Zum Umgang mit Roman Bürki
Coole Nummer geschoben
Die Patzer von Roman Bürki entfachten beim Borussia Dortmund eine Torwartdiskussion, die der Klub nun ganz elegant aushebelt.
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Oliver Kahn antwortete nach einem verlorenen Match einst auf die Frage, auf welcher Position sich der FC Bayern dringend verstärken müsse: »Wir sollten einen Torwart verpflichten, weil mit dem jetzigen nichts zu gewinnen ist.«
Dieses Selbstbewusstsein hätten wir Roman Bürki in den vergangenen Wochen gewünscht. Denn so sarkastisch wie der »Titan« seine Patzer abmoderierte, müsste es eigentlich jeder Keeper tun, der mal für einen Moment nicht ganz bei sich ist.
Teil des Fundaments
Jedes Kind weiß, dass ein Torwart im Gegensatz zu seinen Teamkollegen meist nur dann auffällig wird, wenn er ausnahmsweise nicht funktioniert. Bürki versieht seinen Job in der Bundesliga, seit er im Jahr 2014 aus Zürich nach Freiburg wechselte, mit der Nüchternheit und Ratio, die man lange Jahre nur eidgenössischen Bankiers nachsagte.
Thomas Tuchel, ein Trainer, der klare Vorstellungen hat, wie man eine Mannschaft baut, machte ihn 2015 zum Stammkeeper in Dortmund. Und Bürki damit zu einem Teil des Fundaments, auf dem Tuchels sportlich höchst erfolgreiche Zeit bei den Westfalen fußte.
Typ Schwiegersohn
Dabei war Bürki von Beginn an nicht unumstritten. Roman Weidenfeller – Schlussmann in der legendären Klopp-Ära – war für viele Anhänger der Inbegriff des Borussia-Keepers. Ein Mann mit einer Aura. Weidenfeller ist die perfekte Symbiose aus Manta-Fahrer, Fitness-Klub-Boss und Schwiegersohn. Er verfügt über ein Mundwerk, das einfach gut zur »Hart, aber herzlich«-Mentalität in der Region passt.
Bei Bürki überwiegt in diesem Mix zweifelsohne das Charakteristikum »Schwiegersohn« – in seinem Fall eher in schweizerisch zurückhaltender Ausprägung –, was unter Fußballfans nur so lange ein Pluspunkt ist, wenn so einem Torwart nichts angekreidet werden kann.
Bürki, der Publikumsliebling
Als Tuchel ihn in der Saison 2015/16 zur Nummer eins machte, zeigten sich die Fans jedoch geduldig mit dem Neueinkauf. Allen war bewusst, dass der neue Trainer nur dann eine neue Erfolgsära begründen kann, wenn ihm die Anhängerschaft Vertrauen schenkt. Und so war das Publikum bereit, den Generationswechsel im Kasten trotz anfänglicher Bürki-Faux-Pas' mitzutragen.
Der Schlussmann goutierte das ihm entgegengebrachte Vertrauen. In der Spielzeit 2016/17 avancierte er zum Publikumsliebling und zum sicheren Rückhalt, sodass selbst Puristen im ewigen Weidenfeller bald nur noch einen Profi in Altersteilzeit erkannten. - Warum man vor dem BVB den Hut ziehen muss
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Doch jeder Torwart weiß, Gefahr lauert im Fußball stets immer dann, wenn man sich in Sicherheit wiegt. Vor der laufenden Saison wäre niemand auf die Idee gekommen, in Dortmund über die Nummer eins zu diskutieren. Unter dem neuen Coach, Peter Bosz, lief zunächst alles wie am Schnürchen.
Doch bei der Königsklassen-Niederlage gegen Tottenham sah Roman Bürki bei zwei Treffern ins kurze Eck plötzlich nicht gut aus. Als Kritiker begannen, die Stagnation beim BVB anzuprangern, verschlimmerte der Keeper die Situation, als er im Champions League Match bei Apoel Nikosia einen Abschlag direkt in die Füße des Gegners spielte und kurz darauf durch einen schwach abgewehrten Schuss einen Gegentreffer einleitete. Ein Tor, dass die Borussia nun an den Rand des Ausscheidens in der Gruppenphase gebracht hat.
Bürki blieb eine klare Antwort schuldig
Pannen wie diese können Torwartkarrieren nachhaltig beschädigen. Oliver Kahn hatte seine Form des Umgangs mit derartigen Rückschlägen (siehe oben). Er lachte drüber – und machte weiter wie gewohnt. Bei Bürki war in den vergangenen Tagen nicht ablesbar, ob ihn die aufgebrannte Diskussion in seinem Selbstverständnis beeinträchtigt.
Am vergangenen Samstag machte er gegen Eintracht Frankfurt eine fast fehlerfreie Partie. Doch wenn ein Keeper in der Kritik steht, werden Kameras plötzlich zu Kanonen und Superzeitlupen besonders verräterisch. Nachdem der Schweizer den Eintracht-Spieler Ante Rebic beim Rauslaufen unbeholfen umsenste und es Strafstoß gab, stellten einige Boulvardmedien Abstimmungstools auf ihre Homepages, bei denen User votieren können, ob der BVB einen neuen Torwart braucht. Bürki selbst blieb eine klare Antwort auf die Kritik an ihm erst einmal schuldig.
Manager Zorc schiebt allen Diskussionen den Riegel vor
Dafür gab sein Klub in dieser misslichen Situation ein klares Statement ab. Nuri Sahin lief nach seinem Treffer zum 1:0 fast 80 Meter über den Platz, um als erstes mit seinem Schlussmann zu jubeln. Und der BVB verlängerte Bürkis Vertrag vorzeitig bis 2021.
Und ehe auf der Südtribüne einige anfangen, lautstark den Einsatz des Oldies Weidenfeller zu fordern, schiebt Manager Zorc allen Diskussionen einen Riegel vor, indem er sagt: »Wir planen mit Roman Bürki als unserer Nummer 1. Für die kommende Saison suchen wir eine neue Nummer 2.«
Chapeau, Dortmund
Ein klares Signal auch hinsichtlich der Spekulationen, Kevin Trapp (aktuell PSG) oder Timo Horn (1. FC Köln) könnten vom BVB verpflichtet werden.
Chapeau, so geht modernes Bundesliga-Krisenmanagement. Und auf elegante Weise zeigt die Führungsspitze von Borussia, wie man den mitunter etwas klebrig wirkenden Werbeslogan »Echte Liebe« ganz elegant mit Inhalt füllt.