Thomas Müller schrie die Arena zusammen, Uli Hoeneß hingegen zeigt sich nach dem Spiel ungewohnt milde. Und trotzdem ist die Meisterschaft noch lange nicht entschieden. Oder?
Als sich die Türen zu den Katakomben der Allianz Arena öffneten und Uli Hoeneß in Richtung der wartenden Journalisten schritt, blieb deren Hoffnung auf markige Worte an diesem Abend unerfüllt. Keine Kampfansage, keine harsche Kritik am wieder mal total verzerrten Blick, den die Medien in den vergangenen Wochen über seine Bayern-Familie verbreitet und den die Spieler gerade eindrucksvoll korrigiert hatten. Der FC Bayern-Patriarch übte sich in der für ihn so schwierigen Disziplin des Schweigens. „Die Mannschaft hat gesprochen“, sagte der Alte nur, während er seinen massigen Körper mit einem Lächeln an den Kameras und Mikrophonen vorbei schob. Der stille Genießer – eine subtile Art der Machtdemonstration, die man einem Uli Hoeneß gar nicht zugetraut hätte.
Aber an diesem Aprilabend war ja vieles ziemlich überraschend. Wer hätte nach dem Beinahe-Debakel im Pokal gegen den Zweitligisten Heidenheim mit einer derart selbstbewusst und souverän auftretenden Bayern-Mannschaft gerechnet? Oder einen Robert Lewandowski erwartet, der ausgerechnet im Spiel, in dem er sein 200. Bundesligator schießen konnte, 90 Minuten lang daran denkt, dass Fußball ein Mannschaftssport ist?
Kollektives Versagen
Am meisten Rätsel gab aber die BVB-Mannschaft auf, die selbst nachdem sie früh in Rückstand geraten war, so agierte, als gelte es einen 1:0‑Vorsprung ohne großen Kraftaufwand bis zum Schlusspfiff zu verwalten. Wo waren nur die Kreativität, der Wille, die Leidenschaft geblieben, die Lucien Favres Ensemble in dieser Saison immer wieder ausgezeichnet hatten?
Marco Reus war nur einer von vielen, der keine Antwort darauf wusste. „So dürfen wir nicht auftreten“, viel mehr fiel dem Dortmunder Kapitän zum blutleeren BVB-Spiel auch nicht ein. Dass ihn der Trainer ins Sturmzentrum beordert hatte und ihn damit letztlich aus dem Spiel nahm, wollte Reus nicht als Grund für das Desaster durchgehen lassen. „Es ist scheißegal, wo du auf dem Platz stehst – du musst deine Leistung und Einsatz bringen“, stellte Reus fest, um gleich hinzuzufügen: „Das haben wir heute kollektiv nicht hinbekommen.“