Er spricht nicht viel, er trifft nicht oft. Trotzdem spielt er für Frankreich und in der Premier League überragend: N’Golo Kanté. Denn er deckt 30 Prozent der Erde ab.
Hinweis: Dieses Porträt erschien in einer ursprünglichen Version erstmals im Sommer 2017.
Leicesters Christian Fuchs stellte sich einmal einer virtuellen Fragerunde. „Welche drei Spieler würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen?“, wollte ein User wissen. Fuchs antwortete: „Ich bräuchte nur einen: N’Golo Kanté, er würde mich von der Insel wegtragen und durch den Ozean schwimmen, bis wir in Sicherheit wären.“ Fuchs war 2016 mit Kanté sensationell Meister geworden. Danach kämpfte Fuchs mit den „Foxes“ um den Klassenerhalt, während der weitergezogene Kanté wieder englischer Meister wurde, diesmal mit Chelsea. 2016 erreichte er mit Frankreich das EM-Finale, 2018 das Endspiel der Weltmeisterschaft.
Zufall mag das nicht sein. Der französische Mittelfeldspieler fasziniert ganz England und animiert zu Witzen über seine unglaubliche Laufstärke und Kondition, wie sie auch Christian Fuchs gebracht hat. Ein geflügeltes Wort beispielsweise: „70 Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt, der Rest von N’Golo Kanté.“ Oder: „Bevor du Kanté auf Twitter folgen kannst, folgt er dir schon lange.“ Das andere Faszinosum ist sein Spielverständnis, seine unglaubliche Antizipation. Der dazu gehörige Gag: „Chelsea wollte eine Überraschungsparty zu seinem Geburtstag organisieren. Doch er hat es kommen gesehen und sie abgefangen.“
Nicht Hazard, nicht Ibra, nicht Kane – Kanté
Kanté ist allerdings weit mehr als ein weiteres Hans-Sarpei-Meme, die Bewunderung für den wuseligen Spieler hat auch die Expertenrunden und Spielerkollegen erreicht. Bereits 2016 galt er als verheißungsvoller Kandidat, 2017 kürten ihn die Profis der Liga tatsächlich zu „Englands besten Fußballer des Jahres“. Nicht Eden Hazard, nicht Harry Kane, nicht Romelu Lukaku – nein, Kanté machte das Rennen. Damit wurde er notgedrungen zu einem Star der Premier League, auch wenn er das Rampenlicht konsequent scheut. Das mag mit seinem zurückhaltenden Charakter und Lebensstil zu tun haben. „Es ist eine große Ehre, von den anderen Spielern gewählt zu werden“, wurde er nach der Wahl zitiert. Doch die wenigsten glaubten, dass er überhaupt einen Satz gesagt habe. Kanté gilt als beharrlicher Schweiger, bei dem ein Lächeln einem Gefühlsausbruch gleich kommt.
Die BBC veröffentlichte sogleich ein anderthalbstündiges Radiospecial über Kanté, bei dem die Experten in der Runde sicher waren: „So lange wie wir über ihn sprechen, hat er selbst noch nicht geredet.“ Leicesters Ersatztorwart Mark Schwarzer berichtete in dem Beitrag dann auch von der Euphorie nach dem Sieg 2016 bei Man City, mit dem Leicester endgültig auf die Meisterspur einbog. In der Kabine sei es hoch hergegangen, doch Kanté, der ein großartiges Spiel abgeliefert hatte, saß unberührt da. „Man hätte ihm nicht ansehen können, dass er überhaupt beim Spiel dabei war.“