Wie sich der FC Bayern öffentlich blamiert
Internal Affairs
Transferverhandlungen, Machtkämpfe und Absagen. Beim FC Bayern gerät derzeit alles an die Öffentlichkeit, was besser geheim bleiben sollte. Das gefährdet die wichtigste Transferperiode der jüngeren Geschichte.
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Es gab mal eine Zeit, da schaffte es der FC Bayern Transfers zu verhandeln, ohne dass jedes Detail vorher an die Öffentlichkeit gelangte. Eine Zeit, in der plötzlich Aufregung in der Presse und der bayerischen Landeshauptstadt herrschte, weil ein Spieler in München gelandet war, den niemand zuvor auf der Rechnung hatte. Eine Zeit, in der sich nicht mindestens ein Bayern-Verantwortlicher zu Verhandlungsständen oder Spekulationen äußerte, bevor nicht alles so gut wie sicher war. Es ist eine Zeit, die gar nicht so lange her ist. Renato Sanches war so ein Fall. Kaum kam das Gerücht auf, war der junge Portugiese schon fix. James Rodriguez. Am Tag, als der Kolumbianer zum ersten Mal mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht wurde, war kurz nach der Mittagspause der Wechsel schon bestätigt.
Doch diese Zeit scheint vorbei zu sein. Jedes Detail, jede Überlegung, jede Diskussion beim FC Bayern scheint ihren Weg an die Öffentlichkeit zu finden. Im Winter konnte die Fußballfans auf der ganzen Welt fast in Echtzeit mitverfolgen, wie der FC Bayern mit und über Jann-Fiete Arp, Benjamin Pavard, Lucas Hernández und Callum Hudson-Odoi verhandelte. Jeden Tag eine Wasserstandsmeldung, genaueste Zahlen, die gehandelt wurden und Bayern-Verantwortliche, die regelmäßig und bereitwillig erzählten, wie gerne sie diese Spieler verpflichteten würden.
Wie ein unerfahrener Tourist auf dem italienischen Schwarzmarkt
Die Aussage Karl-Heinz Rummenigges, Hasan Salihamidzic hätte sich in Hudson-Odoi verliebt, war der vorläufige Höhepunkt. Wer schon mal um irgendetwas verhandelt hat – und sei es nur um ein zerfasertes AC Milan-Trikot von »Adidos« mit vier Streifen auf dem Ärmel und Balotelli auf dem Rücken, in irgendeinem schlechtklimatisierten italienischen Laden – der weiß, dass eine derart offensichtliche Kaufbereitschaft der Verhandlungsposition nicht unbedingt zuträglich ist.
Nun ist es Sommer und geändert hat sich nichts. Frisch und munter buhlt der FC Bayern um Leroy Sané, Rodrigo und Co und handelt sich in aller Öffentlichkeit eine Absage nach der anderen ein. Der Satz von Uli Hoeneß »Wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben für die neue Saison« dürfte mittlerweile ähnlich oft zitiert worden sein wie der Dauerbrenner »Eure Scheißstimmung - Für die seid ihr doch verantwortlich...«, oder seine Gedanken zu Weihnachtsmännern und Osterhasen.
Klar, der Transfermarkt ist überhitzt, das zeigen nicht zuletzt die 126 Millionen, die Atlético Madrid für den 19-jährigen Joao Félix bietet. Aber wann war der Transfermarkt das letzte Mal nicht überhitzt? Der FC Bayern kann sich die Summen, die in der Spitze gezahlt werden, nicht leisten, ohne ein sehr großes Risiko einzugehen. Aber das konnte er nie. Als Cristiano Ronaldo für 94 Millionen Euro zu Real Madrid wechselte, gab der FC Bayern zum ersten Mal 30 Millionen Euro für Mario Gomez aus. Als Bale 2013 die 100-Millionen-Marke durchbrach, leisteten sich die Münchner 37 Millionen für Mario Götze und als Neymar für 222 Millionen nach Paris ging, da gab es an der Isar mit Corentin Tolisso einen 41-Millionen-Rekordtransfer. Der FC Bayern konnte durch clevere Abmachungen, gute Verbindungen und einem Vormachtstellung auf dem deutschen Transfermarkt oft den finanziellen Nachteil gegenüber der internationalen Konkurrenz ausgleichen.
