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Dirk Schuster, Ihr Trai­ner­kol­lege Jens Keller ist fast zeit­gleich mit Ihnen in den Trai­ner­beruf ein­ge­stiegen, aller­dings trai­niert er mitt­ler­weile einen Cham­pions-League-Teil­nehmer, Sie dagegen einen Dritt­li­gisten, der um den Klas­sen­er­halt kämpft. Was hat Jens Keller in den ver­gan­genen Jahren besser gemacht?
Das kann ich nicht beur­teilen. Fakt ist: Er hat seit jeher gute Ver­bin­dungen zu einem großen Klub, dem VfB Stutt­gart. Dort war er zunächst Co-Trainer unter Chris­tian Gross und wurde nach dessen Beur­lau­bung zum Chef­trainer ernannt. Er hatte dabei sicher­lich auch das Quänt­chen Glück, das man in diesem Geschäft braucht. Ich bin über­zeugt davon, dass er genau so akri­bisch und kon­zen­triert arbeitet wie ich.
 
Sie sagten mal, Sie hätten sich nach Ihrer Trai­ner­aus­bil­dung eine Frist von acht­zehn Monaten gesetzt. Wäre in diesem Zeit­raum kein Ver­trag zustande gekommen, hätten Sie einen anderen Weg ein­ge­schlagen. Hand aufs Herz: Wie viel Über­trei­bung steckt in dieser Aus­sage?
Gar keine. Ein Schei­tern ist in diesem Geschäft nicht aus­ge­schlossen.
 
Aber Sie haben Ihre Trai­ner­aus­bil­dung 2007 als Lehr­gangs­bester abge­schlossen – da brennt man doch darauf, seine Ideen umzu­setzen. Hätten Sie tat­säch­lich einen Schluss­strich gezogen, bevor es so richtig begonnen hat?
Mir war von Anfang an klar, dass es keinen Frei­fahrt­schein gibt. Es kann immer etwas schief­gehen. Das hat weder mit Pes­si­mismus zu tun noch mit feh­lendem Selbst­be­wusst­sein. Erfolge als Spieler zählen nicht.Welcher Train­er­neu­ling kann von vorn­herein sagen, er werde nach der Trai­ner­aus­bil­dung in der Ersten‑, Zweiten‑, oder Dritten-Liga unter­kommen? Es gibt viele gute Trainer, die der­zeit keinen Job haben.
 
Aber wes­halb gerade diese 18-Monats-Frist?
Ich kann nicht fünf oder zehn Jahre warten, bis plötz­lich irgendein Sport­di­rektor an die Tür klopft und sagt: Dich will ich unbe­dingt holen“. Je länger man aus dem Geschäft heraus ist, desto schwie­riger ist es, wieder Anschluss zu finden – das gilt sowohl für Spieler als auch für Trainer. Im bezahlten Fuß­ball spielt es keine Rolle, ob du im Ama­teur­be­reich ein paar Akzente gesetzt hast, ent­schei­dend sind die Refe­renzen und Erfolge.
 
Was hätten Sie denn gemacht, wenn es nicht geklappt hätte?
Auf jeden Fall hätte diese neue Auf­gabe mit Sport zu tun gehabt. Viel­leicht wäre ich Trainer in einem Fit­ness­studio geworden, keine Ahnung.
 
Sie haben in Ihren letzten Pro­fi­jahren für die Karls­ruher Klubs ASV Dur­lach und den FC Ale­mannia Wil­fer­dingen gespielt. Täuscht der Ein­druck, dass Sie Ihr Kar­rie­re­ende hin­aus­ge­zö­gert haben?
Ich habe es als ange­nehm emp­funden, meine Spie­ler­kar­riere in den unteren Ligen peu à peu aus­klingen zu lassen. Es war schön, noch einmal die Luft des Ama­teur­fuß­balls zu schnup­pern. Man sieht doch an vielen Bei­spielen, wie schwierig es ist, von einem Tag auf den anderen auf­zu­hören. So man­cher Ex-Profi weiß in den ersten Monaten nach seinem letzten Spiel doch gar nicht, was er tun soll. Kurzum: Ich wollte auf keinen Fall in ein Loch fallen, son­dern mich langsam an den Alltag abseits des Pro­fi­fuß­balls gewöhnen.
 
