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Der Text erschien erst­mals im 11FREUNDE Spe­zial Die wun­der­bare Welt der Ama­teure“. Das Heft findet ihr bei uns im Shop.

Ich sitze in der Kabine und mein Trainer schreit mich an: You’re a cunt! You’re a good cunt!“ Ich habe keine Ahnung, warum er so schreit und was er mir damit sagen will. Ich denke nur: Egal. Jetzt kick ich halt!“ Ich bin im Tunnel. Draußen warten die Spieler der Ran­gers, Natio­nal­spieler aus Wales oder Nord­ir­land, auf der Bank Trainer Ally McCoist, über 500 Spiele für die Ran­gers, 61 Län­der­spiele für Schott­land. Wahn­sinn! Aber die Ner­vo­sität ver­fliegt schnell, denn wir spielen nicht schlecht. Jeden­falls bis zur 30. Minute, als vor mir eine Zwei-Meter-Kante den Ball mit der Brust annimmt. Es sieht so aus, als springe ihm der Ball zu weit weg. Mit allem, was ich habe, drehe ich mich in ihn rein. Da macht er plötz­lich einen Satz nach vorne – und ich erwi­sche ihn mit dem Fuß am Knie. Grobes Foul­spiel, Platz­ver­weis. Nach einer halben Stunde. Im Spiel meines Lebens.

Ich kicke, seit ich denken kann. Mit fünf Jahren legte ich bei meinem Hei­mat­verein los, von da ging es in die D‑Jugend des SC Frei­burg. Es drehte sich alles nur um Fuß­ball: Nach der Schule direkt zum Trai­ning hetzen, später mit dem Bus nach Hause tin­geln und bes­ten­falls am Abend noch Fuß­ball in der Glotze gucken. Und am nächsten Tag? Genau das gleiche. Ab der B‑Jugend saß ich aller­dings nur noch auf der Bank, und bald wurde mir klar, dass ich es nicht zum Profi schaffen würde. Also fing ich ein Stu­dium in Frei­burg an: Sport und Eng­lisch auf Lehramt. Nebenbei kickte ich für den Bah­linger SC in der Ober­liga.

Ich musste gegen die Ran­gers spielen

Im Rahmen meines Stu­diums musste ich ein Pra­xis­se­mester machen, das man auch im Aus­land absol­vieren kann. Ich wollte unbe­dingt an eine eng­lisch­spra­chige Schule, wo ich auch Fuß­ball spielen kann. Der Stu­di­en­be­rater emp­fahl mir eine in Schott­land, an der sie einen Lehrer suchten, der gleich­zeitig die Schul­mann­schaft trai­nieren könnte. Und Ver­eine gebe es dort sicher­lich auch. Ich über­legte nicht lange – und zog im Sommer 2012 nach Dollar, ein 2700-Ein­wohner-Nest in Clackmannan­shire, öst­li­ches Schott­land. In den Wochen vor meiner Reise suchte ich Ver­eine aus der Gegend raus und ver­schaffte mir einen Über­blick über die dor­tigen Ligen. Da fiel mir auf, dass die Glasgow Ran­gers in die Vierte Liga abge­stiegen waren, League Two, offi­ziell die unterste Pro­fi­liga, sport­lich aber ver­gleichbar mit unserer Ober­liga. In dem Moment war klar: Ich musste einen Verein in dieser Liga finden, um gegen die Ran­gers zu spielen.

Ich bin mit dem Auto nach Schott­land gefahren, in einem alten, grünen Nissan Pri­mera, 20 Stunden Fahrt­zeit. Ohne Navi, nur mit einem aus­ge­drucktem Google-Maps-Plan auf dem Bei­fah­rer­sitz, zehn Seiten DIN A4. Und dann, nach der Fähre, Links­ver­kehr. Eine aben­teu­er­liche Tour. Aber ich wollte unbe­dingt ein Auto dabei haben. Ich wusste ja nicht, wie weit ent­fernt mein zukünf­tiger Verein spielen würde.

Kann ich mit­trai­nieren?“ Die Ant­wort: Keine Chance.“

Nach meiner Ankunft eröff­nete ich in Dollar ein Konto und kam mit der Bera­terin ins Plau­dern. Ob sie jemanden kennen würde, der Fuß­ball spielte. Klar“, sagte sie. Mein Cousin.“ Ich rief ihn an, und er sagte mir, ich könne vor­bei­schauen. Er erwähnte aber nicht, dass es sich um eine Sunday League han­delte. Wenige Tage später fand ich mich in einem Park wieder, Tore ohne Netze, ein Acker als Spiel­feld, wilder als bei uns in der Kreis­liga. Und dann setzten mich die Jungs noch auf die Bank. Aber ich wollte kein Ergän­zungs­spieler in der Sunday League sein, ich wollte gegen die Ran­gers ran. Also schrieb ich zwei grö­ßere Ver­eine in der Umge­bung an: Stir­ling Albion FC und East Stirling­shire FC. Aber: keine Reak­tion. Irgend­wann hatte ich die Faxen dicke und fuhr mit meiner Sport­ta­sche direkt zum Sta­dion von Stir­ling Albion und fragte an der Rezep­tion: Kann ich mit­trai­nieren?“ Die Ant­wort: Keine Chance.“