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Mit­ar­beit: Maja Bran­kovic und Carlo Gress


Bruno Akra­povic, wenn Sie an ihre Kind­heit denken, was kommt Ihnen da als erstes in den Sinn?

Der Tod meiner kleinen Schwester. Sie hatte Krebs, einen Tumor im Kopf. Sie wurde nur neun Jahre alt. Das hat mich schon sehr mit­ge­nommen. Abge­sehen davon hatte ich aller­dings eine sehr schöne Kind­heit.

Wann wussten Sie, dass Sie echte Chancen hatten, mit Fuß­ball Ihr Geld zu ver­dienen?
Mit meinem Jugend­verein Celik Zenica war ich Anfang der Acht­ziger bei einem Tur­nier, leider schieden wir früh aus. In der Kabine nahm uns der Coach zur Brust: Ihr wart alle faul! Nur einer hat heute richtig malocht.“ Er zeigte auf mich. Da wusste ich, dass ich es packen konnte.

Mit 20 Jahren ver­ließen Sie Ihr Hei­mat­land und gingen nach Deutsch­land. Warum?
Es gab damals einige Kon­flikte zwi­schen mir und meinem Verein, als ich mich wei­gerte, einen Kne­bel­ver­trag zu unter­zeichnen. Irgend­wann rief ich meinen Schwager an, der zusammen mit meiner Schwester in Han­nover lebte. Er lud mich zu sich ein. Am 8. August 1988 saß ich das erste Mal in meinem Leben in einem Flieger und kam nach Deutsch­land. Die Zahl 8“ ist mir seitdem heilig, ich habe sie stets als Rücken­nummer getragen. In Han­nover lernte ich schließ­lich bald Franjo Vran­j­kovic kennen, der gut im regio­nalen Fuß­ball ver­netzt war. Er nahm mich mit zum Trai­ning von Arminia Han­nover und sagte: Den Bur­schen hier solltet hier mal mit­spielen lassen.“ Sie behielten mich tat­säch­lich da.

War der Wechsel von Jugo­sla­wien nach Deutsch­land eine große Umstel­lung?
Sagen wir es mal so: Ich bin weich gefallen (lacht). Meine Schwester und ihr Schwager haben mir die Ein­ge­wöh­nung leicht gemacht. Deutsch brachte ich mir selbst bei, indem ich zusammen mit meiner Nichte die Grund­schul-Haus­auf­gaben machte.

Sie blieben bis 1990 in Han­nover. Wie ging es dann weiter?
Ich wech­selte zu Göt­tingen 05, zeigte richtig starke Leis­tungen und stieg bei­nahe in die 2. Bun­des­liga auf. Viele Ver­eine standen Schlange, also ver­ab­schie­dete ich mich von den Göt­tin­gern. Ein Fehler. Denn plötz­lich war mein dama­liger Manager auf und davon, er mel­dete sich nie wieder bei mir. Die inter­es­sierten Klubs hatten aller­dings nur zu ihm Kon­takt gehabt, nicht zu mir. Bald sprangen alle ab und ich stand ohne Verein da. Bis ich auf einer Auto­bahn-Tank­stelle einen alten Bekannten traf, dem ich meine Situa­tion erklärte. Er sagte: Ich kenne den Manager von TuS Celle, die könnten einen wie dich bestimmt gut gebrau­chen.“ Celle spielte damals noch in der Regio­nal­liga, Manager war Franz Gerber, Jürgen Rynio sein Trainer. Kurze Zeit später stand ich bei TuS unter Ver­trag.

Sie spielten von 1991 bis 1992 in Celle und wech­selte dann zum VfL Wolfs­burg. 1991 begann der Krieg in Jugo­sla­wien. Konnten Sie sich da über­haupt auf Fuß­ball kon­zen­trieren?
Es begann eine furcht­bare Zeit. Der Sport wurde tat­säch­lich zur Neben­sache. Aller­dings brauchte ich das Geld, um meine Familie zu unter­stützen. Neben meiner Schwester und meinem Schwager war ich der Ein­zige, der Geld ver­diente. In den fol­genden Jahren steckten wir regel­mäßig Bus­fah­rern, die sich noch in unsere Heimat wagten, Umschläge mit Geld zu. Dann starb mein Vater 1992 an Krebs. Mein erster Reflex war: Du musst nach Hause, deinen Papa beer­digen. Aber ich konnte nicht.

Warum?
Meine Familie legte die Karten auf den Tisch: Bruno, du kannst es natür­lich ver­su­chen, viel­leicht schaffst du es sogar bis zu uns. Aber bist du einmal hier, wirst du nicht wieder lebend raus­kommen.“ Ich blieb in Deutsch­land. Viel­leicht die schwerste Ent­schei­dung meines Lebens.

Wie sehr hat der Krieg in der Heimat Ihr Leben in Deutsch­land beein­flusst?
Der war jeden Tag prä­sent. Schließ­lich war meine Familie ja mit­ten­drin! Zu Beginn ver­suchte ich noch, mir Zei­tungen aus den Kriegs­ge­bieten zu besorgen und mit meinen kroa­ti­schen, bos­ni­schen und ser­bi­schen Freunden in Deutsch­land über den Kon­flikt zu dis­ku­tieren. Ich merkte bald, dass das nicht viel half. Also beschränkte ich mich auf deut­sche Zei­tungen und saß abends vor Fern­seher und war­tete auf die Tages­schau“. Eine Zeit­lang waren das die ein­zigen Infor­ma­ti­ons­quellen, die mir zur Ver­fü­gung standen. Als die Lage immer mehr eska­lierte, konnte ich mona­te­lang meine Familie nicht errei­chen. Es war der Horror. Bis dann irgend­wann doch mal die Ver­bin­dung stand und ich fragen konnte: Geht es allen gut?“ Gottlob war das auch der Fall.

Eine Rück­kehr in die Heimat war aus­ge­schlossen?
Damit hätte mich in akute Lebens­ge­fahr begeben, und das wäre nicht nur dumm, son­dern auch ver­ant­wor­tungslos gegen­über meiner Familie gewesen. Viel­mehr ver­suchte ich, meine Ange­hö­rigen nach und nach da raus zu holen. Zunächst kam mein Bruder, der schließ­lich nach Aus­tra­lien zog, später dann, wäh­rend meiner Zeit beim FSV Mainz (1994 – 1997, d. Red.), holte ich Bruder Nummer zwei zu mir. Letzten Endes gelang es uns auch, meine Mutter mit meinem jüngsten Bruder raus­zu­holen.