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Herr Rud­waleit, wo haben Sie den Mau­er­fall erlebt?

Beim Schlach­te­fest! Wir waren gerade bei meinen Schwie­ger­el­tern in Hei­li­gen­stadt in Thü­ringen. Am frühen Morgen ging es los, wir haben das Schwein und das Bol­zen­schuss­gerät geholt, das Schlachten zog sich über den ganzen Tag hin. Nach­mit­tags kamen Kum­pels meines Schwipp­schwa­gers und sagten: Wir waren im Westen, wir kommen gerade von drüben!“



Wie war Ihre Reak­tion?

Abends, als alles ange­richtet war, schal­teten wir den Fern­seher an. Und tat­säch­lich: Die Grenzen waren offen. Wir konnten es gar nicht glauben.

War es spe­ziell als Spieler des Stasi-Klubs“ BFC Dynamo ein Spieß­ru­ten­lauf bei den Spielen nach dem Mau­er­fall?

Anfein­dungen von den Rängen waren wir ja schon gewohnt. Durch die sich ändernde Atmo­sphäre im Land hat sich das dann weiter hoch­ge­schau­kelt.

Was mussten Sie sich als BFC-Spieler anhören?

Rufe wie Stasi-Schweine“ gab es regel­mäßig. Die Aggres­sionen begannen aber schon, als wir zwei, drei Mal Meister geworden waren. Mich als Tor­wart haben sich die geg­ne­ri­schen Fans als beson­deres Feind­bild auf­ge­baut. Ich war nur Bodo Eier­kopp“ für die. Aber das kennt man ja, Olli Kahn hat man ja auch ohne Ende beschimpft. Ich habe daraus eher zusätz­liche Moti­va­tion gezogen.

Alle DDR-Profis hatten auch einen zivilen Beruf. Wer war Ihr Arbeit­geber?

Ich hatte einen Dienst­grad bei der Volks­po­lizei, andere waren auch direkt beim Minis­te­rium für Staats­si­cher­heit ange­stellt. Das bedeu­tete natür­lich nicht, dass sie auto­ma­tisch Leute bespit­zelt haben. Ich wäre auch gerne bei der Stasi ange­stellt gewesen – da gab es näm­lich mehr Geld. Da meine Oma im Westen wohnte, hatte ich kader­mäßig keine weiße Weste, mir war des­halb dieser Weg ver­baut.

Ende 1989 ver­ließen Sie den BFC Dynamo nach über 20 Jahren. Warum?

Nach dem Aus­scheiden im Euro­pa­pokal in Monaco erfuhr ich, dass ich beim Pokal­spiel in Halle nicht spielen sollte. Mich hat gestört, dass keiner es für nötig hielt, mir das vorher zu sagen. Es hatte schon län­gere Zeit Strö­mungen gegen mich in der Mann­schaft gegeben. Für mich war der Punkt erreicht, wo ich mich dem Druck nicht mehr unbe­dingt stellen wollte.

Hatten Sie die Hoff­nung, dass ein Bun­des­li­gist auf Sie auf­merksam werden würde?

Ach was, dafür war ich doch zu alt. Ich war ja bei der Wende schon 32. Ich wäre auch nicht mehr ganz woan­ders hin­ge­gangen, dafür bin ich viel zu boden­ständig.

Statt in den Westen gingen Sie zu Stahl Eisen­hüt­ten­stadt.

Vor meinem Wechsel trat ich aus der Polizei aus und gab mein Par­tei­buch ab. Ich wollte einen rich­tigen Cut. Bei Stahl herrschte in der Mann­schaft eine wun­derbar ehr­liche Atmo­sphäre. Statt Intrigen zu schmieden, spra­chen die Leute dort alles offen an. Das war eine wirk­lich tolle Zeit für mich.

Ihren Wohn­sitz haben Sie nicht ver­legt, son­dern sind aus Erkner bei Berlin gepen­delt.

Es spielten damals noch einige andere Ber­liner bei Stahl. Wir sind maximal einmal pro Woche dort geblieben und sind am Anfang oft zusammen im Auto gefahren. Den Rekord habe ich mit meinem Mer­cedes 280 auf­ge­stellt, den ich mir damals gebraucht gekauft hatte: Berlin – Eisen­hüt­ten­stadt in 35 Minuten! (lacht)

Merkte man schon in den ersten Monaten nach der Wende, wie der Kapi­ta­lismus Besitz ergriff von den Ost­ver­einen?

Stahl Eisen­hüt­ten­stadt hatte einen guten Geschäfts­partner: Günter Netzer hatte die Ban­den­wer­bung über­nommen. Er kam einige Male per­sön­lich vorbei und hat auch uns Spieler beraten und uns Tipps gegeben. Netzer sagte damals: Ihr müsst auch wissen, was ihr selber könnt. Ver­lasst euch nicht nur auf die Leute, die von außen kommen und etwas von euch wollen.“

Wie lief es sport­lich für Sie?


Ich brauchte ein halbes Jahr, um wieder richtig fit zu werden. 1990/91 spielte ich dann noch einmal so etwas wie die Saison meines Lebens. Wir hatten ins­ge­samt ein Super­jahr, kamen bis ins Pokal­fi­nale, qua­li­fi­zierten uns dadurch für den Euro­pa­pokal und schei­terten erst in der Rele­ga­tion zur 2. Bun­des­liga an Lok Leipzig.

Den­noch wech­selten Sie nach Ende der letzten DDR-Ober­li­ga­saison noch einmal, zu Tennis-Borussia Berlin.

Stahl hat alles ver­sucht mich zu halten. Aber das Angebot war zu ver­lo­ckend. TeBe warf damals ja mit seinen Spon­so­ren­mil­lionen nur so um sich. Ich hatte sowieso nur noch ein, zwei Jahre. Sport­li­chen Wert hatte das natür­lich nicht mehr, das habe ich schnell gemerkt. Schon wäh­rend der Trai­nings war das Haupt­thema, wo am Abend gefeiert werden sollte.

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