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Jan-Philipp Kalla, der FC St. Pauli hat die letzten drei Spiele gewonnen und muss am letzten Spieltag aus­ge­rechnet in Darm­stadt antreten. Ist Fuß­ball ein undank­bares Geschäft?
Nein, es gibt ja noch 17 andere Mann­schaften in unserer Liga, und unsere Kon­kur­renten haben in den ver­gan­genen Wochen auch ordent­lich gepunktet – und sich das auch ver­dient. Daher ist das nicht unge­recht, son­dern es bedeutet, dass wir noch einmal die Chance haben, alles raus­zu­hauen.
 
Kein Zäh­ne­knir­schen, als Sie von den anderen Ergeb­nissen hörten?
Das ist halt so. Vor dem Kai­sers­lau­tern-Spiel am vor­letzten Spieltag haben wir natür­lich die Ergeb­nisse der Kon­kur­renten am Freitag gesehen und mussten am Samstag nach­legen. Ich glaube, es waren eher die anderen Mann­schaften, die zäh­ne­knir­schend dage­sessen haben, weil die dachten, dass sie schon längst an uns vorbei gezogen sind. Wir haben uns bis­lang noch nicht groß über die anderen Ergeb­nisse geär­gert, son­dern waren froh und stolz, wie wir die ver­gan­genen Wochen auf­ge­treten sind.
 
Ergreift ein Trai­ner­fuchs wie Ewald Lienen jetzt vor dem Sai­son­fi­nale beson­dere psy­cho­lo­gi­sche Tricks?
Die Video-Ana­lysen dauern nicht länger als gewohnt. Aber man merkt schon, dass er über sehr, sehr viel Erfah­rung ver­fügt. Wenn er tat­säch­lich in den letzten Tagen und Wochen etwas ver­än­dert hat, dann hat er das sehr schlau gemacht, denn mir ist nichts Außer­ge­wöhn­li­ches auf­ge­fallen. Wir trai­nieren ganz normal, haben gere­gelte Abläufe – und das ist auch ganz gut so.
 
Huub Ste­vens hat in der ver­gan­genen Woche mit seiner Ihr seid Affen“-Kritik bei den Spie­lern beson­dere Kräfte frei­ge­legt. Das Team gewann gegen den HSV mit 2:1.
So etwas gab es unter Ewald Lienen noch nicht. Aber wenn sich daraus eine schöne Geschichte für euch Jour­na­listen ergibt, dann kann er das von mir aus gerne machen.
 
Ihr ehe­ma­liger Mit­spieler Daniel Ginzcek, der jetzt beim VfB ist, sagte, so etwas hätte er noch nie erlebt. Gab es einen Moment in Ihrer Kar­riere, wo Sie der Trainer sprachlos gemacht hat?
Ich hatte auch schon mal den einen oder anderen, der mal so etwas Ähn­li­ches gesagt hat, aber eigent­lich war das stets eher aus dem Spaß heraus gemeint. Auf dem Fuß­ball­platz darf man so etwas auch schon mal raus­hauen, um die Spieler zu kit­zeln. Und oft ist es gar nicht so ein­fach, einen Spieler richtig zu packen. Am Anfang ist man viel­leicht etwas per­plex und denkt, man hört nicht richtig, aber mit etwas Abstand kann man schon ein­ordnen, was der Trainer da von einem wollte. Und kann viel­leicht auch dar­über schmun­zeln.
 
Sie haben in Ihrer Jugend auch beim HSV gespielt, der am Wochen­ende eben­falls um die Exis­tenz kämpft. Fie­bern Sie noch mit dem Lokal­ri­valen mit?
Als gebür­tiger Ham­burger wün­sche ich mir natür­lich, dass die Stadt auch einen Erst­li­gisten hat. Von daher kann man schon sagen, dass ein biss­chen Rest-von-was-auch-immer noch da ist. Kein Rest­ge­fühl, auch keine übrig­ge­blie­bene Lei­den­schaft. Ham­burg sollte aber ein­fach einen Klub in Liga Eins haben.
 
Würden Sie sich nicht über ein Derby in der kom­menden Saison freuen?
Das letzte Derby haben wir ja gewonnen. Davor ist es wie lange nicht pas­siert? 30 Jahre? Das kann also gerne noch mal 30 Jahre dauern, bis der HSV gegen uns gewinnt.
 
Sie haben sich unlängst dazu bereit erklärt, dass Sie auch bei einem Abstieg in der 3. Liga bleiben würden. Warum?
Der Verein über­zeugt mich ein­fach. Ham­burg ist meine Hei­mat­stadt, ich habe hier meine Familie, Freunde und mein gewohntes Umfeld. Seit zwölf Jahren spiele ich hier. So einen Verein ver­lässt man nicht ein­fach so.
 
Sie sind 28 Jahre alt. Können Sie sich über­haupt vor­stellen, bei einem anderen Klub zu spielen?
Klar, man muss sich immer damit aus­ein­an­der­setzen, was pas­siert, wenn der Verein keine Gespräche für eine Ver­trags­ver­län­ge­rung anbietet. Zu ernst­haften Gedanken, geschweige denn anderen Ange­boten ist es aber nie gekommen. Ich habe jetzt einen Drei­jah­res­ver­trag unter­schrieben. Wenn der aus­läuft, bin ich fast 32. Ich weiß nicht, ob man dann unbe­dingt noch einmal den Verein wech­seln muss.
 
Und wenn ein Erst­li­gist mal anklopft?
Dann würde ich mich bestimmt dar­über freuen, aber so ein­fach könnte ich den FC St. Pauli nicht mehr ver­lassen. Allen Erst­li­gisten muss ich hiermit leider eine Abfuhr erteilen!
 
Sie spielen seit 2003 im Verein – was hat sich seitdem ver­än­dert?
Das St. Pauli-Fee­ling ist immer noch das­selbe. Es ist natür­lich so, dass der Verein wächst und sich dadurch was ändert. Wenn ich an den Brum­mers­kamp denke, wo ich ange­fangen habe zu trai­nieren, da stehen mitt­ler­weile auch ein paar mehr Gebäude und Con­tainer als noch 2003. Die Anlage an der Koll­au­straße war eine marode Hütte, jetzt haben wir hier ein modernes Trai­nings­ge­lände. Ab nächster Saison bin ich der ein­zige St. Pauli-Spieler, der sowohl im alten, als auch im neuen Sta­dion gespielt hat. Wir haben jetzt mehr Plätze im Sta­dion, einige dar­unter sind teurer geworden, dadurch ver­än­dert sich auch die Stim­mung bei den Spielen. Es gibt mitt­ler­weile auch mehr Leute im Verein, die mit­reden wollen, aber das bringt den Klub nicht aus der Bahn. Kurzum: Das alte Gefühl bleibt, nur drum herum ver­än­dert sich ein biss­chen was.
 
Ver­missen Sie etwas?
Ich fände es eigent­lich ganz cool, wenn man immer noch durchs Klub­heim in die Kabinen gehen würde. Das ist heut­zu­tage im Pro­fi­fuß­ball wohl leider nicht mehr rea­li­sierbar.