die beiden Mäd­chen von Abba, Agnetha und Anni-Frid. Habt ihr mal Bilder gesehen? Die beiden waren wirk­lich heiß.