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Hans Meyer, vor vier Jahren haben Sie Bun­des­trainer Joa­chim Löw als her­vor­ra­genden Trainer“ bezeichnet und in höchsten Tönen gelobt. Haben sie immer an den Erfolg dieses Natio­nal­trai­ners geglaubt?
Das ist gar nicht meine Art. Die Medien über­treiben immer gleich. Ich habe nur meine Mei­nung gesagt und Sie wissen gar nicht, was bei mir in höchsten Tönen“ ist. Ich habe rea­lis­tisch fest­ge­stellt, dass man nicht genau sagen kann, von wem in der Ära Jürgen Klins­mann und Joa­chim Löw als Bun­des­trainer die grö­ßeren Impulse aus­ge­gangen sind. Klins­mann hat eine klare Auf­fas­sung vom Leis­tungs­fuß­ball und das muss man auch hoch anrechnen.

Aber?
Schon 2004, als die beiden das Amt über­nommen haben, wusste man nicht, wer mehr von seinen Stärken ein­bringt. Da war ich schon damals der Mei­nung, dass sich Jürgen Klins­mann nicht zufällig den Löw zur Seite genommen hat. Klins­mann hat aus tak­ti­schen Dingen schon vom Jogi pro­fi­tiert.

Der Welt­meis­ter­titel unter Bun­des­trainer Löw ist für Sie also keine Über­ra­schung?
Wenn man im Fuß­ball tief drin steckt und den deut­schen Fuß­ball ein kleines biss­chen über Jahr­zehnte beob­achtet, ist das, was jetzt pas­siert ist, die Krö­nung mit dem Welt­meis­ter­titel, kein Zufall. Wir haben in den ver­gan­genen 15 Jahren richtig etwas unter­nommen in unseren För­der­be­din­gungen im Nach­wuchs­be­reich. Dadurch haben wir eine Breite an hoch­klas­sigen Spie­lern her­vor­ge­bracht, so dass jeder Trainer, der im deut­schen Fuß­ball arbeitet, daran seine Freude hat.

Wenn Sie die zehn Jahre unter Joa­chim Löw Revue pas­sieren lassen, zu wel­chem Schluss kommen Sie?
Der Weg von Klins­mann und vor allem Löw war keine kon­ti­nu­ier­liche Linie. Ich glaube sogar, dass er es als Rück­schlag genommen hat, was bei der Euro­pa­meis­ter­schaft in Polen und der Ukraine pas­siert ist (Deutsch­land schied im Halb­fi­nale gegen Ita­lien aus, d. Red.). Das wird er schon genau ana­ly­siert haben, ohne dass er mit den Medien dar­über gespro­chen hat.

Was waren die Fehler damals?
Löw hat es immer geschafft, ein fan­tas­ti­sches Team zu schaffen. Da stimmt es immer in der Mann­schaft. Aber genau dieser Punkt hat 2012 nicht gestimmt. Der Ein­zige, der es ange­spro­chen hat, war Bas­tian Schwein­steiger Monate später.
Lucien Favre hat Chris­toph Kramer Selbst­ver­trauen mit­ge­geben – und mehr

Woran machen Sie das fest?
Das sah man an sol­chen Situa­tionen, als Mesut Özil damals dem Natio­nal­trainer bei der Aus­wechs­lung den Hand­schlag ver­wei­gert hatte. Das haben die Medien nicht ver­nünftig kom­men­tiert. Dieser junge Mann, der froh sein kann, auf der Son­nen­seite des Lebens zu stehen, ver­wei­gert dem Trainer die Hand. 2010 sind dieser Özil und Toni Kross nicht einmal nach einem Ball­ver­lust stehen geblieben, zwei Jahre später kam das rei­hen­weise vor.

Aber kurio­ser­weise haben diese Spieler jetzt den Titel geholt.
Das ist doch unab­hängig von­ein­ander. Ich habe doch nur gesagt, dass es damals im Team nicht gepasst hat.

Und das hat Löw wie­derum zwei Jahre später wieder gerade gerückt.
Dass ich 2010 genauso positiv über ihn spreche, wie heute auch, hängt damit zusammen, dass er weiß, was er will und dass er das Wich­tigste beher­zigt: Er lässt das spielen, was er an Spie­lern zur Ver­fü­gung hat. Außerdem trifft er mutige Ent­schei­dungen.

