Heute Abend gedenkt der RSC Anderlecht, an große, längst vergangene Zeiten anzuknüpfen. Der Klub spielt in der letzten Play-off Runde um den Einzug in die Champions League. Der belgische Rekordmeister scheiterte in dieser Saison so knapp an der Meisterschaft, wie es nur geht. Nach den 34 Spieltagen der Jupiler League waren der RSC und der große Rivale Standard Lüttich punktgleich. Und nicht nur das, die beiden Mannschaften hatten auch gleich viele Siege erspielt, 22 an der Zahl.
So musste der Meister also in zwei zusätzlichen Duellen ausgespielt werden. Nach einem 1:1 im Hinspiel verlor Anderlecht im Rückspiel auswärts mit 1:0. Standard Lüttich konnte zum zehnten Mal den Meistertitel feiern. Besonders bitter ist für die Mannschaft aus Anderlecht, dass das Torverhältnis bei Punktegleichstand in Belgien keine Rolle spielt, sonst hätten sie den Titel gewonnen und wären bereits für die Gruppenphase gesetzt.
Damals…
Lang sind die Zeiten vorbei, in denen der RSC Anderlecht zu den Topteams des europäischen Vereinsfußballs gehörte. Nach dem 2. Weltkrieg begann der Verein, sich in der belgischen Liga nach oben zu spielen. Es folgte Meisterschaft über Meisterschaft, allein in den Jahren 1947 bis 1974 wurde Anderlecht 16 Mal belgischer Meister, in den 60er Jahren konnten sie den Titel fünf Mal in Folge in den Brüssler Vorort holen, ein bis heute ungeschlagener Rekord.
Der europäische Erfolg begann Anfang der 1970er. Gleich zu Beginn des neuen Jahrzehnts qualifizierte sich Anderlecht für den Messepokal und spielte sich bis in das Finale vor. Dort traf der RSC auf den FC Arsenal, im Hinspiel gewannen die Belgier mit 3:1, verloren das Rückspiel aber mit 0:3.
Mehr Erfolg hatte der Verein 1976. Nach dem belgischen Pokal gewann er auch den Pokal der Pokalsieger und den europäischen Supercup. Über zehn Jahre gehörte der RSC Anderlecht zu den erfolgreichsten Mannschaften Europas. 1984 zog er noch einmal in das UEFA-Cupfinale ein, unterlag dort aber Tottenham Hotspur im Elfmeterschießen.
Damit begann der Fall der Royalen. Erfolge feiert sie fortan nur noch in der Heimat, wo sie sich mit Standard Lüttich und FC Brügge um die Meisterschaften stritten.
Andere Länder hatten die Belgier überholt. Die drei belgischen Topvereine nahmen fortan zwar an den europäischen Wettbewerben teil, konnten aber an keinem Finale mehr teilnehmen. Ganz vorbei war es in den 90er Jahren, als der belgische Fußball zu spät die Auswirkungen des Bosman-Urteils erkannte. Durch ausbleibende Ablösesummen fehlte den Mannschaften Geld für neue Spieler oder dafür, Spieler, zu halten. Den belgischen Stars hingegen ermöglichte das Urteil ein Wechsel zu andern europäischen Vereinen. Länder wie Holland, in denen schon früh auf Nachwuchsarbeit gesetzt wurde, erstarkten, Belgien fiel zurück. Bei der Nationalmannschaft lief es ähnlich. Bei der EM 1972 wurde Belgien Dritter, 1980 sogar Zweiter. Sechs Jahre später landete sie bei der WM auf dem vierten Platz, der größte Erfolg der belgischen Fußballgeschichte bis heute.
An Jean-Marie Pfaff und René Vandereycken erinnern sich die Belgier gerne zurück. Seit dem scheiterten »die roten Teufel« aber spätestens im Achtelfinale oder können sich, wie zuletzt bei der EM 2008, gar nicht erst für die Endrunde qualifizieren.
Nun soll es Dick Advocaat richten, in der Qualifikationsrunde für 2010 liegt Belgien wieder abgeschlagen hinter Spanien, Bosnien-Herzegowina und der Türkei auf dem vierten Platz. Zwar läuft die Qualifikation noch, doch in Belgien plant man für die Zukunft, für die EM 2012 in Polen und der Ukraine. Da soll alles besser werden.
Der Vereinsfußball hat den Weg aus der Bedeutungslosigkeit bereits begonnen. Die Vereine wie eben der RSC Anderlecht haben die Jugendarbeit für sich entdeckt. Vincent Kompany ist einer dieser jungen belgischen Spieler, die in Anderlecht groß geworden sind. Nach seiner Zeit in Hamburg spielt er jetzt bei Manchester City. In der Saison 2000/01 zogen die Lila-Weißen nach langer Zeit wieder einmal in die zweite Gruppenphase der Champions League ein. Im UEFA-Cup 2008 erreichte Anderlecht sogar das Achtelfinale, doch der FC Bayern war eine Nummer zu groß, und so verabschiedeten sich der belgische Vertreter mit der höchsten internationalen Heimniederlage aus dem Turnier: 0:5.
Auch letzte Saison schrammte der Verein an der Qualifikation für die Champions League vorbei. Heute nun, gegen Olympique Lyon, soll der Erfolg kommen, auf den man in Brüssel schon so lange wartet.