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Eine Bun­des­li­ga­saison ist wie ein kurzes, inten­sives Leben: voller Gegen­sätze und Unwäg­bar­keiten. Es gibt Sieger und Ver­lierer. Soli­da­rität und Empa­thie treffen auf das Recht des Stär­keren. Das Glück ist flüchtig, doch oft wartet es gerade dann, wenn es nie­mand erwartet. Klebt aber das Pech an einem Klub, ist es hart­nä­ckig wie eine ver­schleppte Erkäl­tung. Man sieht sich immer zweimal, doch nur eins ist sicher: Erst am Ende, ganz am Ende, wird abge­rechnet!

In wel­chen Augen­bli­cken einer Spiel­zeit aber ent­scheidet das Pendel, in welche Rich­tung es aus­schlägt? Welche sind die Schlüs­sel­mo­mente, die ein Jahr in der Bun­des­liga zum Tri­umphzug oder zum Hor­ror­trip werden lassen? Kein Verein weiß das besser als der SV Werder. Die Nord­deut­schen haben in der zurück­lie­genden Saison all die Launen, die der Fuß­ball zu bieten hat, mit voller Wucht zu spüren bekommen. Bereits nach dem 3. Spieltag musste Werder-Veteran Viktor Skripnik den Trai­ner­stuhl räumen. Unter Nach­folger Alex­ander Nouri erlebte der Klub dann im Früh­herbst ein kurzes Zwi­schen­hoch, ehe er mit vier Nie­der­lagen in Folge wieder auf den Rele­ga­ti­ons­platz abstürzte. Bis zur Win­ter­pause gelang es den Grün-Weißen erneut, sich zu kon­so­li­dieren, dann erlebte das Team nach einer Ver­letz­ten­mi­sere erneut sechs sieg­lose Spiele.

Drei Mal abge­stürzt – drei mal auf­ge­standen

Erst am 18. Februar 2017 wen­dete sich das Blatt: Die Bremer gewannen bei Mainz 05 aus­wärts mit 2:0 und blieben in der Folge elf Mal unge­schlagen. Erst als drei Spiel­tage vor Schluss manche schon anfingen, Wer­ders Chancen auf eine Teil­nahme an der Europa League zu berechnen, ver­ab­schie­dete sich das Team in die Kon­sum­hal­tung – und schloss das Jahr auf einem neu­tralen achten Rang ab.

Drei Mal ist Bremer Recht“, lautet ein regio­nales Sprich­wort. Es besagt, dass jedem Bürger der Stadt nach zwei miss­lun­genen Ver­su­chen noch eine dritte Chance ein­ge­räumt werden müsse. In der Retro­spek­tive scheint es, als hätten sich die Ver­eins­bosse bei ihrer Ent­schei­dung, trotz akuter Abstiegs­ge­fahr die Spiel­zeit mit dem beför­derten Nach­wuchs­trainer Nouri und ohne über­eilte Neu­ver­pflich­tungen in der Win­ter­pause durch­zu­stehen, von dieser han­sea­ti­schen Maxime leiten lassen. Drei Mal stürzten die Wer­der­aner übers Jahr auf einen Abstiegs- bezie­hungs­weise Rele­ga­ti­ons­platz ab, drei Mal gelang es ihnen, dem Druck stand­zu­halten.

Muss jetzt wirk­lich jeder wissen, welche Marke ich benutze?“

Es sind kalte Wochen an der Weser, in denen sich alles zum Guten wendet. Werder hat die Win­ter­pause auf dem 15. Tabel­len­platz ver­bracht. Das Trai­nings­lager in Anda­lu­sien hat dem Team neue Zuver­sicht gegeben. Alex­ander Nouri hat den Knoten gelöst, den ihm sein Vor­gänger hin­ter­lassen hat. Unter Skripnik fehlte vielen Profis die rea­lis­ti­sche Aus­sicht auf Spiel­zeit, die Unzu­frie­den­heit war groß. Mit seiner offenen Art, einer klaren Ansprache hat der 37-Jäh­rige seinen Leuten wieder Selbst­ver­trauen ein­ge­flößt, die Kom­mu­ni­ka­tion neu in Gang gebracht. Füh­rungs­spie­lern wie Zlatko Junu­zovic, Max Kruse oder Thomas Delaney signa­li­siert er: Jungs, ich brauche euch. Ihr habt viel mehr Erst­li­ga­er­fah­rung als ich. Er suchte ständig das Gespräch mit uns“, erklärt der Öster­rei­cher Junu­zovic, mal unter vier Augen, mal unter sechs Augen, mal unter acht Augen, mal mit allen zusammen.“

Der Coach hat beim SVW einen atem­be­rau­benden Auf­stieg hinter sich. Erst die Beför­de­rung von Skripnik zum Chef­coach brachte den Assi bei der U23 in vor­derste Ver­ant­wor­tung. Im Früh­jahr 2016 hat er seine Prü­fung zum Fuß­ball­lehrer abge­legt. Und nun soll er die Werder-Profis vor dem dro­henden Abstieg bewahren? Reich­lich Gepäck für einen, der gar nicht zwin­gend ins Ram­pen­licht wollte, son­dern sich mit­tel­fristig als Nach­wuchs­coach ver­stand. Erst all­mäh­lich gewöhnt sich der Mann aus Bux­te­hude an die neue Rolle. Als ihn in den ersten Trai­nings­wo­chen ein Fan an der Super­markt­kasse anspricht, ob er Zeit für ein Selfie habe, hat er gerade eine Packung Klo­pa­pier unterm Arm und fragt sich: Muss jetzt wirk­lich jeder wissen, welche Marke ich benutze?“