Sie sind im Alter von 23 Jahren vom 1. FC Mag­de­burg zu Ein­tracht Braun­schweig gewech­selt, es war die Zeit der Wende. Wie haben Sie die ersten Monate in der neuen Umge­bung erlebt?
Damals war alles neu für mich. Die mediale Beob­ach­tung hat mich stark beein­druckt. Das kannte ich nicht. In Mag­de­burg gab es viel­leicht einen Zei­tungs­ar­tikel über das bevor­ste­hende Spiel, das war’s. In Braun­schweig dagegen war im Umfeld wesent­lich mehr los, und das, obwohl der Klub damals nur in der Zweiten Liga kickte. In den ersten Monaten habe ich erfahren, was Pro­fi­fuß­ball wirk­lich bedeutet. Vom Team­ge­danken, wie ich ihn aus der DDR kannte, war nicht viel übrig geblieben. Ich merkte: Jeder ist sich selbst am nächsten. Diese Ellen­bo­gen­men­ta­lität haben viele DDR-Sportler zu jener Zeit erst lernen müssen. Glück­li­cher­weise ist es mir gelungen, mich schnell anzu­passen.
 
Hatten Sie damals Angst, dass Ihr rasanter Auf­stieg, den Sie in der DDR erlebten, plötz­lich stoppte? Sie hatten immerhin vier Län­der­spiele im Jahr 1989/90 gemacht.
Nein. Ich war jung, hoch­mo­ti­viert und voller Energie. An ein mög­li­ches Schei­tern habe ich keinen Gedanken ver­schwendet. Hilf­reich war sicher­lich auch der zeit­gleiche Wechsel meines dama­ligen Trai­ners (Joa­chim Streich, d. Red.) nach Braun­schweig. Das gab mir einen Zusatz­schub.
 
Wes­halb haben Sie sich eigent­lich für Braun­schweig ent­schieden? Sie hatten doch sicher­lich viele Top-Ange­bote vor­liegen.
Ich hatte in der Tat einige Ange­bote aus der Bun­des­liga, habe mich aber bewusst für einen Zweit­li­gisten ent­schieden. Bei der Ein­tracht hatte ich ein gutes Gefühl. Zudem nahm ich an, dieser Wechsel sei die sicherste Vari­ante, um den nächsten Sprung vor­zu­be­reiten. Ich wollte nach ganz oben – aber Schritt für Schritt.
 
Ist das typi­sche Ost-West-Denken in Ihrer Kar­riere jemals ein Thema gewesen?
Ich kann mich nicht daran erin­nern, dass inner­halb der Mann­schaft dar­über gespro­chen wurde. Sicher­lich fiel mal der eine oder andere Spruch, Stich­wort Klei­dung oder so, aber das ist ja auch heute noch gang und gäbe. Der­je­nige, der zu einer Gruppe stößt, wird von jener erst mal auf­ge­zogen. Den­noch: Ost-West-Debatten habe ich im Fuß­ball nie erlebt.
 
Wel­ches Kli­schee hatten Sie vom Pro­fi­sport in der Bun­des­re­pu­blik?
Mir ging es nur darum, ordent­lich Fuß­ball zu spielen. Ich hatte genug damit zu tun, mich anzu­passen, mich auf das Neue ein­zu­lassen. Kli­schees habe ich schlicht bei­seite geschoben, sie hätten mich nur gebremst. Mein Ziel war es, derart gut und erfolg­reich zu spielen, dass ich damit meinen Lebens­un­ter­halt bestreiten kann. Am Ende geht es doch immer nur ums eins: ein gutes, ange­nehmes Leben.
 
