Es scheint vor­erst ein kurzes Ver­gnügen gewesen zu sein. Ende Oktober ver­mel­deten ira­ni­sche Medien, dass es Frauen in der Isla­mi­schen Repu­blik auch zukünftig nicht gestattet sein wird, Män­ner­fuß­ball­spiele zu besu­chen. Es ist nicht Teil unseres Rechts­sys­tems, dass Sport­of­fi­zi­elle einen Rahmen für Sünden in der Gesell­schaft bieten“, sagte Gene­ral­staats­an­walt Mohammad Jafar Mon­ta­zeri gegen­über der Nach­rich­ten­agentur Isna“. Und er erläu­terte: Wenn eine Frau ins Sta­dion geht und halb­nackte Männer in Sport­klei­dung sieht, pas­siert Sünde.“

Das ist – so bizarr es auch klingen mag – seit vielen Jahren die herr­schende Lehr­mei­nung der ira­ni­schen Politik. Seit der Isla­mi­schen Revo­lu­tion“ 1979 gilt, dass Frauen der Zutritt zu Män­ner­fuß­ball­spielen ver­wehrt wird. 1981 soll zum bis dato letzten Mal eine grö­ßere Anzahl ira­ni­scher Frauen einem Fuß­ball­spiel bei­gewohnt haben. 37 Jahre lang war das Sta­dion seither eine urmänn­liche Bas­tion. Dabei gibt es nicht einmal ein ordent­li­ches Gesetz, das den Spiel­be­such für Frauen ver­bietet. Das Gebot begründet sich viel­mehr in einer über die Jahre ver­fes­tigten und von den Ver­ant­wort­li­chen nie­mals hin­ter­fragten Praxis.

Frei­heit für 100 Frauen

Und dann schien die merk­würdig offi­ziöse Rege­lung doch zu kippen. Im Oktober 2018 traf Team Melli“ – das kommt dem per­si­schen Wort für Natio­nal­team nahe und ist der Spitz­name der ira­ni­schen Lan­des­aus­wahl – in einem Freund­schafts­spiel auf Boli­vien. Wenige Stunden vor Anpfiff wurde die große Nach­richt ver­kündet: Einige aus­ge­wählte Frauen erhielten die Mög­lich­keit, das Spiel im Tehe­raner Azadi-Sta­dion – zu deutsch: Frei­heits-Sta­dion – anzu­sehen.

Sara von der Kam­pagne Open Sta­diums“ konnte sich dar­über aller­dings nur wenig freuen. Sie berich­tete: Den Natio­nal­spie­lern wurde gesagt, dass sie ihre Fami­li­en­mit­glieder anrufen und sie zum Spiel ein­laden dürfen. Alle Frauen im Sta­dion stammten aus den Fami­lien oder dem Frauen-Natio­nal­team. Oder sie waren beim Fuß­ball­ver­band beschäf­tigt.“ Andere weib­liche Fans durften nach wie vor nicht ins Sta­dion. Oben­drein war es auch den rund 100 anwe­senden Frauen nicht gestattet, sich unter die übrigen Zuschauer im halb­leeren Natio­nal­sta­dion zu mischen. Sie mussten gemeinsam anreisen und wurden in einem eigenen Block sepa­riert.

Im Geheimen für offene Sta­dien

So hatten sich das die Akti­vis­tinnen der Kam­pagne Open Sta­diums“ nicht vor­ge­stellt. Seit 2006 exis­tiert die Gruppe weib­li­cher Fuß­ball­hänger, die ihren Status als Fans zweiter Klasse nicht länger hin­nehmen will. Ihr erklärtes Ziel: Zutritt für alle Frauen in ira­ni­schen Sta­dien. Damit ecken sie natür­lich an. Enga­gierte Kri­tiker der gege­benen Ver­hält­nisse werden vom ira­ni­schen Regime nicht gerne gesehen – und schon gar keine Frauen. Die Öffent­lich­keits­ar­beit von Open Sta­diums“ wird aus diesem Grund stets im Geheimen orga­ni­siert. Und auch die Mit­glieder müssen sich schützen: Sara heißt des­halb in Wahr­heit anders.

Vom Pro­test vor Ort lassen sich die Frauen den­noch nicht abhalten. Sara erzählt: Einige ganz gewöhn­liche Frauen, dar­unter auch meine Freun­dinnen, gingen zum Sta­dion, als sie die Neu­ig­keiten erfuhren. Doch die Secu­ritys sagten ihnen, sie können nicht rein und sie sollen nach Hause gehen, anstatt vor den Sta­di­on­toren zu warten. Dann gab es eine ver­bale Aus­ein­an­der­set­zung.“

Eines zumin­dest hat die Kam­pagne also bereits erreicht: Sie hat den weib­li­chen Fans eine Stimme gegeben – sowohl vor den ira­ni­schen Sta­dien als auch in der inter­na­tio­nalen Öffent­lich­keit. Aus aller Welt tru­deln in schöner Regel­mä­ßig­keit Soli­da­ri­täts­be­kun­dungen bei den Akti­vis­tinnen von Open Sta­diums“ ein. Dazu hat nicht zuletzt die letzte Welt­meis­ter­schaft bei­getragen. Auch in Russ­land pro­tes­tierten ira­ni­sche Frauen und männ­liche Unter­stützer gegen das für die Hälfte der Bevöl­ke­rung gel­tende Sta­di­on­verbot. „#NoBan4Women“ war die Losung, die bei den Spielen von Team Melli“ auf Pla­katen ira­ni­scher Anhänger stand.