„Waschen, schneiden, legen“ heißt unsere Reportage über die Ausbildung zukünftiger deutscher Platzwarte. Seit 16 Jahren ist Georg Schmitz bereits Greenkeeper bei Bayer Leverkusen – schon sein Großvater kümmerte sich um den heiligen Rasen des Werksklubs. Wir sprachen mit ihm über geklaute Elfmeterpunkte und das Vorbild Wimbledon.
Georg Schmitz, wie wird man Greenkeeper bei einem Bundesligaverein?
Schon mein Großvater hat sich bei Bayer Leverkusen um den Rasen gekümmert, damals allerdings noch als Gärtner. Mein Vater, ein gelernter Schreiner, war dann ebenfalls im Verein für die Platzpflege eingestellt – und seit 16 Jahren führe ich als gelernter Landschaftsgärtner diese Tradition fort.
Muss man Fußballfan sein, um Greenkeeper eines Fußballvereins zu sein?
Muss man nicht. Aber ich bin definitiv Fan meines Arbeitgebers. Nur als aktiver Fußballer habe ich mich nie hervorgetan.
Wie sehr hat sich in den all den Jahren die Arbeit als Greenkeeper verändert?
Seit 1997 müssen alle Erstligisten eine Rasenheizung in ihren Stadien vorweisen, das war sicherlich die größte Veränderung. Früher durfte sich der Rasen im Winter eine Pause gönnen – so wie es die Natur ja nun einmal vorgibt. Mit der Rasenheizung gibt es diese Pause nicht mehr, wir Greenkeeper mussten anfangen, die Natur zu manipulieren und auszutricksen. Das ist heute unsere Hauptaufgabe: Dem Rasen optimale Bedingungen vorzugaukeln, obwohl uns der Winter fest im Griff hat.
Uwe Klimaschefski wies in den siebziger Jahren seinen Platzwart vor einem wichtigen Spiel im tiefsten Winter noch an, den Rasen in der Nacht zu überfluten, um den Schiedsrichter am nächsten Tag von einer Spielabsage zu überzeugen, weil ihm wichtige Stammspieler fehlten. Gibt es solche schmutzigen Tricks heute auch noch?
Der Trainerstab und unsere medizinische Abteilung würden mir heutzutage was husten, wenn ich auf solche Ideen kommen würde. Kein Greenkeeper verschandelt seinen Rasen absichtlich, damit würde man sich ja die eigene Arbeit ruinieren.
Eine Zeitlang schien holländischer Rollrasen die Lösung aller Platzprobleme zu sein. Wie sehen Sie das?
Zunächst: Guten Rollrasen findet man auch in Deutschland. Außerdem sagt der Namen Greenkeeper ja schon, was unsere wichtigste Aufgabe ist: Den Rasen zu halten und zu pflegen. Ein neu ausgelegter Rasen ist immer nur eine Notlösung. Rasen muss anwachsen, um ideale Bedingungen zu schaffen. Außerdem ist so ein Rollrasen nur zu Beginn schön anzusehen, nach den ersten Spielen und Belastungen geht seine Formkurve schon wieder nach unten. Und dann heißt es wieder: hegen, pflegen und manipulieren.
Ihre deutschen Greenkeeper-Kollegen beklagen die zum Teil mangelnde Akzeptanz ihrer Fähigkeiten im Verein. Mit wem müssen Sie sich gut stellen, damit Ihnen übereifrige Fußballer nicht den Rasen kaputttreten?
Wenn alles gut läuft, macht jeder seine Arbeit und geht seines Weges. Dann präparieren wir den Rasen, der Trainer lässt trainieren und die Mannschaft spielt Fußball. Kommunikation mit dem Trainer gibt es eigentlich nur dann, wenn es Probleme gibt, wenn sich die Spieler über den schlechten Zustand beklagen oder die Mannschaft ein Spiel verloren hat, weil angeblich der Rasen daran Schuld war. Von daher weiß ich, dass ich einen guten Job mache, wenn man mich in Ruhe lässt.
Wie geht es Ihnen, wenn ein Abwehrspieler mit seinen Grätschen tellergroße Stücke aus dem Rasen reißt oder Freistoßspezialisten mit den Stollen den Rasen abkratzen?
Nicht gut. Aber dann ist es eben meine Aufgabe, die Problemzonen zu behandeln und so herzurichten, dass die Schäden am nächsten Spieltag nicht mehr zu sehen sind. Ein gepflegter Rasen ist schließlich die Visitenkarte eine jeden Greenkeepers.
Das Paradies für Rasenfreunde ist noch immer England, richtig?
Das stimmt. Dort heißt der Greenkeeper „Groundsman“ und hat wesentlich mehr Möglichkeiten als seine deutschen Kollegen. Zum Beispiel wird in einigen Stadien der Rasen im Fünf-Meter-Raum fünf Millimeter länger geschnitten, als auf dem restlichen Spielfeld, weil in diesem Bereich die Belastung einfach höher ist. In Deutschland ist das nicht durchsetzbar. Außerdem sind Trainer und Spieler in Bezug auf die Rasenpflege viel mehr sensibilisiert: Torhüter machen sich vor dem Spiel einige Meter neben dem Tor warm, um den Torraum nicht unnötig zu belasten. Und kein Trainer käme auf die Idee, im Stadion trainieren zu lassen. In vielen Vereinen darf der Groundsman sogar Strafen für Spieler aussprechen, wenn die unerlaubterweise seinen Rasen betreten.
Wioe Sie bereits gesagt haben: Rasenheizungen sind längst Pflicht in der Bundesliga, einige Klubs besitzen zudem bereits Wärmestrahler, um dem Rasen selbst im Winter sommerliche Verhältnisse vorzugaukeln. Ihr Job ist längst eine Wissenschaft für sich. Was kommt als Nächstes?
Eine an sich gar nicht so wissenschaftliche Idee, die aber in idealer Ausführung gute Ergebnisse erzielen könnte. Kennen Sie die Planen, die bei Regenpause in Wimbledon über die Tennisfelder gezogen werden? Solche Planen könnte ich mir auch beim Fußball vorstellen. Allerdings müssten diese Planen dann einige Zentimeter über dem Rasen aufgespannt werden, und man müsste dafür sorgen, dass das Wasser anständig abfließt. So einfach, wie es sich anhört, ist es also doch nicht.
Hand aufs Herz: Als beim Relegationsspiel 2012 zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC der Zuschauer eingeblendet wurde, der gerade den Elfmeterpunkt aus dem Rasen gerissen hatte, sind Sie richtig wütend geworden, oder?
Nein. Ich konnte den Fan ja irgendwie verstehen. Es gibt ja kein schöneres Souvenir als ein Stück vom heiligen Rasen.
Georg Schmitz, wie sieht der Rasen eigentlich bei Ihnen zu Hause im Garten aus?
Zu meiner Ausbildungszeit lag tatsächlich ein Stück Golfrasen in meinem Garten, an dem ich dann meine neu erlernten Fähigkeiten austesten konnte. Heute wohne ich auf dem Land und lasse es einfach wachsen. Man muss die Arbeit ja nicht mit nach Hause nehmen.