Am Dienstag ist Rolf Schafstall im Alter von 80 Jahren verstorben. Unser Autor hatte das Glück, die Bochumer Klublegende im Jahr 2013 zu treffen. Er erlebte einen anderen Mann als erwartet.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals im Jahr 2014.
Ein Privileg des 11 FREUNDE-Redakteurs ist die Möglichkeit, durch persönliche Treffen mit den Protagonisten des Fußballs einen Blick hinter die Imagehüllen zu werfen, die der Medienballon den lieben, langen Tag produziert: „Effe“, der Leitwolf mit dem Fuckfinger; Loddar, der beratungsresistente Dummschwätzer; Maik Franz, der gewissenlose Keulenschwinger; Poldi, der Knuddelbär mit dem Viagra-Daumen. Alles Menschen, die bei Zusammentreffen bewiesen, dass sie viel mehr Facetten haben, als die ihnen zugeschriebenen Klischees.
Im August 2013 begab ich mich auf eine Reise ins wenig malerische Krefeld. Rolf Schafstall war in meiner Jugend der Inbegriff des Peitschenschwingers. Ein „Quälix“ deluxe, der Ruhrpottklubs mit blitzenden Augen und Zigarette im Mundwinkel über den Trainingsplatz scheuchte. Einer, der Profis, die nicht spurten, aus dem Vertrag boxte, Oliver Bierhoff für nicht mal mittelmäßig hielt, und den gesamten Kader bei Dynamo Dresden als „faule Ossis“ beschimpfte. Ein Trainer aus einer Zeit also, als der Weg von den Übungseinheiten nicht zur Videoanalyse führte, sondern direkt in die Kneipe.
An der Ligusterhecke ist kein Halm zu viel
Die Schafstalls wohnen im ersten Stock eines gepflegten Wohnhauses in Krefeld-Hüls. Drumrum liegen Bauernhöfe, man kann kilometerweit schauen. Im Garten hinter einer hohen Ligusterhecke ist kein Halm zu viel. Im Wohnzimmer steht das Kaffeeservice sorgsam in der Vitrine. Fotos von den Enkelkindern auf dem Beistelltisch an der Sitzegarnitur mit Blumenmuster. Käsesahneatmosphäre. Die Nachbarn im Erdgeschoss feiern nächste Woche goldene Hochzeit. Die älteren Herrschaften wissen gar nicht, wo ihnen der Kopf steht. Rolf Schafstall sitzt auf einem gepolsterten Stuhl am Esstisch und kann sich ein kaltes Lächeln nicht verkneifen angesichts dessen, was da unten gerade abgeht.
Der Mann, vor dem einst zähe Bundesligarecken wie Jupp Tenhagen und Ata Lameck scheu den Diener machten, erzählt davon, wie er seine Frau Hildegard als Jungspund bei einem Jugendturnier in Pforzheim kennenlernte. Wie sich die beiden monatelang über Freunde Briefe schrieben, weil ihre Eltern nichts mitbekommen durften. Wie sie sich in den ersten drei Jahren immer nur einen Tag im Jahr sahen – wenn der Junge aus Hamborn mit der Fußballelf wieder zum Turnier ins Schwabenland kam und zwischen den Spielen ein bisschen Zeit hatte, mit ihr im Gras zu plaudern. Schafstall erinnert sich, wie glücklich er war, als ein Angebot aus Reutlingen kam, damit seine Gattin, die Hildegard zwischenzeitlich geworden war, nach Jahren im düsteren Pott, endlich ihre Heimat wiedersah. „Ihr konnte ich das Leben neben der Thyssen-Hütte nicht länger zumuten.“