Werden Sie eigent­lich noch regel­mäßig auf das soge­nannte Wunder vom Wild­park“ ange­spro­chen, dieses 7:0 des Karls­ruher SC gegen den FC Valencia im Jahr 1993?
Oh ja. Diese Partie hat offen­sicht­lich viele Spuren hinterlassen.(lächelt) Fragen mich Jugend­liche, ob ich damals dabei gewesen sei, bin ich immer wieder aufs Neue stolz, wenn ich mit Ja“ ant­worte. Ich war Teil dieser wun­der­baren Geschichte.
 
Haben Sie schon mal daran gedacht, Ihrer Mann­schaft dieses Spiel in voller Länge zu zeigen? Zum Bei­spiel als Moti­va­ti­ons­spritze vor der DFB-Pokal-Partie gegen Schalke…
…Nein, derlei wäre schlicht unan­ge­bracht. Der Fuß­ball von damals hat nicht mehr viel zu tun mit dem Fuß­ball von heute. Außerdem sind wir zu jener Zeit mit zwei Toren Rück­stand in die Partie gegangen. Das ist gegen Schalke erfreu­li­cher­weise nicht der Fall. Oder habe ich etwas ver­passt? (lacht) Ein­zige Par­al­lele ist viel­leicht die Erwartungshaltung.Valencia war damals Tabel­len­führer der Pri­mera Divi­sion, dem KSC wurde nach der krassen Hin­spiel-Pleite nichts mehr zuge­traut.
 
Wer traut dem SV Darm­stadt 98 einen Sieg gegen den FC Schalke zu?
Eben. Ver­mut­lich fast nie­mand. Wir sind ein gefühlter Viert­li­gist, der es nun mit einem ambi­tio­nierten Cham­pions-League-Teil­nehmer auf­nimmt. Da kann ich nur sagen: Puh! Schalke ist noch mal eine här­tere Nuss als unser Erst­run­den­gegner Mön­chen­glad­bach.
 
Und worin liegt nun Ihre Chance?
Ich werde Ihnen jetzt nicht unsere Stra­tegie erklären (lächelt) Die Schalker wissen genau, dass sie mit einer Wahr­schein­lich­keit von 95 Pro­zent wei­ter­kommen. Wir wollen ein­fach unseren Bei­trag dazu leisten, dass es ein schöner Abend wird. Unser Ziel muss es sein, so lange wie mög­lich das 0:0 zu halten. Das könnte beim Gegner für eine gewisse Ner­vo­sität sorgen. Aber noch mal: An diesem Abend hat nur ein Team etwas zu ver­lieren, der FC Schalke 04.
 
Die DFB-Pokal-Par­tien gegen Mön­chen­glad­bach und Schalke spülen etwa 800.000 Euro in die Ver­eins­kasse Ihres Klubs, das ist etwa ein Drittel des gesamtes Etats. Was haben Sie mit diesen Zusatz­ein­nahmen vor?
Der finan­zi­elle Aspekt ist für den Verein zwar schön, spielt für mich im Tages­ge­schäft aller­dings keine Rolle. Der SV Darm­stadt 98 ist struk­tu­rell so auf­ge­stellt, dass hier kein Cent mehr aus­ge­geben wird, als zuvor ein­ge­nommen wurde. Dass wir mit Schalke erneut ein super Los bekommen haben, freut uns in erster Linie aus sport­li­chen Gründen.
 
Werden Sie im Winter neue Spieler ver­pflichten?
Wir sind von unserem Kader über­zeugt. Zur­zeit sehe ich keinen Hand­lungs­be­darf. Den­noch ist es schön zu wissen, dass wir im Not­fall reagieren könnten.
 
Mit wel­chen drei Adjek­tiven würden Sie den fol­genden Satz kom­men­tieren: Dirk Schuster ver­folgt den Traum, irgend­wann Chef­trainer des Karls­ruher SC zu werden“?
(Lange Pause) Wahr. Lang­fristig. Ehren­voll.