Inwie­fern?
Ich weiß nicht, wie die Medien reagiert hätten, wenn das schief gegangen wäre. Den Mut zu haben, im End­spiel den jungen Mann von uns, Chris­toph Kramer, auf­zu­stellen, obwohl noch andere, erfah­re­nere Spieler draußen auf der Bank saßen, das ist eine ganz große Sache. Da gehört Mut dazu, diese Ent­schei­dung durch­zu­setzen. Natür­lich spricht das auch für unseren jungen Mann und übri­gens auch für unseren Trainer Lucien Favre, der Chris­toph inner­halb eines Jahres so viel Selbst­ver­trauen und auch andere Dinge mit­ge­geben hat. Das ist eine Sen­sa­tion . Die Medien spre­chen so oft von Sen­sa­tione“ – DAS ist eine Sen­sa­tion, was sich bei Kramer in der Zeit getan hat.

Ist der Titel also ein Ergebnis aus Mut, Plan­bar­keit und spie­le­ri­scher Idee?
Als Klins­mann und Löw ihr erstes Län­der­spiel absol­viert haben, 2004 gegen Öster­reich in Wien, hat man gesehen, was sie vor­haben: So wollten das Fuß­ball­spiel in der Gesamt­heit aktiver angehen. Pressen und nach Ball­ver­lust stören. Damals haben sie damit begonnen und das haben sie kon­ti­nu­ier­lich durch­ge­zogen. Nicht kon­ti­nu­ier­lich, wie es draußen der Laie erwartet, weil natür­lich auch die Spieler, die zur Ver­fü­gung stehen, in unter­schied­li­cher Ver­fas­sung sind. Der Bun­des­trainer, wie übri­gens auch der Ver­eins­trainer, ist darauf ange­wiesen, mit wel­chen Spie­lern er planen kann.

Sie spre­chen von Form­tiefs und Ver­let­zungen.
Wenn ich daran denke, was für eine fan­tas­ti­sche Rolle der Schweini bei der Welt­meis­ter­schaft gespielt hat . Ich darf mal daran erin­nern, dass er bei allen grö­ßeren Tur­nieren in den letzten Jahren immer wieder mit Ver­let­zungen zu tun hatte und immer wieder Zeit brauchte, um wieder rein­zu­kommen. Das gilt bei­spiels­weise auch für Sami Khe­dira, der Weih­nachten noch mit einer Kreuz­ban­d­ope­ra­tion aus­ge­fallen ist. Vor ein paar Jahren hätte man noch gesagt: Aus, Schluss“.

Und in Bra­si­lien spielt er plötz­lich wieder – auch wenn man das Khe­dira eigent­lich nicht zuge­traut hätte.
Und wie. Wie Khe­dira über 60 Minuten gegen Bra­si­lien gespielt hat, ist sen­sa­tio­nell. Aber es spricht doch für Jogi, dass er für schwie­rige Situa­tionen die rich­tigen Lösungen findet. Nir­gends habe ich die Erklä­rung gelesen, warum Löw Philipp Lahm erst auf die Sechs gestellt hat. Wissen Sie das?
Bun­des­trainer Löw ist den Medien nicht hörig

Sagen Sie’s mir.
Sie machen ein Rie­sen­fass auf, dass Jogi Löw, dieser blinde Mann“, die Mann­schaft total durch­ein­ander wür­felt und den ein­zigen Welt­klasse-Ver­tei­diger aus der Abwehr­reihe ins Mit­tel­feld tut.

Bei Bayern Mün­chen hat er dort über­zeugt.
Das können Sie getrost ver­gessen. Das ist für Löw maximal ein Rand­aspekt. Er hat es des­halb gemacht, weil eine Fuß­ball­mann­schaft mit der Balance steht und fällt. Im defen­siven Mit­tel­feld gehen Schwein­steiger und Khe­dira ange­schlagen ins Tur­nier und sind mit einem rie­sigen Fra­ge­zei­chen ver­sehen. Wenn man mit Kroos und Özil spielt und nie­manden auf dem Platz hat, der die Rück­raum­ab­si­che­rung aus­gleicht, sind die beiden Klas­se­leute auch nur die Hälfte wert. Des­halb hat er Lahm dahin gestellt.

Um dann gegen Frank­reich doch umzu­stellen.
Als Khe­dira und Schweini ihr Leis­tungs­ma­ximum erreicht haben, hat er den Lahm zurück­be­or­dert. Ganz sicher nicht, weil die Presse ihm das geraten hat. Son­dern aus Über­zeu­gung. Das habe ich in der Form nir­gendwo gelesen.

