Im Zweifel sind den Klubs die TV-Zuschauer immer wichtiger als die Stadiongänger. Das muss sich endlich ändern.
Hinweis: Der Text erschien erstmals Ende Februar in 11FREUNDE #208. Die komplette Ausgabe ist hier erhältlich.
Als neulich RB Leipzig gegen den VfL Wolfsburg im DFB-Pokal kickte, war das Stadion gerade einmal zur Hälfte gefüllt. Dafür kassierte RB-Trainer Ralf Rangnick, der die Begeisterungsfähigkeit der Leipziger Fanszene gerne kurz hinter Boca einordnet und sich deshalb gar nicht erklären konnte, warum sich keine langen Schlangen an den Vorverkaufsstellen bildeten, eine Menge Spott. Und das einerseits völlig zurecht, lappten Rangnicks Ausführungen zur Zuschauerflaute („Die Zuschauer schauen lieber Bundesliga als DFB-Pokal“) doch arg ins Comedy-Fach.
Andererseits sind leere Ränge wahrlich kein Alleinstellungsmerkmal des Leipziger Getränkestützpunkts. Beim Ligaspiel zwischen dem FC Augsburg und Mainz 05 am Wochenende zuvor etwa schwenkte die Führungskamera immer wieder über eine derart spärlich besetzte Gegengerade, dass jeder Ruf eines Zuschauers sicher ein veritables Echo erzeugte. Und es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die No-show-Quote der Dauerkartenbesitzer in den allermeisten Bundesligastadien inzwischen weit über den kolportierten zehn Prozent liegt.
Die Klubs sind selbst schuld
Den Klubs bereitet diese Entwicklung größere Sorgen, schließlich stört nichts so sehr den Eindruck, einem exklusiven Topevent beizuwohnen, wie blockweise verwaiste Schalensitze. Man möchte den Klubs allerdings zurufen: Ihr seid selbst schuld. Denn niemand stand in den letzten zwei Jahrzehnten weniger im Fokus der Klubs als der klassische Stadionbesucher.
Ganz im Gegenteil ist mit erstaunlicher Beharrlichkeit daran gearbeitet worden, eben diesen hartgesottenen Fans den Stadionbesuch zu vermiesen. Und damit sind nicht nur die singenden Fans hinter dem Tor gemeint, sondern all jene, die nicht zum Fußball gehen, weil sie sich ein Spektakel erhoffen oder wertvolle Businesskontakte oder ein schmackhaftes Buffet. Sondern, weil sie sich dem Klub verpflichtet fühlen, in welcher Liga und an welchem Wochentag auch immer.
Mancherorts hat man die Bedeutung der Klubs für die Leute in den Stadtteilen, in den Regionen begriffen. Beim FC St. Pauli, bei Union Berlin, auch bei Eintracht Frankfurt. Aber ganz generell gilt die Überzeugung, dass die Stadionbesucher am Ende alles mitmachen, alles erdulden. Einst die gnadenlose Versitzplatzung der Stadien, später die massive Kameraüberwachung, der Verdrängung der Gästefans in die Stadionecken, die längst noch nicht beendete Zerfaserung der Spieltage, mit unmöglichen Anstoßzeiten und mit bisweilen absurd kurzfristigen Ansetzungen, die den Besuch von Auswärtsspielen so planbar machen wie einen Trampertrip nach Bulgarien.