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Sissy Raith, von Januar bis Oktober 2009 trai­nierten Sie die Bezirks­ober­liga-Her­ren­mann­schaft des TSV Eching und führten sie in die Lan­des­liga zurück. Keine Frau vor Ihnen hat je einen höher­klas­sigen Män­ner­verein trai­niert. Woran liegt das?
Es herrscht die Mei­nung vor, dass eine Frau im Män­ner­fuß­ball nicht akzep­tiert wird. Schließ­lich ist das Bild unge­wohnt: eine Frau, die vor 20 Män­nern steht und ihnen die Taktik erklärt. Bei mir und meiner Mann­schaft gab es aller­dings keine Berüh­rungs­ängste. Das Team brachte mir Ver­trauen ent­gegen. Ich habe mich ab der ersten Sekunde wohl gefühlt. Es ging uns allen um das­selbe: näm­lich um Fuß­ball.

Hatten Sie damals Zweifel, das Angebot des TSV Echings anzu­nehmen?
Mir stellte sich nur die Frage: Werde ich von den Jungs akzep­tiert? Ich fühlte mich geehrt, wollte aber erst eine Nacht dar­über schlafen.

Wann waren Sie sicher, dass Sie den Job wollten?
Als ich die Jungs ken­nen­lernte. Ich traf mich mit den drei Kapi­tänen sowie dem Spie­lerrat. Dabei fragte ich sie, ob das Team mit einer Trai­nerin leben könnte. Da sagte einer: Wenn jemand mit dir als Frau ein Pro­blem hat, dann fahr ich ihn eigen­händig nach Hause.“

Wes­halb endete die Zusam­men­ar­beit nach nur zehn Monaten?
Der neue Ver­eins­ver­ant­wort­liche hatte vor lau­fender Kamera und im Radio einen abschät­zigen Satz fallen gelassen. Er meinte, man könne einem hart arbei­tenden Mann nicht zumuten, sich abends noch mit einer Frau rum­schlagen zu müssen. Danach erhielt ich meine Kün­di­gung.

Wie sind Sie damit umge­gangen?
Ich habe mich zunächst zurück­ge­halten, denn ich wollte die Geschichte nicht glauben. Aber nachdem er den Satz mehr­mals wie­der­holt hatte, lei­tete ich recht­liche Schritte gegen ihn ein. Nach dem Gleich­stel­lungs­ge­setz darf mir nicht auf­grund meines Geschlechts gekün­digt werden. Und ich habe Recht bekommen.

Haben Ihnen die Spieler das Gefühl gegeben, nicht will­kommen zu sein?
Nein, ganz im Gegen­teil: Viele Spieler haben mich nach diesem Medi­en­de­bakel ganz brüs­kiert ange­rufen und meinten: Mit dir sind wir doch auf­ge­stiegen! Wir können es nicht nach­voll­ziehen.“

Was haben Sie nach Ihrer Kün­di­gung getan?
Ich habe mich zunächst für eine Weile zurück­ge­zogen. Ich war noch bei anderen Män­ner­teams im Gespräch, doch der Satz des Ver­eins­ver­ant­wort­li­chen hatte einen bit­teren Nach­ge­schmack. Ich wurde auch oft auf der Straße ange­spro­chen – leider nicht immer freund­lich! Zwi­schen­zeit­lich über­legte ich, aus Eching weg­zu­ziehen, weil mir diese Anfein­dungen sehr zuge­setzt haben. Aber dann kam das Angebot aus Aser­bai­dschan.

Was machen Sie dort?
Seit Mai 2010 bin ich U17-Natio­nal­trai­nerin der aser­bai­dscha­ni­schen Frauen und zudem für die Ent­wick­lung des Mäd­chen- und Frau­en­fuß­balls im Lande zuständig. Am 29. Oktober 2012 spielen wir das erste EM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel gegen Öster­reich.

