Antonio Rüdiger ist verletzt abgereist, Mats Hummels weiterhin angeschlagen. Die deutsche Defensive gleicht vier Tage vor dem EM-Auftakt einem einzigen Fragezeichen.
Da ist sie also, die große EM-Hiobsbotschaft. Am Dienstagabend, wenige Stunden nach der Ankunft der deutschen Nationalmannschaft im Trainingslager in Évian-les-Bains, riss sich Antonio Rüdiger das Kreuzband. Ausgerechnet Rüdiger! Der Abwehrmann, gerade erst für neun Millionen Euro fest vom VfB Stuttgart zum AS Rom gewechselt, galt als defensiver Hoffnungsträger im deutschen EM-Kader. Bundestrainer Joachim Löw hatte Rüdiger auserkoren, den immer noch verletzten Mats Hummels bis zu dessen Turnier-Comeback zu vertreten – und dann diese Verletzung.
Während einige Medien wahlweise über den „Trainings-Schock“ (Bild) oder den „DFB-Schock“ (N24) berichteten, reagierte der Bundestrainer. Löw nominierte den zunächst überraschend nicht berücksichtigten Jonathan Tah nach. Der Leverkusener, gerade im Urlaub in seiner Heimatstadt Hamburg, postete am Samstag noch ein Instagram-Familien-Bildchen aus dem Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen. Jetzt also Europameisterschaft.
Unterdessen muss der Bundestrainer in der Defensive Lösungen finden. Löw hat am vergangenen Samstag angedeutet, dass er wohl mit einer Viererkette ins Turnier starten wird. Gesucht wurde neben Jonas Hector, Jerome Boateng und Antonio Rüdiger eigentlich nur noch ein Rechtsverteidiger. Nun braucht Löw einen Innen- und einen Rechtsverteidiger. Es gibt fünf Kandidaten für zwei Positionen.
Der Gestandene: Benedikt Höwedes
Der Schalker Innenverteidiger durfte sich im EM-Härtetest vergangenen Samstag gegen Ungarn auf der rechten Abwehrseite versuchen – mit mäßigem Erfolg. Zwar erledigte er seine defensiven Aufgaben solide, nach vorne offenbarte Höwedes aber bekannte Schwächen: Spielerisch agiert er nicht auf höchstem Niveau, dazu ist er wahrlich kein Flankengott.
Der Bundestrainer weiß um diese Defizite. Er schätzt Höwedes dennoch, vor allem wegen seiner defensiven Konstanz. Daher hätte es gut sein können, dass der Schalker am Sonntag gegen die Ukraine im ersten EM-Spiel auf rechts begonnen hätte. Die Rüdiger-Verletzung könnte den Schalke-Kapitän nun allerdings in die Innenverteidigung spülen. So hätte Löw gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen: Er könnte Höwedes rechts durch einen offensiv stärkeren Außenverteidiger ersetzen (Kimmich, Can) und würde gleichzeitig die Zentrale mit einem gestandenen Innenverteidiger stärken.
Löw sagte am Mittwoch auf der ersten DFB-Pressekonferenz in Evian-les-Bains: „Es ist definitiv eine Option, Benni Höwedes in die Mitte zu ziehen. Er kann das und hat schon mit Jerome Boateng gespielt.“
Stammspieler-Chancen: 85 Prozent