- Ein Berufseinsteiger ist verantwortlich für den Umbruch
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Doch seit 2017 wirkt der Rekordmeister zunehmend unbeholfen. Während Borussia Dortmund, der größte Ligakonkurrent, heimlich still und leise einen cleveren Transfer nach dem anderen fix macht und sich allmählich zum Meisterschaftsfavoriten mausert, hört man beim FC Bayern von gescheiterten Verhandlungen, von verdienten Spielern, denen öffentlich ein Abgang nahegelegt wird, von unzufriedenen Talenten, die nur darauf warten, den Verein zu verlassen, und von dem Streit zwischen U17-Trainer Miroslav Klose und Salihamidzic. Zwischenzeitlich sorgte die Ernennung von Sebastian Hoeneß, Sohn von Dieter Hoeneß, als U23-Trainer bei den Fans für Unmut.
Optimistische Bayernfans, die noch zu Beginn der Transferperiode dachten, dass hinter der Hoeneß-Aussage im Winter mehr als nur simple Kraftmeierei, ja, ein ausgeklügelter Plan steckte, die dürften spätestens durch das Zurückrudern von Uli Hoeneß anfang der Woche eines Besseren belehrt worden sein. »Ich muss ehrlich sagen, langsam geht mir das auf die Nerven, dass man sich nur noch über Käufe definiert. Wir haben gerade zwei Titel gewonnen und wir sollten jetzt erst mal alle feiern«, sagte Hoeneß bei der Meisterfeier der Bayern-Basketballer. Doch schon der Transfer von Mats Hummels zu Borussia Dortmund war ein Hinweis auf diese Planlosigkeit. Der Verteidiger, der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass der FC Bayern in der Rückrunde seine Defensive in Griff bekam und mit langen Pässen für einen beachtlichen Teil der Offensive zuständig war, wurde verkauft, nachdem man ihm angeblich mitgeteilt hatte, dass er kein Stammspieler sein würde, egal wie gut seine Vorbereitung laufen würde. Ein weiteres internes Gespräch, das an die Öffentlichkeit gelangte.
Das Hoffen auf eine alte Spezialität
Nach dem endgültigen Abschied von Franck Ribery, Arjen Robben und auch anderen wichtigen, erfahrenen Spielern wie Rafinha und nun Hummels, steuert der FC Bayern bislang planlos durch die wichtigste Transferperiode der jüngeren Geschichte, bei der einen großen Teil Verantwortung ein Berufseinsteiger auf dem Posten des Sportdirektors trägt. Vor zwei Jahren war klar, dass genau zu diesem Zeitpunkt der endgültige Umbruch der erfolgreichsten Bayernmannschaft aller Zeiten anstehen würde, einer Mannschaft, die dem Lebenswerk von Hoeneß und Rummenigge die Krone aufsetzte. Ob sie diesen Umbruch noch gut hinbekommen ist derzeit fraglich.
Am 8. Juli startet der FC Bayern seine Vorbereitung, am 3. August hat er sein erstes Pflichtspiel - der Supercup gegen Borussia Dortmund. Ob bis dahin der Kader schon steht ist mehr als fraglich. Vier Transfers hatte Niko Kovac zuletzt gefordert. Keine leichte Aufgabe, besonders wenn die Konkurrenz weiß, dass man unter Druck steht und die Preise dadurch steigen. Wie es aussieht, müssen sich die Münchner auf eine alte Fähigkeit verlassen, die sie in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt haben: Die Kunst des Last-Minute-Transfers. Arjen Robben, Mark van Bommel, Arturo Vidal, Thiago, Javi Martínez - sie alle kamen, als das Transferfenster schon lange offen stand. Und vielleicht schaffen sie es ja doch, durch die unerwartete Landung eines prominenten Passagiers am Flughafen Franz-Josef-Strauß die Presse und die Bayern-Anhänger in Aufregung zu versetzen. Für alle, die es mit dem FC Bayern halten, gibt es in der Zwischenzeit zumindest eine gute Nachricht: Klose bleibt weiterhin Trainer der U17. Endlich ein bisschen Harmonie an der Isar.