Jahrelang war Pierre-Michel Lasogga die menschgewordene Brechstange des HSV. Jetzt sitzt er ohne Aussicht auf Einsätze auf der Bank. Was ist nur aus ihm geworden?
Immer wenn beim Hamburger mal wieder nichts funktionierte, musste Pierre-Michel Lasogga seine Birne hinhalten. Nicht den Kopf. Die Birne. Zum Beispiel im Relegationsfinale gegen Fürth. Oder vergangenes Jahr im Derby gegen Werder Bremen. Immer wieder zog Pierre-Michel den Karren aus dem Dreck. Jetzt nicht mehr, denn der HSV will sich nicht mehr schmutzig machen.
Wer hat’s gesagt?
Dabei fühlten sich die Fans aus Hamburg mit kleinen Tränen in den Augen an Horst Hrubesch erinnert, als Lasogga kam. Ähnliche Spielweise, ähnliche Auffassung von Lebenszielen: „Tore schießen, Vorlagen geben, der Mannschaft helfen.“ Sagte Lasogga, hätte aber auch von Hrubesch stammen können. In einer Welt von diametralen Sechsern, Kurzpassspiel und falschen Neunern, schuf Lasogga im gegnerischen Strafraum ein Paralleluniversum aus Zweikämpfen und Abstaubertoren. „Manni Bananenflanke, ich Kopf, Tor.“ Horst Hrubeschs größtes Zitat, hätte aber auch von Pierre-Michel Lasogga kommen können.
In Berlin war er 2013 geschasst worden. Kurz zuvor hatte er den Hauptstadtklub mit einem späten 1:0 gegen Sandhausen noch zurück in die erste Liga geschossen. Dann stellte er sich bei einem Verein vor, der sich in seiner Zäsur befand. Frank Arnesen, dessen Chelsea-Modell er in Hamburg mit Courage an die Wand fuhr, war gerade erst beurlaubt worden und Oliver Kreuzer vom Karlsruher SC sollte sein Nachfolger werden.
„Dann ist mir alles Scheißegal“
Mit Lasogga hatte der neue Sportdirektor mit verbundenen Augen ein Ass gezogen. Das Tor gegen Sandhausen war das einzige Saisontor des Mittelstürmers, der ein halbes Jahr mit einem Kreuzbandriss ausgefallen war und sich gegen Berlins Rob Friend nicht hatte durchsetzen können. In Hamburg überflügelte er Artjom Rudnevs und Maximilian Beister in wenigen Trainingswochen, schoss acht Tore in den ersten acht Spielen.
Trotzdem ging es für den HSV in die Relegation. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte – und Pierre-Michel hielt die Birne hin. Im Rückspiel in Fürth nach einer Flanke von Rafael van der Vaart. Nach Abpfiff baute sich der Relegationsheld vor der Fürther Bank auf, jubelte auf und ab, rammte Oliver Kreuzer spontan in den Rasen vom Ronhof. Und schnappatmete dann: „Wenn man in der Liga bleibt, wenn man das Tor macht, dann ist mir alles Scheißegal.“