Borussia Dortmund und Bayern München sind mal wieder in den USA unterwegs. Doch was machen sie da eigentlich? Und wie wirkt es auf die Amerikaner? Ein Erfahrungsbericht.
Nach einer langen Zeit des Wartens sah ich an einem warmen Sommerabend zum ersten Mal meinen Lieblingsklub. Und dann noch in der Stadt, in der ich lebe: Pittsburgh. Früher hätte ich mir niemals vorstellen können, mich für einen Fußballverein aus einem Ort in Deutschland namens Dortmund zu interessieren. Doch vor acht Jahren begann ich, mir regelmäßig die beiden Bundesligaspiele anzuschauen, die pro Woche auf ESPN3 liefen, und es passierte einfach.
Mysteriöse Liebe
Für Fans wie mich, die eine Fernbeziehung mit einem deutschen Klub eingegangen sind, ist diese Liebe fast so mysteriös wie eine religiöse Erfahrung. Sie erfordert nämlich große Hingabe und kann eine sehr einsame Sache sein. Deswegen haben Fußballspiele von europäischen Mannschaften in den USA immer den Charakter von Partys oder Familientreffen. Als der BVB während der vergangenen Sommerpause in Pittsburgh gegen Benfica Lissabon antrat, sah man nicht nur viel westfälisches Schwarz-Gelb und etwas portugiesisches Rot. Ich konnte mehr als fünfzig verschiedene Trikots von Vereinen oder Nationalteams zählen. Sogar Bayern-Anhänger und Schalke-Fans waren vor Ort. Da „Soccer“ in meinem Land ein Dasein im Schatten der vier großen Sportarten führt, nehmen die Fans jede Gelegenheit war, ein bekanntes Team zu sehen, selbst wenn es nicht das eigene ist. Vor allem in einer mittelgroßen Stadt wie Pittsburgh, in der American Football, Eishockey und Baseball eine wichtige Rolle spielen.
Selten hat sich die Community von Fans des deutschen Fußballs so häufig treffen können wie in diesem Sommer – dem Jahr, in dem die Bundesliga Amerika entdeckte. Natürlich ist die deutsche Präsenz in den USA nichts Neues. Mit Köln, Leverkusen, Schalke und Wolfsburg nahmen schon vier Klubs an dem 2015 ins Leben gerufenen Florida Cup teil. Bayern München eröffnete 2016 ein Büro in New York, wenige Wochen, nachdem Mainz 05 ein Höhentrainingslager in Colorado abgehalten hatte. Und doch fühlt es sich ein bisschen an, als wären wir – die amerikanischen Bundesliga-Fans – jetzt erst so richtig in den Fokus geraten. Schon im Mai 2018 kam der BVB zu einem ersten Kurztrip nach Kalifornien. Im selben Monat reiste der FC St. Pauli nach Detroit und bestritt zum ersten Mal überhaupt ein Spiel in den USA. Während der WM trat dann Eintracht Frankfurt in Salt Lake City und Philadelphia an, anschließend überquerten die Bayern und erneut Dortmund den Atlantik.
Captain America
Das Engagement der Bayern trägt bereits Früchte. Als der Klub sein US-Büro eröffnete, gab es acht FCB-Fanklubs im Land. Heute, nur vier Jahre später, sind es 136 – kein anderer europäischer Verein kann auf so viele Fanklubs in den USA verweisen. Insgesamt haben die Bayern nach eigenen Angaben inzwischen 27 Millionen Anhänger hier. Doch wie erobert man Amerika, wenn man nicht Rekordmeister ist, die Liga dominiert und ständig im Halbfinale der Champions League steht?
Der BVB versuchte es mit einem 19-Jährigen, den man hier „Captain America“ nennt. Christian Pulisic war die große Attraktion des Klubs. In Pittsburgh trugen die meisten Leute sein Trikot, vor allem die jüngeren Fans. Gleich 500 von ihnen hatten am Tag zuvor eine Autogrammstunde von Pulisic besucht. Patrick Owomoyela, der heute als Botschafter für den BVB arbeitet, nennt den Spieler einen „Türöffner“. Der Plan scheint zu funktionieren. Als ich in Pittsburgh Carsten Cramer traf, Dortmunds Marketing-Chef, erzählte er mir vom 3:1‑Sieg des BVB gegen Liverpool in Charlotte. Cramer sagte: „Nachdem Pulisic den Elfmeter zum Ausgleich verwandelt hatte, schrie das Stadion: USA! USA!“