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Nur um das vorweg klar­zu­stellen: Ich hege eigent­lich kei­nerlei Sym­pa­thie für den FC Bayern Mün­chen. Ganz im Gegen­teil. Damit bin ich bisher immer gut gefahren. Und wenn Bayern spielt, gönne ich dem Gegner von ganzem Herzen den Sieg. Ohne Kom­pro­misse. Zu tief sitzt der Sta­chel aus dem Mai 2001, diese Vier-Minuten-Demü­ti­gung, das hämi­sche Grinsen von Stefan Effen­berg, die flat­ternden Tau­ben­nest­haare von Oliver Kahn, wie er da zur Eck­fahne sprintet. Der her­vor­schie­ßende Wohl­stands­bauch von Uli Hoeneß. Immer weiter. Ich könnte kotzen.

Doch am Samstag bekomme ich ein Pro­blem, denn als Fan des FC Schalke ist es mir von Haus aus ebenso ver­boten auch nur eine Nano-Sekunde an das Gute in Schwarz-Gelb zu glauben. Dabei muss ich zugeben, dass ich in den ver­gan­genen drei Jahren durchaus ein paar Mal aner­ken­nend mit der Augen­braue gezuckt habe. Das hätte Freund­schaften zer­stören können, aber ich musste es ein­fach tun, so mit­rei­ßend und betö­rend war das, was die Jungs da mit­unter auf den Rasen zau­berten.

Sack­ratten oder Filz­läuse?

Nun treffen beide Mann­schaften im Cham­pions-League-Finale auf­ein­ander. Und da Fuß­ball gucken als neu­traler Beob­achter in etwa so span­nend ist wie Eis­an­geln im Sommer muss ich mich für 90 Minuten am Samstag ent­scheiden. Arm ab oder Bein ab? Sack­ratten oder Filz­läuse? Pest oder Cho­lera? Wem gönne ich die schmerz­hafte Nie­der­lage in Wem­bley mehr? Wer soll den Hen­kel­pott holen? Und so presse ich nun schmerz­ver­zerrt diese Worte hervor: der FC Bayern Mün­chen soll es machen!

Nur gut, dass es einem der BVB in diesen Tagen relativ ein­fach macht, ihn eini­ger­maßen ver­stört zu beob­achten. Wer Borussia Dort­mund in den Tagen vor dem Finale auf sich wirken lässt, den muss es ein­fach erschau­dern. Lassen wir mal das bedenk­liche Auf­treten der Borussia gegen den erklärten Klas­sen­feind aus Hof­fen­heim am letzten Bun­des­liga-Spieltag mal außen vor und halten uns an die Tat­sa­chen: Tat­säch­lich ver­sucht sich hier ein Verein – der wohl­ge­merkt als erster Fuß­ball­klub der Repu­blik an die Börse gegangen ist – euro­pa­weit als kleiner Arbei­ter­verein zu sti­li­sieren. Eine Mann­schaft, die zwei Jahre lang Ping Pong mit dem FC Bayern gespielt hat, mimt nun den Underdog, der das Cham­pions-League-Finale wie einen Aus­flug ins Dis­ney­land nimmt und bau­klöt­ze­stau­nend in das Wem­bley-Sta­dion ein­laufen wird. Unter diesen Vor­zei­chen ist in Dort­mund mitt­ler­weile alles über­emo­tio­na­li­siert. Das geht soweit, dass es offenbar nur zwei Vari­anten gibt: Ent­weder man ver­spürt die Echte Liebe“, die der Mar­ke­ting­slogan omni­prä­sent in die Welt posaunt oder man ist ein Gegner. Dazwi­schen gibt es nichts. Diese Wagen­burg­men­ta­lität wird aber – anders als beim FC Bayern – nicht mit kühler Arro­ganz ver­kör­pert, son­dern mit vor­ge­scho­benem Unter­kiefer. Es tropft aus jeder Pore. Das mag man mögen. Mir ist es zu viel. 

Zwei Mal riss das Siche­rungs­seil

Ob das reicht, um mich für knapp 90 – oder viel­leicht 120 – Minuten in die led­rigen Fänge des Rekord­meis­ters zu treiben? Sicher nicht! Des­wegen die nackten Zahlen: der FC Bayern erreichte drei Cham­pions-League-Finals in vier Jahren. Das klingt so wahn­sinnig wie die Bestei­gung des K2 ohne Sau­er­stoff­gerät. Auf dieser Bestei­gung ist dem FCB zudem zwei Mal das Siche­rungs­seil gerissen. Beim Spiel gegen Chelsea im ver­gan­genen Jahr haben sie es sogar selbst durch­ge­schnitten. Und trotzdem putzten sich Lahm, Van Buyten und auch Mario Gomez den Mund ab und schauten weiter hoch zu Bas­tian Schwein­steiger, der mit seinem Berg­stei­ger­ge­sicht eisern zum Gipfel vor­ankrak­selt. Es ist genau dieser Mythos, der hinter der ver­meint­li­chen Inthro­ni­sie­rung des FC Bayern stehen könnte, der mich ein biss­chen fas­zi­niert. Das Mär­chen von einer Mann­schaft, die wieder auf­ge­standen ist, als sie zu Boden getreten wurde. Das Schei­tern im letzt­jäh­rigen Finale dahoam“ war so tra­gisch, dass man schon einen Hin­kel­stein als unmit­tel­baren Vor­fahren haben musste, um kein Mit­leid mit dem Rekord­meister zu haben. Und wer Thomas Müller bei den Auf­tritten gegen den FC Bar­ce­lona ins Gesicht gesehen hat, der bekam es sowieso mit der Angst zu tun. In das kesse Laus­buben-Ant­litz des Sprü­che­klop­fers haben sich mitt­ler­weile kah­neske Züge geschli­chen. Sein Grinsen, seine Augen, seine Jubel­f­aust – all das schreit: Immer weiter!“ Diese Mann­schaft ist eis­kalt und herz­er­wei­chend zugleich. Sie ist hoch­at­traktiv und bleibt doch irgendwie die häss­liche Fratze des Mia san mia“. Alles, was den FC Bayern anno 2013 aus­zeichnet, ist so ver­dammt gut, dass man ihn nicht mal mehr aus tiefstem Herzen hassen kann. Das ist schreck­lich. Ich könnte kotzen. Das ist genau mein Ding. Zumin­dest für ein Spiel.