Bislang glaubten wir, dass die „Titanic“ die WM 2006 nach Deutschland geholt hat. War doch alles ganz anders? Martin Sonneborn, Ex-Chefredakteur der Satirezeitschrift, nimmt Stellung.
Martin Sonneborn, Sie sind dieser Tage vermutlich ein gefragter Mann, oder?
Ich habe heute noch nicht viele Interviews gegeben. Ich bin aber natürlich – wie Waldemar Hartmann auch – von der ersten Minute an eingeweiht gewesen. In alles.
Bis letzte Woche glaubten wir, die „Titanic“ hätte die WM 2006 nach Deutschland geholt. Und nun das. Enttäuscht?
Nein, überhaupt nicht. Jens Weinreich („Spiegel“-Autor der Geschichte „Der zerstörte Sommermärchen“, d. Red.) rief mich bereits vor Veröffentlichung der Geschichte an und sagte, dass er an meinen Verdiensten kratzen werde.
Und was entgegneten Sie?
Ich verwies ihn auf das Editorial der „Titanic“-Ausgabe vom August 2000, in der ich mich beim DFB und Franz Beckenbauer für ihre bestechende Vorarbeit bedankte. Eigentlich hätte es damals schon allen klar sein müssen, dass einer alleine die WM niemals nach Deutschland holen konnte.
Sie und der DFB haben also als Team gearbeitet?
Absolut. Der 82-jährige Neuseeländer Charles Dempsey (ehemaliger Präsident des Ozeanischen Fußballverbandes, d. Red.) wurde von zwei Seiten massiv bearbeitet. Als er schließlich das Fax unter seiner Hoteltür fand, in dem wir ihm Schwarzwälder Schinken und eine Kuckucksuhr in Aussicht stellten, wurde der Druck zu groß. Er enthielt sich der entscheidenden Stimme, und Deutschland gewann die Wahl 12:11 gegen Südafrika.
Der DFB soll, so berichtet der „Spiegel“, mit 6,7 Millionen Euro vier Stimmen der asiatischen Vertreter im Fifa-Komitee gewonnen haben. Gibt es Informationen darüber, dass die vier Asiaten ebenfalls eine Kuckucksuhr bekommen haben?
Wir von „Titanic“ haben seit jeher relativ wenig Geld in unseren Schwarzen Kassen, wir konnten also mit den Millionensummen nicht mithalten. Deswegen kamen wir auf die Idee mit der Kuckucksuhr und dem Schinken. Ein anderer Grund war, dass ich eines Nachts mal vor dem Fernseher saß und in Gesichter der Fifa-Funktionäre blickte. Die wirkten alle derart feist, korrupt und verfressen, dass sich Naturalien anboten. Gucken Sie sich mal den Südkoreaner (Chung Mong-Joon, d. Red.) an! Er ist der reichste Mann Koreas und auf Geld absolut nicht angewiesen. Es könnte also auch unser leckerer Präsentkorb den Ausschlag gegeben haben.
Die Mitwisserschaft von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach belegt der „Spiegel“ mit einer handschriftlichen Notiz, die er getätigt haben soll. Werden wir von Ihnen auch noch eine Notiz auf einem brisanten Dokument finden?
Ich fürchte, ja. Aber um es vorwegzunehmen: Ich bin es nicht gewesen.
Sondern?
Vermutlich mein Assistent im EU-Parlament. Der beherrscht meine Schrift mittlerweile perfekt.
Das heißt, Schriftfälschen ist ganz einfach?
Wenn ich eines im EU-Parlament gelernt habe, dann dass Assistenten Meister im Schriftenfälschen sind. Ich würde deshalb auch mal den Assistenten von Niersbach unter die Lupe nehmen. Die einzige Unterschrift, die ich jemals im DFB-Kontext abgegeben habe, war die im Jahr 2000, als der DFB mir mit einer Schadenersatzforderung von 600 Millionen D‑Mark drohte und ich eine Unterlassungserklärung unterschreiben musste, nie wieder durch das Versenden von Bestechungsfaxen Einfluss auf die Vergabe von FIFA-Turnieren zu nehmen.