Eine kleine Tri­büne mit ein­fa­chen, blauen Plas­tik­schalen steht auf dem Mer­cedes-Platz in Berlin-Fried­richs­hain. Dut­zende Jugend­liche sitzen dort, aus­schließ­lich Jungs, von oben bis unten in Sport­kla­motten des glei­chen Aus­rüs­ters ein­ge­kleidet, inklu­sive quietsch­bunter Fuß­ball­schuhe. Viele von ihnen haben kurze, an den Seiten rasierte Haare, einige tragen Ohr­ringe. Ein DJ steht eben­falls auf der Tri­büne, spielt Deutschrap und ist in seinen Laptop ver­tieft. Die Jungs quat­schen auf­ge­dreht, über Fuß­ball oder über Deutschrap, und schauen dabei eher bei­läufig auf das, was gerade auf dem kleinen, von Netzen umge­benen Kunst­ra­sen­platz vor der Tri­büne pas­siert. Plötz­lich wird es lauter, ein kol­lek­tives Ohhhh!“ geht über die schmalen Ränge. Hast du das gesehen, Bruder?“, fragt einer der Jungs seinen Sitz­nach­barn und hält sich dabei die Hände an die Wangen, wie man es macht, wenn etwas Erstaun­li­ches pas­siert ist. Auf dem Feld wurde gerade ein Spieler getun­nelt. Per Hacken­trick.

Es ist Sams­tag­nach­mittag und im Schatten der Mer­cedes-Benz-Arena ver­an­staltet Sport­aus­rüster Adidas“ ein Stra­ßen­fuß­ball­tur­nier, eines von vielen in ganz Deutsch­land, die halb­jähr­lich statt­finden. In Berlin nehmen heute sech­zehn Teams teil, No Limit“, FC One Touch“ oder Arsenal Long­dong“ heißen sie. Die Jungs sind zwi­schen 16 und 26 Jahren alt, viele kommen aus Neu­kölln oder dem Ber­liner Wed­ding. Die meisten spielen auch im Verein, und obwohl sie morgen in Pflicht­spielen für ihren Klub auf­laufen werden, sind sie heute mit vollem Ein­satz dabei. Fragt sich: Warum machen sie das? Wel­chen Stel­len­wert hat der Stra­ßen­fuß­ball in Deutsch­land?

Stra­ßen­fuß­baller sind Alpha­tiere“

Auf dem Platz stehen jetzt die Teams No Limit“ und MSN“. Alle Jungs von No Limit“ spielen in der Herren-Ober­liga bei Ber­liner Ver­einen und zählen als Titel­ver­tei­diger auch heute zu den Favo­riten. Als sie schon nach wenigen Momenten ohne großen Auf­wand mit zwei Toren führen, fangen ihre Gegner an, sich gegen­seitig anzu­keifen. Die Blicke sind vor­wurfs­voll, die Gesten hek­tisch. Abge­spielt wird jetzt nicht mehr. Statt­dessen macht, wer auch immer von ihnen gerade den Ball hat, ein, zwei oder mehr Über­steiger, oder ver­sucht durch Vor­legen des Balls und Hin­ter­her­sprinten den Gegner aus­zu­spielen, was auf dem etwa zwanzig Meter kurzen Platz schei­tern muss.

Stra­ßen­fuß­baller sind Alpha­tiere„, sagt Tolga, ein robuster, sport­li­cher Typ mit kurzen schwarzen Haaren. Er hat das Stra­ßen­fuß­ball-Netz­werk von Adidas“ auf­ge­baut und mode­riert heute die Ver­an­stal­tung. Der 24-Jäh­rige war selbst Tor­wart und hat für die U17 von Tennis Borussia Berlin in der Junioren-Bun­des­liga gespielt – und immer auch auf der Straße, wes­halb er die Ber­liner Szene bes­tens kennt. Solche Jungs haben anfangs oft Pro­bleme damit, sich einem Team anzu­passen. Sie suchen immer das Eins-gegen-Eins, wollen an dir vor­bei­kommen, nicht unbe­dingt mit Zug zum Tor, son­dern manchmal ein­fach nur, um dich aus­zu­spielen. Sie haben gelernt, auf engsten Räumen krea­tive Lösungen zu finden. Das ist das, was sie aus­macht und was aktuell in Deutsch­land fehlt.“