Bayern gegen Real: Kracher, Spitzenspiel, Topduell. Alles schön und gut, aber im Endeffekt egal, meint unser Autor und erklärt, weshalb Madrid die Champions League gewinnen wird.
Im Estadio Santiago Bernabeu läuft die siebte Minute der Nachspielzeit. Cristiano Ronaldo atmet tief durch, läuft an und schweißt den Elfmeter unhaltbar für Juves Ersatzkeeper Wojciech Szczesny ins rechte obere Eck. 1:3, Real vermeidet die Verlängerung und steht im Halbfinale der Champions League 2017/2018.
Der anschließende Jubel, für den Ronaldo sich das Trikot auszog und vor den Fans posierte, als hätte er gerade Deutschland aus dem EM-Halbfinale 2012 geballert, sorgte für viel Kritik. Von Arroganz, Respektlosigkeit und Hass war in den sozialen Medien zu lesen. „Einfach nur erbärmlich“, kommentierte Jens Bierschwale in der WELT. Nachdem die Juve-Fans ihn noch eine Woche zuvor nach seinem zlatanesken Fallrückzieher gefeiert hätten, sei der Jubel „charakterlos“.
Unnötig, okay. Charakterlos? Im Gegenteil!
Die Rheinische Post stellte Pro und Kontra zur Frage „Darf Cristiano Ronaldo so jubeln?“ gegenüber. Dabei ist die Antwort einigermaßen klar: Rechtlich war das Trikotausziehen ein Regelverstoß, der mit einer Verwarnung geahndet wurde. „Das Ausziehen des Trikots nach einem Tor ist unnötig“, steht in Regel 12 der Fußball-Regeln.
Unnötig, okay. Aber Charakterlos? Im Gegenteil. Sein Jubel (und der von seinen Kollegen) ist stellvertretend für den Charakter eines Teams, das Gewinnen über alles stellt. Auch über das emotionale Wohlergehen des Gegners. Er steht stellvertretend für den Charakter dieser Mannschaft von Real Madrid. Für das, was man in der NBA „championship mentality“ nennt. Los Blancos steuern unbeirrt auf den dritten Champions-League-Sieg in Folge zu und werden sich mit dieser Einstellung durch den FC Bayern nicht von ihrem Kurs abbringen lassen.
Letzte Chance: Champions League
Das Tor hat Real den entscheidenden Schub Richtung Titel gegeben. „Wir sind unschlagbar“, lautete die Nachricht nach innen und außen, während der FCB mit einem einigermaßen behäbigen 0:0 über Sevilla ins Halbfinale cruiste. Dabei läuft es für Real diese Saison gar nicht so rund.
In der Liga nur Platz drei, fünf Spiele vor Schluss schon zwei Saisonniederlagen mehr als letztes Jahr. Der Pokal ist schon in Barcelona, die Meisterschaft wird bald folgen. Im Umkehrschluss kann Real diese Saison nichts mehr gewinnen – außer der Champions League. Damit kennen sich die Spieler allerdings aus.
Die Startelf, die Zidane gegen Bayern voraussichtlich spielen lässt, ist personell die gleiche wie im letztjährigen Finale. Aus dem Endspiel 2016 fehlen nur Pepe und Bale. Vom Titelgewinn 2014 sind noch neun Spieler im Kader. Wenn eine Mannschaft weiß, wie man den Gipfel, des europäischen Klubfußballs erklimmt, dann dieses Real.