Christian Rahn, Sie sind jetzt seit 15 Jahren Fußball-Profi, aber Ihre Bilanz weist lediglich 117 Erst- und 131 Zweitligaspiele auf. Warum sind es nicht mehr?
Christian Rahn: Vereinfacht gesagt: Meine Leistungen waren einfach zu unbeständig und ich hatte zu viele Trainer, auf die ich mich zu oft neu einstellen musste. Ein Beispiel dafür ist mein erster Wechsel vom FC St. Pauli zum Hamburger SV. Bereits anderthalb Jahre vor dem Ablauf meines Vertrages beim FC St. Pauli hatte ich den Wechsel öffentlich gemacht, doch weil wir aufstiegen, wollte man mich unbedingt am Millerntor behalten. Ich blieb und ging erst 2002 zum HSV. Da war Frank Pagelsdorf, der Trainer, der mich haben wollte, bereits entlassen worden. Für Kurt Jara, den neuen Mann, war ich lediglich ein Neuzugang, den er nicht gewollt hatte.
Die Bedingungen für den Nachwuchs der ersten und zweiten Liga sind heute mehr als professionell. Fühlen Sie sich als Teil einer Generation, an der das noch vorbei ging?
Christian Rahn: Durchaus. Als ich beim FC St. Pauli in der Jugend spielte, sind wir noch über Ascheplätze und Bezirkssportanlagen getingelt, es gab eine kleine Kabine, einen Physiotherapeuten, eine Massagebank. An eine eigene Trainerkabine war damals noch gar nicht zu denken. Wir hatten ja noch nicht einmal eigene Gymnastikmatten! Der Nachwuchs von heute würde unter solchen Bedingungen erst gar nicht zum Training kommen.
Wie würden Sie das Verhältnis zu den Platzhirschen von damals beschreiben?
Christian Rahn: Als ich die ersten Male bei den Profis mittrainieren durfte, standen noch solche Typen wie André Trulsen, Carsten Pröpper oder Holger Stanislwaski auf dem Platz. Mein Respekt vor diesen Spielern war so groß, dass ich am Anfang gar nicht wusste, ob ich sie jetzt mit „Du“ oder „Sie“ ansprechen sollte.
Ist das heutzutage anders?
Christian Rahn: Der Respekt ist ein wenig verloren gegangen. Ich habe früher gerne den Rat eines älteren Spielers angenommen, das ist heute – leider – nicht mehr so häufig der Fall.
Mussten Sie damals auch die Taschen der Kollegen schleppen?
Christian Rahn: Früher galt das unausgesprochene Gesetz: „Die Jungen machen das schon“. Also haben wir Taschen und Tore geschleppt und Flaschen aufgefüllt. Ich erinnere mich noch an mein erstes Trainingslager bei den Profis vom FC St. Pauli: Da musste ich morgens um zwei Uhr aufstehen, um gemeinsam mit unserem Zeugwart, einem Betreuer und dem dritten Torwart das komplette Gepäck der Mannschaft am Flughafen einzuchecken! Der Rest der Mannschaft kam schließlich um acht Uhr und brauchte nur noch einzusteigen.
Und heute?
Christian Rahn: Heute wählen wir bei Greuther Fürth drei Spieler aus, die dann die ganze Woche diese Jobs übernehmen…
Sie haben 13 U‑21-Spiele und fünf A‑Länderspiele absolviert. Weshalb hat man Sie irgendwann nicht mehr eingeladen?
Christian Rahn: Eigentlich sollte ich im Kader für die Europameisterschaft 2004 stehen, Rudi Völler und Michael Skibbe wollten mich ursprünglich dabei haben. Kurz vor dem Trainingslager verletzte ich mich allerdings am Oberschenkel. Ich bin trotzdem zu unserem ersten Treffen gefahren. Und schon nach einer Stunde stand der Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt vor mir und sagte: „Tut mir leid Junge, du fährst nicht mit.“ Die EM lief aus deutscher Sicht katastrophal, Völler und Skibbe mussten gehen, Klinsmann kam, ich hatte keine gute Zeit im Verein und damit war ich weg vom Fenster.
Wie haben Sie das verkraftet?
Christian Rahn: Es war keine schöne Zeit. Ich hatte einen großen Traum und der hieß: Europameisterschaft. Innerhalb von Sekunden war dieser Traum zerstört worden. Ich bin dann auch nicht gleich abgereist, sondern einfach noch ein paar Tage bei der Nationalmannschaft geblieben. Das Gefühl, Teil dieser Mannschaft zu sein, wollte ich noch etwas auskosten.
Sie sind jetzt im Herbst Ihrer Karriere – hat sich die ganze Schinderei der vergangenen zehn Jahre gelohnt?
Christian Rahn: Auf jeden Fall. Es gibt nichts schöneres, als sein Hobby zum Beruf zu machen. Außerdem glaube ich, dass es Schlimmeres gibt, als jede Woche vor vielen Fernsehzuschauern und Tausenden Fans im Stadion Fußball zu spielen.
Wie wahren Sie sich die Erinnerung an all die Jahre und Spiele als Fußballprofi?
Christian Rahn: Trikots sind ein wunderbares Souvenir. Inzwischen habe ich an die 300 Stück in meinem Keller, wohlbehütete Schätze, an die keiner ran darf. Außer natürlich meiner Frau und mir.