Sie meinten einmal, dass Sie viel von der Män­ner­mann­schaft des TSV Eching gelernt haben. Was zum Bei­spiel?
Männer sind viel robuster im Umgangston mit­ein­ander. Mir gegen­über waren sie hoch­an­ständig, aber gegen­seitig gab es kein Pardon. Bei Kon­flikten in Frau­en­teams wird von Trai­nern erwartet, dass sie die Wogen glätten. Die Männer hin­gegen wollen das gar nicht. Die lösen Kon­flikte auf ihre Art. Das Wort des Mann­schafts­ka­pi­täns ist meis­tens aus­rei­chend.

Bei Frau­en­teams läuft aber auch nicht immer alles har­mo­nisch ab.
Man muss sich bei Frauen gut über­legen: Sag ich das? Wann sag ich das? Und in wel­chem Ton? Bei Män­nern ist das nicht nötig. Einer kam mal zu mir: Du, scheiß uns mal so richtig zusammen. Ich brauche das mal.“ Der Umgangston ist direkter. Klare deut­liche Worte wie Reiß dir mal den Arsch auf“ sind da ange­bracht.

Män­ner­team und Trai­nerin – das passt Ihrer Mei­nung nach gut zusammen. Wes­halb?
Grund­sätz­li­ches – also der Fuß­ball – ist ja gleich. Hier zählt einzig und alleine die Fach­kom­pe­tenz. Päd­ago­gisch gesehen gibt es meiner Mei­nung nach gewisse Unter­schiede. Wenn bei einem Spieler irgendwas nicht okay war, ging ich nach dem Trai­ning zu ihm und sprach ihn darauf an. Einer hat mal gefragt: Dir ist das auf­ge­fallen?“ Aber bringt man den Stein mal ins Rollen, dann reden sie darauf los. Als Frau habe ich ver­mut­lich das bes­sere Gespür für einen not­wen­digen Hand­lungs­be­darf, wenn jemand Pro­bleme hat.

Wes­halb machen eigent­lich so wenige Fuß­bal­le­rinnen den Trai­ner­schein?
Fuß­ball ist immer noch eine Män­ner­sportart. Die Trai­ner­li­zenz für Frauen ist eher jung. Die Anmel­dungen in den jewei­ligen Trai­ner­lehr­gängen und ‑semi­naren bestä­tigt dies. In meiner Gene­ra­tion war das noch nicht so üblich. Dass Spie­le­rinnen nach ihrer Kar­riere Trai­ne­rinnen werden, ist eine Ent­wick­lung etwa der letzten zehn Jahre. Einige deut­sche Trai­ne­rinnen wie Mar­tina Voss oder ich gehen ins Aus­land. Mit welt­weit 29 Mil­lionen fuß­ball­spie­lenden Mäd­chen und Frauen – und die soge­nannte Dun­kel­ziffer“ liegt sicher noch höher – gäbe es genü­gend Spie­le­rinnen, die sich für das Amt der Trai­nerin eignen würden.

Mit wel­chen Anreizen könnte man die Spie­le­rinnen auf den Trai­ner­posten locken?
Die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung fehlt noch. Jetzt ist es erst­mals so weit, dass in der Bun­des­liga der Frauen, Trainer haupt­amt­lich beschäf­tigt werden. Wenn die Gehälter ange­gli­chen werden, ist es auch für Frauen attrak­tiver. Für viele Frauen wird jedoch die Fami­li­en­pla­nung wei­terhin vor­rangig sein.

Wann wird es die erste Bun­des­li­ga­trai­nerin geben?
Sollte es mehr mutige Männer in den Vor­ständen bezie­hungs­weise in den Prä­si­dien geben, kann das sehr bald sein. Über eine Assis­tenz­trai­ner­stelle könnte eine Frau den Sprung früher schaffen. Das ist sicher eine span­nende Her­aus­for­de­rung für jede ambi­tio­nierte Trai­nerin. Was mich betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob ich mich in einer Män­ner­bun­des­li­ga­mann­schaft wohler fühlen würde als in einer Frau­en­bun­des­li­ga­mann­schaft. Obwohl durch den unschönen Abgang beim TSV Eching ja noch eine Rech­nung offen ist.