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Warum erzähle ich diese Geschichte? Ich habe neun Jahre auf höchstem Niveau Fuß­ball gespielt. Pri­mera Divi­sión, Bun­des­liga, Cham­pions League, für Atlé­tico Madrid, die spa­ni­sche Natio­nalelf, für Borussia Mön­chen­glad­bach. Ich habe die Begeis­te­rung der Fans auf den Tri­bünen gespürt. Die Zunei­gung der Men­schen, die ihren Klub lieben wie einen Ver­wandten. Ich habe Geld ver­dient, viel mehr als die meisten Men­schen auf der Welt. Ich habe all die groß­ar­tigen Seiten im Leben eines Profis ken­nen­ge­lernt. Es war eine wun­der­schöne Zeit. Doch sie ist vorbei. Ich werde nie mehr als Spieler in ein aus­ver­kauftes Sta­dion ein­laufen. Gut mög­lich, dass ich nie wieder mit Freunden kicken kann. Ich bin 27 Jahre alt.

Wenn man jung ist, hält man sich für unver­wundbar.

Des­halb möchte ich hier von der anderen Seite dieses Berufs erzählen. Ich möchte eine Seite des Fuß­ball­ge­schäfts zeigen, in die Fans nur selten Ein­blick erhalten. Hinter die Kulissen der Glit­zer­welt aus Traum­toren, rasanten Straf­raum­szenen und ras­sigen Zwei­kämpfen. Dinge, die es nur geben kann, weil Sportler Tag für Tag ihren Körper wie ein Werk­zeug ein­setzen, sich im Kraft­raum schinden und in jeder Ein­heit um einen Platz in der Stammelf kämpfen. 

In dieser Welt ist Schmerz all­täg­lich. Schon als Jugend­spieler in Spa­nien lernte ich damit zu leben. Nicht bei jedem Weh­weh­chen zu hin­ter­fragen, ob etwas Schlim­meres dahin­ter­steckt. Stra­te­gien zu ent­wi­ckeln, wie ich trotz einer Ent­zün­dung, eines quä­lenden Gelenks am Spieltag auf­laufen kann. Ein Profi gewöhnt sich daran, Ver­let­zungen nicht über­zu­be­werten. Wenn es sein muss, nicht mehr daran zu denken und sich statt­dessen auf den Gegner zu kon­zen­trieren. Wenn man jung ist, hält man sich für unver­wundbar. Das Leben ist leicht, alles macht Spaß. Ein junger Spieler macht sich keine Gedanken, dass seine Kar­riere durch den Tritt eines Geg­ners, durch eine unbe­dachte Aktion im nächsten Moment bereits zu Ende sein kann. 

Eine fal­sche Bewe­gung
Februar 2015. Ich war stets ein robuster Fuß­baller, der sich nie um Zwei­kämpfe gedrückt hat. Von schlim­meren Ver­let­zungen blieb ich lange ver­schont. Als junger Atlé­tico-Spieler hatte ich eine Scham­bein­ent­zün­dung. Ich warf eine Schmerz­ta­blette ein und die Sache war erle­digt. Der Phy­sio­the­ra­peut sagte: Alles okay, pass nur auf, dass die Schmerzen nicht schlimmer werden.“ So habe ich es in meiner Kar­riere immer gehalten. Und war stets gut damit gefahren. 

Seit Februar 2015 aber hatte ich öfter Rücken­schmerzen gehabt. Dar­aufhin wurde eine MRT-Auf­nahme ange­fer­tigt, die Ergeb­nisse gingen direkt an die medi­zi­ni­sche Abtei­lung von Borussia Mön­chen­glad­bach. Ich küm­merte mich nicht weiter darum.

Bis zu jenem 2. Mai 2015, einem Samstag. Einen Tag vor dem Spiel mit Borussia bei Hertha BSC ver­drehte ich mir im Trai­ning den Rücken. Eine fal­sche Bewe­gung, ein ste­chender Schmerz. Der Mann­schafts­arzt sagte, es sei eine Blo­ckade, die Mus­ku­latur sei ver­härtet, keine große Sache. Um die Schmerzen zu lin­dern, gab er mir eine Spritze. Vor dem Spiel aber ging nichts mehr. Ich konnte mich kaum noch bewegen. Jede Bewe­gung tat weh. 

Álvaro, mach Urlaub, erhol dich.“

Doch wir spielten um die Cham­pions-League-Qua­li­fi­ka­tion. Zwei Wochen später beim Aus­wärts­spiel in Bremen konnten wir den großen Traum wahr machen. Die Jungs fragten mich, ob ich wieder ein­satz­fähig sei. Max Eberl und Trainer Lucien Favre baten mich um Hilfe. In sol­chen Momenten beißt ein Spieler auf die Zähne. Auch ich wollte dabei sein, wenn wir die Königs­klasse errei­chen. Vor dem Match im Weser­sta­dion warf ich eine Schmerz­ta­blette ein. Irgendwie würde es schon gehen. 

Nach dem 2:0‑Sieg wurden in der Kabine die Sekt­fla­schen her­um­ge­reicht. Doch mir war nicht nach Party. Ich wollte nur noch meine Ruhe und ins Bett. Als ich nach Hause kam, stellte ich einen einen Fehl­stand meiner Hüften fest. Doch die Saison war gelaufen, wir hatten erreicht, was wir uns vor­ge­nommen hatten. Der Mann­schafts­arzt sagte: Álvaro, mach Urlaub, erhol dich.“ Es klang gut, er musste es wissen, er war der Fach­mann. Also fuhr ich in Urlaub und ruhte mich aus. Die Schmerzen aber gingen nicht weg. Also ent­schied ich Anfang Juni auf eigene Faust, ein wei­teres MRT in Spa­nien zu machen. Nach Begut­ach­tung der Bilder sagte mir der Arzt in Madrid, dass ich drei Band­schei­ben­vor­fälle gehabt habe, die kon­ser­vativ behan­delt werden müssten. Das bedeu­tete: Reha, viele Kraft- und Dehn­übungen, kon­trol­lierte Trai­nings­me­thoden.