Woran liegt das? Gibt es zu viele Ahnungs­lose im Fuß­ball­be­reich?
Nein, es ist hier und da ziem­lich gezielt eine Fehl­in­for­ma­tion. Die Vari­ante, dass der Bun­des­trainer Fehler macht, gefällt doch auch man­chen. Es gibt so viel schlei­chende und unsach­liche Kritik, da ist nicht nur Unwis­sen­heit dabei, son­dern auch Bös­wil­lig­keit. Nicht als Welt­meister. Da sind wir jetzt alle Freunde.

Sehen Sie denn da eine Ver­mi­schung des Bou­le­vards mit den soge­nannten seriösen Medien?
Das hat mit einer ein­zigen Sache zu tun. Die Gesetze des Marktes gelten auch für die seriösen Medien. Es ist bekannt, dass du spek­ta­ku­läre Nach­richten besser ver­kaufst als seriöse Sachen. Wir müssen uns aber jetzt nicht über Moral im Jour­na­lismus unter­halten.

Schade. Dann lassen Sie uns doch dar­über spre­chen, was der Welt­meis­ter­titel mit Fuß­ball-Deutsch­land idea­ler­weise macht.
Es wird eine ganze Menge Posi­tives mit unserem Land machen. Es hat bei der Anzahl von Men­schen, die immer wieder in über­heb­li­cher Art und Weise unser Deutschtum nach vorne kehren, natür­lich auch ein paar Nega­tiv­folgen haben. Aber die kannst du getrost ver­gessen, bei der großen Anzahl von posi­tiven Neben­ef­fekten, die es haben wird.

Werden Sie kon­kret.
Das fängt bei den ganz Kleinen an, die jetzt das Final-Tor von Mario Götze auf den Bolz­plätzen nach­stellen wollen . Es wird einen fan­tas­ti­schen Effekt auf die Basis haben, die mir immer viel zu kurz kommt, wenn es um die posi­tiven Aspekte des Fuß­balls geht. Dort geht es um Inte­gra­tion, Spaß, und der Sport ver­bindet. Wenn die irgend­wann mit 40 oder 50 Jahren mit dem Volks­sport auf­hören und sich an die Zeit des Fuß­balls erin­nern, sagen die meisten, es war die schönste Zeit. Das kommt nicht über die Lokal­presse hinaus.

Was denken Sie, wenn Sie die 500.000 Men­schen in Berlin auf der Fan-Meile sehen?
Ich sag mal so: Das ist etwas, was ich im Grunde genommen nie völlig ver­stehen werde. Nichts­des­to­we­niger finde ich das den­noch groß­artig, dass sich Men­schen so mit einer Sache iden­ti­fi­zieren können und diese Jungs so wür­digen. Ich werde diese Art von Wür­di­gung aber immer für über­trieben halten.

Warum?
Weil ich mit den Jungs, also nicht mit den Natio­nal­spie­lern, son­dern auf einer biss­chen nied­ri­geren Ebene umge­gangen bin und weiß, wie sehr, sehr normal sie sind. Die Spieler können das sehr gut ein­schätzen, was der Jubel im Fuß­ball zu bedeuten hat. Philipp Lahm gehört da ganz sicher zu. Die Begeis­te­rung kann ganz schnell in Ärger und Bis­sig­keit umschlagen.

Was meinen Sie, ist dieser schmale Grat auch ein Grund dafür, dass Lahm aus der Natio­nal­mann­schaft zurück­ge­treten ist?
Ich glaube, dass Sie den Fehler machen, aus Eigen­emp­finden viel zu sehr zu grü­beln. Hier pas­siert etwas ganz Logi­sches. Er spielt immer noch bei Bayern, um seinem Ego zu genügen und er bleibt auf ewig in der Natio­nal­mann­schaft mit einem fan­tas­ti­schen Ruf zurück.

Aber was könnte der Grund sein?
Er hat damals um die Kapi­täns­binde gefightet, wollte sie nicht wieder her­geben und ich glaube, dass er mit­be­kommen hat, dass diese Rolle als Kapitän gerade in der Dar­stel­lung auch eine Belas­tung ist. Eine Frau am Trai­nings­platz hat es ganz gut zusam­men­ge­fasst. Sie fragte: Hat er genug Geld? Ja, hat er. Hat er genug Ruhm und Ehre? Ja, hat er. Hat er eine Frau und ein Kind? Er wäre doch dumm, wenn er nicht jetzt mal etwas ego­is­ti­scher ist.“ Und sie hat Recht. Mit wel­chem Recht nehmen wir uns raus, diese Jungs immer nur total für uns zu ver­ein­nahmen. Akzep­tiert seine Ent­schei­dung doch ein­fach mal.

Kann Löw Lahm im DFB-Team ersetzen?
Der Fuß­ball hat es immer geschafft, ganz Große zu ersetzen.